Frage an Lisa Gnadl von Jochen A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Frau Gnadl,
die Frage basiert auf eine Urteilsbegründung des OLG Koblenz vom 14.2.2017 , hier der betreffende Ausschnitt:
…().. zwar hat sich der Betroffene durch seine unerlaubte Einreise in die Bundesrepublik nach … AufenthG strafbar gemacht. Denn er kann sich weder auf § 15 Abs. 4 Satz 2 AufenthG noch auf § 95 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 31 Abs. 1 GFK berufen. Die rechtsstaatliche Ordnung in der Bundesrepublik ist in diesem Bereich jedoch seit rund eineinhalb Jahren außer Kraft gesetzt und die illegale Einreise ins Bundesgebiet wird momentan de facto nicht mehr strafrechtlich verfolgt.
Frage: Was werden Sie und Ihre Partei unternehmen, um die „rechtsstaatliche Ordnung“ wieder in Kraft zu setzen?
Quelle: OLG Koblenz 1.Senat für Familiensachen, Urteil vom 14.2.2017, Az: 13 UF 32/17 Punkt 58.
Sehr geehrter Herr A.,
ich teile die Auffassung, zu der der 1. Senat für Familiensachen des OLG Koblenz gelangt ist, nicht. Dabei handelt es sich nach einem Sprecher des Gerichts auch „nicht um die offizielle Meinung des OLG“ (Stuttgarter Zeitung vom 27.02.2018). Ich darf in diesem Zusammenhang auch auf die Positionierung der Bundesregierung verweisen, die die Einschätzung des OLG ebenfalls nicht teilt:
„Zur strafrechtlichen Bewertung der unrechtmäßigen Einreise und des unrechtmäßigen Aufenthalts von Ausländern ist Folgendes auszuführen:
Nach § 95 Absatz 1 Nummer 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist die unerlaubte Einreise einer ausländischen Person in das Bundesgebiet strafbar. Nach Artikel 31 Absatz 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), deren Vertragsstaat auch die Bundesrepublik Deutschland ist und die in Deutschland unmittelbar anwendbar ist, dürfen jedoch keine Strafen gegen Flüchtlinge wegen ihrer unerlaubten Einreise verhängt werden. Auf diesen persönlichen Strafaufhebungsgrund hat der deutsche Gesetzgeber in § 95 Absatz 5 AufenthG, der auf Artikel 31 Absatz 1 der Genfer Flüchtlingskonvention verweist, ausdrücklich hingewiesen. Gemäß Artikel 31 Absatz 1 der Genfer Flüchtlingskonvention i. V. m. § 95 Absatz 5 AufenthG werden daher Flüchtlinge unter den Voraussetzungen des Artikel 31 Absatz 1 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht wegen unerlaubter Einreise oder unerlaubtem Aufenthalts bestraft.
Es ist Aufgabe der Justizbehörden der Länder, im Zuge der Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zu prüfen, ob ein Verfahren eingestellt wird. Der Bundesregierung stehen gegenüber den Justizbehörden der Länder weder Aufsichts- noch Weisungsbefugnisse zu“ (Bundestagsdrucksache 19/1109).
Angesichts der Gewaltenteilung in Deutschland ist es aber hinzunehmen, dass die Bundesregierung oder eine Landtagsabgeordnete zu anderen Einschätzungen gelangen als ein Gericht.
Nun zu Ihrer eigentlichen Frage. Ich darf hierzu aus dem Hessenplan+ unseres SPD-Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel zitieren, da diese Passage sehr gut zusammenfasst, wie die SPD in Hessen mit einem handlungsfähigen Staat die Durchsetzung des Rechts sicherstellen will:
„Ein handlungsfähiger Staat, der Recht durchsetzt
In meinem Hessen von morgen fühlen sich Menschen sicher. An öffentlichen Plätzen muss sich niemand ängstlich umsehen, sondern kann freundlich die Polizei grüßen, weil sie präsent ist. Niemand muss in ständiger Angst leben, dass zu Hause eingebrochen wird. Und eine Joggingrunde durch den Park ist für Frauen vor allem ein Vergnügen an der frischen Luft und kein Grund, Angst zu haben. Dafür müssen wir einiges tun, denn das ist vor allem eine Frage des handlungsfähigen Staates. Unser Rechtsstaat ist stark, aber wir müssen ihn mit dem notwendigen Personal ausstatten bei Polizei, Sicherheitsbehörden und Justiz. Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten wollen diesen handlungsfähigen Staat, der Recht durchsetzt, der den Rechtsstaat verteidigt. Sicherheit schafft man nicht mit immer neuer Druckerschwärze im Gesetzblatt, sondern mit Polizistinnen und Polizisten, die ausgeruht und zufrieden ihren Job machen können und nicht Tausende Überstunden in den Knochen haben.
Auf dem Weg ins Hessen von morgen fangen wir u. a. an mit:
- Jede Polizeidienststelle in Hessen bekommt einen neuen Einsatzwagen plus Besatzung rund um die Uhr.
- Auch in der Justiz wird die Personalentwicklung umgekehrt.
- Gemeinsam mit den Gewerkschaften erarbeiten wir einen „Pakt für Beschäftigung und einen starken Staat“.
- Die Besoldung von Polizeibeamtinnen und -beamten folgt wieder eins zu eins den Tarifabschlüssen der Länder.
- Der Rechtsstaat ist keine Frage der parteipolitischen Ansichten. Er ist eine politische Verpflichtung. Das werde ich als hessischer Ministerpräsident beherzigen.“ (https://www.schaeferguembel.de/hessenplan/)
Mit freundlichen Grüßen
L i s a G n a d l
Mitglied des Hessischen Landtags