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Beate Müller-Gemmeke
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Matthias J. •

Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen Wohnkosten und Verkehrsaufkommen und was ist Ihr Lösungsansatz?

Sehr geehrte Frau Müller-Gemmeke,
seit seiner Erfindung hat das Automobil die Landschaft erheblich verändert. Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Kultur separieren sich immer mehr und die Wege werden immer länger. Ein Leben ohne Auto funktioniert nur noch in den Zentren. Aber auch Unternehmen zieht es in die Zentren. Wohnraum wird zum Spekulationsobjekt, junge Familien können mit Investoren nicht konkurrieren. Die Menschen weichen aus und werden zu Pendlern. Maßnahmen, die das Pendeln unattraktiver machen (Tempo 30 fast überall, Pförtner-Ampeln, CO2-Steuer), werden den Druck auf die Zentren erhöhen, anstelle das Problem zu lösen. Auf der anderen Seite blutet der ländliche Raum immer weiter aus. Weil es dort für die jungen Leute oft keine Perspektive mehr gibt, bleiben die Alten und die Unflexiblen allein zurück. Auch von Land- und Forstwirtschaft können immer weniger Menschen leben. Chancengleichheit, Gesundheitsversorgung, Arbeitsplätze und kurze Wege auf dem Land, für immer eine Utopie?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr J.,

die Unterschiede zwischen Stadt und Land, die Sie ansprechen, aber auch zwischen einzelnen Regionen sind eklatant. Von dem grundgesetzlich verankerten Ziel der gleichwertigen Lebensverhältnisse sind wir also tatsächlich weit entfernt. Daher setzen wir uns dafür ein, dass sowohl in der Stadt als auch auf dem Land Möglichkeiten für einen lebenswerten und selbstbestimmten Alltag geschaffen werden.

In den ländlichen Regionen brauchen wir lebendige Dörfer, in denen die öffentlichen Dienstleistungen klappen, wo das Internet schnell und der Handyempfang gut ist. Die Infrastruktur muss gefördert werden. Busse und Bahnen müssen fahren, Schulen, Krankenhäuser, Einkaufsmöglichkeiten müssen gut erreichbar sowie Ausbildungs- und Arbeitsplätze vorhanden sein. Deshalb haben wir Grünen ein Konzept für die „Regionale Daseinsvorsorge“ entwickelt. So sollen gezielt den Regionen, die heute mit großen Versorgungsproblemen kämpfen, Finanzmittel und Gestaltungsmöglichkeiten gegeben werden, um ihre Infrastrukturprobleme zu lösen und ihre Entwicklung wieder selbst in die Hand nehmen zu können. Für zentrale Versorgungsbereiche wie Gesundheit, Mobilität und Breitband wollen wir nötige Mindeststandards formulieren.

Gleichzeitig müssen urbane Zentren umgestaltet und Innenstädte und Ortskerne wieder attraktiver gemacht werden. Denn sie sind das lebendige Herz einer jeden Stadt. Wir brauchen mehr Rechtssicherheit und Flexibilität bei den Gewerbemieten und Unterstützung der Kommunen beim Immobilien- und Bodenkauf. Gleichzeitig müssen wir bezahlbaren Wohnraum in Innenstädten schaffen und sichern – durch wirksame Mietobergrenzen, eine Mietpreisbremse, die funktioniert und durch die Wiedereinführung der Wohngemeinnützigkeit. Lokaler Handel und Kultur vor Ort müssen zielgenau gefördert werden, dafür ist eine Entbürokratisierung von Hilfsprogrammen notwendig. Auch benötigen wir dringend bessere Verkehrskonzepte, d.h. barrierefreie fußverkehrs- und fahrradgerechte Innenstädte mit starkem öffentlichem Nahverkehr.

Unser Ziel ist es, die Städte und Regionen in ihrer Vielfältigkeit zu stärken und das gute Leben für alle in jedem Winkel der Republik zu sichern.

Mit freundlichen Grüßen

Beate Müller-Gemmeke

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