Sie sind bei den Grünen für Selbstständige 'zuständig'. Sprechen Sie mit Herrn Habeck darüber, dass Millionen freiwillig GKVersicherter schon längst überhöhte Sozialbeiträge auf Kapitalerträge zahlen?
Hallo Frau Müller-Gemmeke,
wie kann es sein, dass Herr Habeck öffentlich äußert (oder zumindest so zitiert wird), Kapitalerträge seien in Deutschland grundsätzlich nicht sozialversicherungspflichtig?
Alle freiwillig in GKV-Versicherten verbeitragen diese bis zur Beitragsbemessungsgrenze doch schon lange. Dies betrift vor allem Selbstständige, die komplett auf die private Alterssicherung angewiesen sind. Rund 1,5 Mio Selbstständige zahlten 2023 freiwillig GKV-Beiträge. Sie ‚verbeitragten‘ ein mittleres monatliches Einkommen von rund 3.540 € – inkl. Kapitaleinnahmen und vieler anderer Einkünfte.
Zusammen mit den anderen freiwillig im 'Solidarsystem GKV' Versicherten dürfte dies also Millionen Wähler:innen betreffen. Wird so etwas bei den Grünen gar nicht besprochen?
Oder warum weist Ihre Partei in der jüngsten Debatte zum Thema nicht einmal darauf hin, dass es sehr schräg ist, wenn Selbstständigen ganz selbstverständlch zugemutet wird, was für Arbeitnehmer:innen untragbar sei?

Sehr geehrte Frau W.,
Robert Habeck hat in einem kurzen Interview vorgeschlagen, dass Kapitalerträge im Rahmen einer Bürgerversicherung stärker zur Finanzierung unseres Gesundheitswesens beitragen sollen. Den aktuellen Zustand halten wir nämlich für ungerecht, weil Einkommen je nach Herkunft unterschiedlich behandelt wird. Dies führt zu Ungerechtigkeiten nicht nur zwischen gesetzlich und privat Versicherten, sondern auch zwischen gesetzlich versicherten Selbstständigen und Arbeitnehmer:innen. Wir halten diese Entwicklung auch nicht für nachhaltig, weil die Kranken- und Pflegeversicherung bislang ganz überwiegend aus den Beiträgen auf Löhne und Gehälter finanziert wird und der Anteil der Einkommen aus Beschäftigung am Volkseinkommen sinkt. Langfristig führt dies zu einer immer stärkeren Beitragslast für die Beschäftigten und auch die Selbstständigen.
Einige kritische Erwiderungen auf Habecks Vorschlag haben argumentiert, es sei systemwidrig, wenn auf Kapitalerträge Beiträge zur Krankenversicherung erhoben werden. Dies ist sachlich schlicht falsch, wie Sie mit Ihrer Darstellung ja eindrücklich zeigen. Freiwillig gesetzlich Versicherte zahlen schon seit langem Beiträge auf ihr gesamtes Einkommen - wenn sie nicht wegen Überschreitens der Versicherungspflichtgrenze freiwillig versichert sind. Das betrifft neben rund 1,5 Mio. Versicherten zum Beispiel auch einige Rentnerinnen und Rentner. Natürlich ist dieser Umstand auch Robert Habeck bekannt. Sie werden aber sicher verstehen, dass es im Rahmen einer knappen Interviewsituation nicht möglich ist, das ohnehin komplexe deutsche Versicherungssystem in allen Einzelheiten darzustellen.
Mit freundlichen Grüßen,
Beate Müller-Gemmeke