Frage an Stephan Mayer von Alfons S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Mayer,
am 21.07.2011 hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel einem neuen Rettungspaket für Griechenland zugestimmt. Wird Ihrer Einschätzung nach das Parlament eine eigenständige Entscheidung treffen oder die Entscheidung nur abnicken? Am 05.07.2011 hat vor dem Bundesverfassungsgericht die mündliche Verhandlung in mehreren Verfahren stattgefunden, die sich gegen bisherige Rettungspakete richten. Wie ist Ihr Plan B, wenn das Bundesverfassungsgericht den Klagen ganz oder teilweise stattgeben sollte?
Mit freundlichen Grüßen
Alfons Schwarzenböck
Sehr geehrter Herr Schwarzenböck,
vielen herzlichen Dank für Ihre Frage zum Abstimmungsverhalten des Plenums des Deutschen Bundestags im Bezug auf die Euro-Rettung und die finanzielle Rettung Griechenlands, die Sie auf www.abgeordnetenwatch.de gestellt haben. Sehr gerne nehme ich dazu Stellung.
Die Stabilität unserer Währung ist ein hohes Gut. Das gilt gerade für Deutschland als größte und im weltweiten Wettbewerb erfolgreichste europäische Volkswirtschaft. Rund 41 Prozent trägt der Euroraum zum deutschen Exporterfolg und damit zu Wachstum und Arbeitsplätzen in Deutschland bei. Über 50 Prozent der deutschen Exporte gehen in die anderen 16 Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsunion. Experten gehen daher davon aus, dass der Mehrwert, der durch den Euro in den vergangenen zehn Jahren für die deutsche Volkswirtschaft eingetreten ist, sich auf 50 bis 70 Milliarden Euro beläuft. Der Euro hat demnach maßgeblichen Anteil daran, dass wir die Finanz- und Wirtschaftskrise im internationalen Vergleich gut bewältigt haben.
Die Staats- und Regierungschefs der Eurozone haben sich auf ihrem Sondergipfel am 21. Juli dieses Jahres auf ein umfassendes Gesamtpaket zur Stabilisierung der Eurozone verständigt. Zu den wesentlichen Elementen dieses Pakets gehören die Flexibilisierung und Ertüchtigung der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und des Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM), die angestrebte Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspakts und der wirtschaftspolitischen Koordinierung sowie die Verpflichtung der Eurostaaten auf haushaltspolitische Konsolidierung.
Wie Sie sicherlich wissen, hat der Deutsche Bundestag am 29. September und am 26. Oktober 2011 beide Male mit großer Mehrheit für die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) gestimmt. Dabei möchte ich feststellen, dass es keinem der Abgeordneten leicht gefallen ist, bezüglich der EFSF eine Entscheidung zu fällen. Keiner meiner Kollegen und auch ich persönlich haben weder den EFSF selbst noch die Ertüchtigung des EFSF einfach nur „abgenickt“. So bin ich fest davon überzeugt, dass man jeder Kollegin und jedem Kollegen zubilligen sollte, sich durchaus intensiv Gedanken über ihr oder sein Abstimmungsverhalten gemacht zu haben und es nicht nur den Kollegen, die gegen den EFSF oder die Ertüchtigung des EFSF gestimmt haben, zugestehen, nach ihrer Überzeugung gehandelt zu haben. Die Zustimmung zur Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität war notwendig, da die EFSF dadurch effizienter einen finanziellen Dominoeffekt in der Eurozone abwenden und somit zur Stabilisierung des Euro beitragen kann. Die EFSF hat nun beispielsweise die Möglichkeit, durch verschiedene Mechanismen zeitnah auf finanzielle Unebenheiten zu reagieren: So bestehen beispielsweise Möglichkeiten zur Auflage vorbeugender Stabilitätsprogramme, zur gezielten Bankenkapitalisierung sowie zum Ankauf von Staatsanleihen zur Stabilisierung eines Eurostaates auf den Finanzmärkten. Zudem stellt die Ertüchtigung der EFSF die tatsächliche Verfügbarkeit des Ausleihvolumens von 440 Milliarden Euro für die EFSF sicher. Der Euro-Rettungsschirm ist nunmehr in der Lage, gegen Angriffe von Spekulanten auf einzelne Eurostaaten wirksam vorzugehen. Ferner ist er bis zum Inkrafttreten des Europäischen Stabilitätsmechanismus beschränkt. Der Deutsche Bundestag wird bei allen wesentlichen Entscheidungen im Rahmen der EFSF das letzte Wort haben. Dies betrifft sowohl die genaue Ausgestaltung des Rettungsschirms als auch die grundsätzliche Entscheidung über die Vergabe von Krediten. Der deutsche Vertreter im Gouverneursrat wird bei solchen einstimmig zu treffenden Entscheidungen nicht ohne das Einverständnis des Deutschen Bundestages oder eines parlamentarischen Gremiums zustimmen können. Dieser Punkt war uns sehr wichtig, denn nur so wird das Haushaltsrecht des Deutschen Bundestags beim Euro-Rettungsschirm in vollem Umfang gewahrt. Wie Sie sicherlich wissen, hat auch das Bundesverfassungsgericht den Euro-Rettungsschirm dadurch für verfassungsgemäß erklärt, dass es mehrere Verfassungsbeschwerden gegen die Finanzhilfen abgewiesen hat (vgl. BVerfG, 2 BvR 987/10 vom 7.9.2011). Dies hat der Bundesregierung vor der ersten Abstimmung über den EFSF vor dem 26. September 2011 den Rücken gestärkt und bestätigt, dass die Bundesregierung auf dem richtigen Weg ist.
Sehr geehrter Herr Schwarzenböck, meines Erachtens darf über all den aktuellen europolitischen Themen, die gerade im Bundestag diskutiert werden, der Grund für die Existenz einer Europäischen Union und die Vorteile, die gerade wir Deutschen bereits aus unserer Mitgliedschaft gezogen haben, nicht vergessen werden: eine geführte wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums, um nur zwei zu nennen. So darf beispielsweise nicht übersehen werden, dass die Inflationsrate in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren, in denen wir den Euro hatten, deutlich geringer war als in den zehn Jahren davor, als die DM noch unsere Währung war. Der Frieden, den Europa sichert, die wirtschaftliche Zusammenarbeit der mittlerweile 27 europäischen Staaten in den verschiedensten Themengebieten, diverse Erleichterungen innerhalb der innereuropäischen Grenzen und viele weitere positive Effekte, von denen Deutschland profitiert, sind nicht zuletzt auch der bisherigen Stabilität der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu verdanken. Wir glauben an den Euro, daher ist es unser innigstes Anliegen, diese Stabilität wieder herzustellen und den anderen Mitgliedsstaaten solidarisch zur Seite zu stehen, die finanziell durch Marktmechanismen ins Wanken geraten sind.
Ich hoffe sehr, Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben. Gerne stehe ich Ihnen selbstverständlich für Rückfragen jederzeit zur Verfügung und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihr
Stephan Mayer
Bundestagsabgeordneter