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Stephan Mayer
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Frage von Alfons S. •

Frage an Stephan Mayer von Alfons S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Mayer,

bei der Bundestagswahl 2009 entfielen 2.606.902 Zweitstimmen (= 6,0 %) auf Parteien, die wegen der 5 %-Klausel keinen Sitz im Bundestag erhalten haben. Bei der Bundestagswahl 2005 waren es 1.857.610 Zweitstimmen (= 3,9 %). Bei der Europawahl 2009 entfielen sogar 2.840.893 Stimmen (= 10,78 %) auf Parteien, die 5 % nicht erreichten und deshalb bei der Sitzverteilung nicht berücksichtigt wurden.

Die 5 %-Klausel verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz. Sie wird aber nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für zulässig gehalten, um die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu sichern. Eine Zersplitterung der politischen Kräfte soll vermieden werden. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 29.09.1990 (BVerfGE 82,322) ausgeführt, dass auf besondere Umstände Rücksicht zu nehmen ist. Im Übrigen hat der Gesetzgeber einen Ermessensspielraum. Für einen Wähler ist es äußerst enttäuschend, wenn er eine gültige Stimme abgegeben hat und er sich von Abgeordneten vertreten lassen muss, die er absichtlich nicht gewählt hat.

Die Grenze von 5 % ist willkürlich. Gibt es wissenschaftliche Untersuchungen, dass die Weimarer Republik nicht gescheitert wäre, wenn es diese Grenze gegeben hätte? Was halten Sie davon, die Grenze abzusenken auf 0,5 %, wie sie für die staatlichen Leistungen bei Bundestags- und Europawahlen gilt und dafür die Zulassungsvoraussetzungen für einen Wahlvorschlag leicht zu erhöhen? Seit dem Ende der Nazi-Diktatur dürfte sich die politische Bildung der Bürger stark verbessert haben oder welche Meinung haben Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen

Alfons Schwarzenböck

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Sehr geehrter Herr Schwarzenböck,

vielen herzlichen Dank für Ihre Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der 5-Prozent-Hürde auf http://www.abgeordnetenwatch.de. Gerne nehme ich zu Ihren Thesen Stellung.

In Ihrer Anfrage äußern Sie die Meinung, dass die in § 6 Absatz 6 des Bundeswahlgesetzes (BWahlG) festgesetzte 5%-Hürde gegen den in Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG) festgesetzten Gleichheitsgrundsatz verstoße. Dabei stützen Sie sich auf die Tatsache, dass abgegebene gültige Wählerstimmen bei denjenigen Parteien verloren gehen, die diese Hürde von fünf Prozent nicht erreichen. Ferner monieren Sie, dass diese Stimmen dann Parteien zugutekommen, die mit Absicht nicht gewählt wurden.

Wie Sie selbst darlegen, haben bereits verschiedene Gerichte die Verfassungsmäßigkeit der 5%-Hürde erklärt und bestätigt.
Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat etwa in seinem Urteil vom 18. Juli 2006 festgestellt, dass der Grundsatz der Wahlgleichheit ein besonderer Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes ist und seinerseits sogar Grundrechtscharakter hat. Mit dieser Aussage misst der Bayerische Verfassungsgerichtshof der Sperrklausel einen außerordentlichen Stellenwert zu und unterstreicht die Bedeutung und Relevanz dieses Instituts.
Gemäß eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 10. April 1997 (Az. 2 BvC 3/96) verlangt der für die Wahl zum Deutschen Bundestag in Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Grundsatz der gleichen Wahl, dass die Stimme eines jeden Wahlberechtigten den gleichen Zählwert und die gleiche rechtliche Erfolgschance hat. Wegen seines Zusammenhangs mit dem Demokratieprinzip ist dieser Grundsatz zudem im Sinn einer formalen und strengen Gleichheit zu verstehen. Zusätzlich muss bei der Verhältniswahl jeder Stimme der gleiche Erfolgswert zukommen, um auf diese Weise Einfluss auf die Zuteilung der Parlamentssitze zu haben. Dieser Grundsatz der Erfolgswertgleichheit belässt dem Gesetzgeber für Differenzierungen des Erfolgswerts nur einen sehr geringen Ermessensspielraum. Solche Differenzierungen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 20. März 1957 (Az. 1 BvL 14/52) in der Formel eines sogenannten „zwingenden Grundes“ zusammengefasst und seither für die Bundestagswahl nicht daran gerüttelt. „Zwingend“ bedeutet in diesem Zusammenhang jedoch nicht notwendigerweise, dass sich die Differenzierungen von Verfassungs wegen als zwangsweise oder notwendig darstellen, vielmehr werden auch Gründe zugelassen, die durch die Verfassung legitimiert und von einem derartigen Gewicht sind, das der Wahlrechtsgleichheit ebenbürtig ist. Ebenfalls werden zureichende, aus der Natur des Sachbereichs der Wahl der Volksvertretung sich ergebende Gründe unter den Begriff des zwingenden Grundes subsumiert, wie etwa die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Parlaments durch eine überschaubare Parteienlandschaft. Zuletzt müssen diese differenzierenden Regelungen zur Verfolgung ihrer Zwecke geeignet und erforderlich sein. Maßstab hierfür ist der Grad des Eingriffs in das Wahlrecht.
Zwar führt die Einhaltung der 5%-Sperrklausel zu einem unterschiedlichen Erfolgswert der abgegebenen Stimmen, doch ist das dem zwingenden Grund der unbedingten Arbeits- und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments geschuldet. Gemäß des bereits genannten Urteils des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs liegt der Hauptzweck der Wählerstimme darin, den Wählerwillen im allgemeinen Verhältnis dazustellen - also gerade nicht streng verhältnismäßig. Dies sichert die Leistungs- und Arbeitsfähigkeit des Parlaments und schützt die Entscheidungsverfahren in den Ausschüssen und im Plenum, aber auch die Koalitionsfindung, die durch eine vielfältige Parteienlandschaft im Parlament ausufern würde.
Darüber hinaus ist es den Parteien abseits der 5%-Hürde möglich, den Einzug über die sogenannte „Grundmandatsklausel“ gemäß § 6 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 BWahlG in das Parlament zu finden. Dies ist dann der Fall, wenn mindestens drei Kandidaten einer Partei von den Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählt werden, auch wenn die Zweitstimme die erforderliche Hürde von 5% nicht erreicht. So geschehen ist es beispielsweise bei der Wahl zum 13. Deutschen Bundestag am 16. Oktober 1994, als bei der Bundestagswahl auf die PDS bundesweit 4,4 Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen, die Partei jedoch vier Direktmandate erzielte und in der Folge mit 26 Abgeordneten regulär im Plenum vertreten war.

Ferner halten Sie die Grenze von fünf Prozent für willkürlich gesetzt. Auch dieser These kann ich nicht zustimmen, denn auch hier haben bereits mehrere Gerichte festgestellt, dass ein Quorum von 5% verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (so beispielsweise das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 10. April 1997, Az. 2 BvC 3/96).
Weiterhin ist Ihr Vorschlag, die Grenze auf 0,5 Prozent zu senken und dafür die Zulassungsvoraussetzungen zu erhöhen, aus demokratischer Sicht problematisch, da ein Mitspracherecht jedweder Art den Bürger bei der Regelung und Festsetzung der Zulassungsvoraussetzungen nicht in den Findungsprozess mit einbezieht. Durch die 5%-Hürde bleibt die Entscheidung, welche Parteien das Parlament stellen, der Gesamtheit der Wähler überlassen, die Demokratie ist gewahrt.

An dieser Stelle sei zudem erwähnt, dass Deutschland nicht das einzige Land mit einer 5%-Hürde ist: Auch Belgien, Estland, Island Lettland, Tschechien, Moldawien und Polen verfügen unter anderem über diese Sperrklausel. In Liechtenstein liegt die Hürde sogar bei acht, in Russland bei sieben Prozent.

Zu Zeiten der Weimarer Republik gab es, wie Sie richtig erwähnten, keine derartige Sperrklausel. Bei der Wahl im Jahr 1928 stellten sich 37 Parteien zur Wahl. Anschließend zogen 15 Parteien jedweder Couleur, also ebenfalls links- und rechtsextreme Parteien, in das Parlament ein. Dies hatte zur Folge, dass sich der Entscheidungsfindungsprozess immens verzögerte, die Kompromissfindung nahezu unmöglich wurde und auch die Koalitionsfindung sich zwangsweise über mehrere Parteien hinstreckte. Dies beweist bereits, dass es keiner weiterführenden Untersuchung bedarf, um herauszufinden, ob die Weimarer Republik mit einer Hürde nicht gescheitert wäre – meines Erachtens reicht es aus, dass sie ohne dieser Hürde gescheitert ist.
Auch bin ich der Überzeugung, dass nicht fehlende politische Bildung zur Diktatur des NS-Regimes geführt hat, sondern eine Agglomeration verschiedener anderer Gründe, wie beispielsweise die extrem hohe Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Not der Bevölkerung.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich die 5%-Hürde für ein wichtiges und passendes Instrument halte, um die Arbeits- und Leistungsfähigkeit des Parlaments zu erhalten. Denn dass das Fehlen einer derartigen Hürde deutliche negative Auswirkungen auf die Handlungsfähigkeit der Politik und deren Schnelligkeit hat, das bewies bereits die Vergangenheit zu Zeiten der Weimarer Republik.

Ich hoffe sehr, Ihnen mit meinen Ausführungen weitergeholfen zu haben. Gerne stehe ich Ihnen selbstverständlich für Rückfragen jederzeit zur Verfügung und verbleibe

mit freundlichen Grüßen
Ihr
Stephan Mayer
Bundestagsabgeordneter

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