Frage an Stephan Mayer von Peter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Mayer,
gegenüber der Bild-Zeitung fordern Sie, dass Google von allen Hausbesitzern/-bewohnern, insbesondere älteren Menschen, das Einverständniss für die Veröffentlichung von Fotos einholt. Ich verstehe an dieser Stelle Ihre Bedenken nicht: Der deutsche Staat sammelt seit geraumer Zeit zunehmend sensible Daten von seinen Bürgern, die auch der Privatwirtschaft zugänglich sind (Daten der Meldeämter) oder werden sollen ("Gesundheits"karte).
Hier fordert kein Politiker die Einverständniss der Bürger - im Gegenteil! Ein Widerspruch ist überhaupt nicht möglich (Biometrischer Kennzeichen im Personalausweis).
Könnten Sie bitte darlegen, in wie weit Sie die Veröffentlichung von Fotos als problematisch erachten, die Sammlung, Aufbereitung und Veröffentlichung von Daten der Bürger aber nicht?
Mit freundlichen Grüßen
Peter Schmidt
Sehr geehrter Herr Schmidt,
ich möchte Ihnen sehr herzlich für Ihre E-Mail vom 18. August 2010 danken, zu der ich Ihnen gerne eine Stellungnahme geben möchte.
Vorab möchte ich betonen, dass ich die Chancen und Vorteile von Geodatendiensten wie „Google Streetview“ erkenne und schätze. Die Erleichterungen im Alltag, die diese Dienste für die Menschen in unserem Land mit sich bringen, sind offensichtlich, beispielsweise können sich deren Nutzer im Rahmen der Planung eines Urlaubes schon vorab einen genauen Eindruck von Hotels und deren Umgebung verschaffen. Dennoch müssen selbstverständlich die Freiheitsrechte der Bürger auch im Rahmen dieser privatwirtschaftlichen Angebote gewahrt und respektiert bleiben.
Deshalb habe ich im Zusammenhang mit der Einführung des Geodatendienstes „Google Streetview“ in Deutschland einige, von Ihnen angesprochene, Bedenken, die ich Ihnen im Folgenden näher erläutern möchte. Als Abgeordneter des Bundeswahlkreises Altötting-Mühldorf am Inn und innen- und rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe nehme ich die Sorgen und Befürchtungen der Menschen ernst. In ländlichen Gebieten ist, wie im Bild-Interview von mir angesprochen, die Hauseigentümerquote relativ hoch. Ich bin in diesem Zusammenhang der festen Überzeugung, dass es für die einzelnen Bewohner einen bedeutenden Unterschied macht, ob die Dorfgemeinschaft im Internet (aus knapp drei (!) Metern Höhe) in die Vorgärten und damit den privaten Bereich der MitbürgerInnen und Hauseigentümer blicken kann, oder ob man städtische Häuserfassaden betrachtet, deren BewohnerInnen vollkommen anonym bleiben. Hier besteht eine Diskrepanz zwischen der Wahrnehmung von Privatem und Öffentlichem in Stadt und Land, die sich im Übrigen auch in der Wahrnehmung von „Google Streetview“ in der Bevölkerung widerspiegelt. Dieser Wahrnehmung die Berechtigung abzusprechen, halte ich für falsch.
Auch müssen die Sorgen und Rechte Älterer oder „Unwissender“, die dem weltweit agierenden Konzern „Google“ in dieser Sache recht hilflos ausgeliefert wären, ernstgenommen werden. Diese Hauseigentümer und –bewohner müssen geschützt werden. Der Staat besitzt hier eine Fürsorgepflicht, die er seinen Bürgern gegenüber auch wahrzunehmen hat. Diese Fürsorge muss auch darin bestehen, Bürger vor einem Zugriff ins Private zu schützen, die nicht in der Lage sind, sich selbst zu schützen. Ganz Ähnliches gilt im ländlichen Raum auch für Regionen, in denen keine Breitband-Internetanschlüsse verfügbar sind, die aber dennoch in Geodatendiensten verzeichnet werden. Ziel muss eine ausgewogene Regelung sein, die keinen unnötigen bürokratischen Aufwand erzeugt, aber gleichermaßen den berechtigten Einwänden aus Teilen der Bevölkerung Rechnung trägt. Hier sind wir auf einem guten Weg.
Sie sprechen in Ihrem Schreiben auch das immer wieder vorgebrachte Argument an, dass der Staat die Bürger und Bürgerinnen zwar vor „Google“ zu schützen versuche, selbst aber allzu arglos mit deren sensiblen Daten umginge und die bürgerliche Freiheit beschneide. Ich möchte in diesem Zusammenhang vorausschicken, dass es schon allein rein qualitativ einen erheblichen Unterschied macht, ob der Staat gewisse Daten für die Allgemeinheit erhebt, oder ob dies von Seiten eines privatwirtschaftlichen Konzernes geschieht. Den gezogenen Vergleich halte ich für nicht angemessen.
Dennoch ist der Staat auf gewisse Daten angewiesen, um seine Pflichten für das Gemeinwesen im Zuge der öffentlichen Daseinsfürsorge zu erfüllen. Er befindet sich – anders als etwa „Google“ – in ständiger Abwägung bürgerlicher Freiheitsrechte und zu gewährleistender Sicherheit. Gerade vor dem Hintergrund neuer Sicherheitsbedrohungen in Form von Internetkriminalität oder dem international vernetzten, islamistischen Terror, wird es notwendig, die Sicherheitsgesetzgebung den neuen Umständen anzupassen, ohne die Freiheit der Bürger in unangemessener Weise einzuschränken. Dasselbe gilt für technische Innovationen, denen die Politik Rechnung zu tragen hat. Deshalb trete ich auch ausdrücklich für eine begrenzte Mindestspeicherungsfrist bestimmter Verkehrsdaten, also eine Vorratsdatenspeicherung, ein. Gleichzeitig muss eine erneute Regelung dieser Angelegenheit die Grundsätze des Daten- und Bürgerschutzes vollumfänglich berücksichtigen, also an Verhältnismäßigkeit, Datensicherheit und -sparsamkeit, Zweckbindung und Transparenz gebunden sein. Die Instrumente der staatlichen Verbrechensbekämpfung werden auf diese Weise angemessen an die neue private Kommunikationskultur unserer Zeit angepasst. Gleiches gilt auch für alle anderen Bereiche, in denen der Staat Daten der Bürger erfasst oder speichert. Deshalb versichere ich Ihnen, dass ich stets dafür eintreten werde, die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu wahren.
In dem aufgezeigten Spannungsfeld ausgewogene und sachgerechte Entscheidungen zu treffen ist Aufgabe der Politik und verlangt ausführliche und sorgfältige Analyse der jeweiligen Problem- und Faktenlage. Hier vernünftige Lösungen zu erarbeiten ist wichtige Triebfeder meines politischen Handelns. Für eventuelle Rückfragen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Stephan Mayer, MdB