Frage an Stephan Mayer von Achim L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Mayer,
der "Spiegel" zitiert Sie in seiner Online-Ausgabe zum Missbrauchsskandal mit der Aussage, Sie seien überzeugt davon, dass "in jedem Fall, in dem sich Verdachtsmomente eines sexuellen Missbrauchs erhärten, eine konstruktive Kooperation der katholischen Kirche mit den jeweils zuständigen Ermittlungsbehörden erfolgen wird". Sie untermauern damit Ihre Kritik an der Justzministerin, die der katholischen Kirche mangelnden Aufklärungswillen vorgeworfen hat.
1. Hat der "Spiegel" Sie korrekt zitiert bzw. sind Sie tatsächlich dieser Auffassung?
2. Wenn ja, ist Ihnen der Inhalt der päpstlichen Dokumente "Crimen sollicitationis" und "De delictis gravioribus" bekannt? Sind Sie mit den irischen Untersuchungsberichten vertraut, die als "Ferns Report", "Ryan Report" und "Murphy Report" bekannt sind und die sich mit Kindesmissbrauch durch Kleriker in Irland und den Umgang der katholischen kirche damit befassen? (Für weitere Hintergrundinformationen kann ich Ihnen die auf Youtube einsehbare BBC-Dokumentation "Sex crimes and the Vatican" empfehlen.)
3. Was begründet im Lichte dieser Informationen Ihre Ansicht, die katholische Kirche werde bei der Aufklärung konstruktiv kooperieren?
Mir ist bewusst, dass die Art meiner Fragestellung auf einen Widerspruch meiner Meinung mit der Ihren hindeutet. Dennoch bin ich an den Gründen für Ihre Meinung aufrichtig interessiert.
Mit freundlichen Grüßen,
Achim Lorenz
Sehr geehrter Herr Lorenz,
vielen Dank für Ihre Nachricht vom 25. Februar 2010 über www.abgeordnetenwatch.de, in der Sie Bezug auf meine Äußerungen in SPIEGEL ONLINE zu den Verdachtsfällen des sexuellen Missbrauchs in der Katholischen Kirche nehmen.
Gerade auch nach den in den vergangenen Wochen aufgedeckten weiteren Verdachtsfällen in der Katholischen Kirche, aber auch in zahlreichen weiteren staatlichen Einrichtungen, sehe ich mich in meiner Auffassung bestätigt, dass die ersten Äußerungen der Bundesministerin respektlos waren, da sie ausschließlich darauf abzielten, die Katholische Kirche in ein schlechtes Licht zu rücken. Die umfangreichen Ermittlungen der Katholischen Kirche haben aus meiner Sicht ein wesentlich differenzierteres Bild ergeben. Im Übrigen stellen interne Voruntersuchungen, die ansonsten auch in jedem größeren Unternehmen bei ersten Verdachtsmomenten auf eine Straftat mittlerweile selbstverständlich sind, eine wichtige Stütze für die spätere Arbeit der staatlichen Ermittlungsbehörden dar.
Missbrauch von Minderjährigen gehört zu den schlimmsten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung überhaupt. Werden Kinder Opfer eines Missbrauchs, führen die körperlichen und seelischen Schäden häufig zu langanhaltenden traumatischen Erfahrungen und psychischen Störungen. Dies belegen auch die zumeist verstörenden Aussagen der Opfer. Die aktuellen Verdachtsfälle zeigen, dass sexueller Missbrauch insbesondere in so genannten „geschlossenen Systemen“ verstärkt auftritt. Statistiken und Forschungsergebnisse belegen jedoch, dass der sexuelle Missbrauch am häufigsten auf familiärer Ebene vorkommt. Erst danach folgen beispielsweise Internatsschulen, Sportvereine oder kirchliche Einrichtungen.
In diesem Sinne hat sich auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, bereits am 22. Februar 2010 zum Auftakt der Vollversammlung der Bischöfe in Freiburg geäußert. Der Erzbischof hat sich dabei ebenfalls in aller Deutlichkeit bei den Opfern entschuldigt, was ich sehr begrüße. Die deutschen Bischöfe haben durch ihre Abschlusserklärung anlässlich der Freiburger Vollversammlung unterstrichen, dass sie die Aufklärung der Missbrauchsfälle in den eigenen Reihen ernst nehmen und sie zugleich eine enge Zusammenarbeit mit der Justiz wünschen. Die Ernennung von Bischof Stephan Ackermann zum Beauftragten der Bischofskonferenz für alle Fragen im Zusammenhang des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich sowie die Überprüfung der Leitlinien zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche von 2002 mit interdisziplinären Fachleuten sind dafür richtige Schritte.
Angesichts der schwerwiegenden traumatischen Folgen hält die CDU/CSU-Fraktion bereits seit längerer Zeit diese Einstufung des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen als Verbrechen für dringend erforderlich. Die aktuellen Verdachtsfälle belegen einmal mehr den dringenden Handlungsbedarf für eine Strafverschärfung. Aus meiner Sicht sollte daher auch über eine Anhebung des unteren Strafrahmens des sexuellen Missbrauchs - von 6 Monaten hin zu einem Jahr - diskutiert werden.
Für weitere Fragen stehe ich Ihnen selbstverständlich sehr gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Mayer MdB