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Sebastian Brehm
CSU
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Frage von Katrin N. •

Wie verantworten Sie das heutige Abstimmungsverhalten zusammen mit der AfD? Ich bin entsetzt über eine derartige Geschichtsvergessenheit an einem so historischen Tag in Deutschland. Und wofür genau?

Sehr geehrter Herr Brehm, Sie sollten Stellung beziehen und Haltung zeigen angesichts dieser traurigen Stunde, die nur der AfD genützt hat. Was für ein vollkommen unnötiges und kopfloses Wahlkampfmanöver. Christliche Werte scheinen nur noch leere Floskeln zu sein. Herzliche Grüße Katrin N.

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Antwort von
CSU

Sehr geehrter Frau N.,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 30. Januar 2025 hier auf abgeordnetenwatch.de und Ihre ehrliche Besorgnis über den Kampf gegen Rechtsextremismus sowie die jüngsten Abstimmungen im Deutschen Bundestag. Ich nehme Ihre Bedenken sehr ernst, denn der Schutz unserer Demokratie und der Einsatz gegen extremistische Strömungen sind Kernanliegen meiner politischen Arbeit, der meiner Bundestagsfraktion sowie meiner Partei.

Lassen Sie mich klarstellen: Die CSU (und CDU) und auch ich persönlich stehen in einem klaren und unmissverständlichen Gegensatz zu jeglicher Form von Rechtsextremismus. Unsere demokratischen Werte, unsere Geschichte und unser Verständnis von politischer Verantwortung lassen hier keinerlei Zweifel zu.

Die Abstimmung über das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz war eine Sachentscheidung und kein Schulterschluss mit der AfD. Wir haben für unsere eigenen politischen Überzeugungen gestimmt, nicht für eine Partei, deren Ziele und Ideologien wir entschieden ablehnen. Die Union hat seit Jahren Maßnahmen gefordert, um irreguläre Migration zu begrenzen, den Sozialstaat zu schützen und Migration in geordnete Bahnen zu lenken. Das ist ein zentrales Anliegen von mehr als 80% unserer Bürgerinnen und Bürger und mit ein Grund, warum die sogenannte Alternative für Deutschland (die weiss Gott keine ist) leider erstarkt ist. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, wie man Extremismus im Parlament bekämpft. Ich bin der Überzeugung, dass das nur gelingen kann, wenn man die Sorgen der Menschen ernst nimmt und handelt. 

Das Zustrombegrenzungsgesetz umfasste drei Maßnahmen in diesem Sinne:

  • Wir wollten das Regelungsziel der „Begrenzung“ wieder in das Aufenthaltsgesetz einführen, nachdem die vormalige Ampel-Regierung es aus dem Gesetz gestrichen hatte. Das bedeutet, dass Behörden sich bei Ermessensentscheidungen im Aufenthaltsrecht gerade an dem Ziel der „Begrenzung“, insbesondere der illegalen Migration orientieren hätten müssen.
  • Der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten – also zu solchen Asylsuchenden, die nicht individuell verfolgt werden, sondern nur aufgrund der Verhältnisse im Heimatland vorübergehenden Schutz in Deutschland erhalten – sollte beendet werden. Eine solche Entscheidung hatte die frühere „Große Koalition“ zwischen CDU/CSU und SPD bereits im Jahr 2016 getroffen. Die Argumentation, dass dies europarechtswidrig sei greift ins Leere, denn dann wäre die damalige Entscheidung der großen Koalition auch schon europarechtlich aufgegriffen worden. Das wurde sie nicht.
  • Überdies wollten wir die Kompetenzen der Bundespolizei beim Vollzug des Aufenthaltsrechts ausweiten. Dies entspricht dem einschlägigen Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 23.-25. Oktober 2024, also auch der Ministerpräsidenten der SPD und der Grünen. Dieses wurde einstimmig von den Ministerpräsidenten so entschieden, daher sind wir davon ausgegangen, dass die SPD und auch die Grünen hier zustimmen. Daher gab es auch im Rahmen der Entscheidung stundenlange Verhandlungen mit den Parteien der SPD und der Grünen.

Sie sehen also: Unsere Positionen waren Positionen der Vernunft, die längst geeint und zustimmungsfähig durch SPD, Grüne und FDP waren, da sie auch schon auf andere Ebene von den Parteien mitgetragen wurden bzw. schon lange Konsens waren. Die Abstimmung im Bundestag wurde in der Folge insbesondere wohl aus Wahlkampfgründen politisch instrumentalisiert und abgelehnt. Dass andere Parteien wie die AfD ebenfalls für dieses Gesetz gestimmt haben, ändert nichts an der Richtigkeit unseres Anliegens. Es wäre doch fatal, wenn wir als Union aus Angst vor falschen Interpretationen plötzlich aufhören würden, für unsere eigenen Positionen einzustehen. Wir dürfen es nicht zulassen, dass die AfD unser Handeln beeinflusst. Wir würden uns zum Spielball des Faschismus machen.

Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir entschlossen fortführen müssen – unabhängig von parteipolitischen Differenzen. Wir müssen aber auch offen über Migration sprechen dürfen, ohne dass berechtigte Debatten in unzulässiger Weise in die Nähe von Extremismus gerückt werden.

Dass die Kirchen und Persönlichkeiten wie Albrecht Weinberg ihre Besorgnis geäußert haben, nehme ich sehr ernst und respektiere ihre Haltung. Selbstverständlich kann man in der Analyse und der Lösung dieser Fragestellung auch anderer Meinung sein. Im Übrigen stellte sich im Nachhinein heraus, dass das Schreiben der Kirchen von einer einzelnen Person in persönlicher Motivation verfasst worden war, ohne die Kirchengremien und ihre Meinung miteinzubeziehen. (https://www.kirche-und-leben.de/artikel/bischoefe-kirchenkritik-an-merz-wegen-migration-war-nicht-abgesprochen ; https://rp-online.de/kultur/kirchenkritik-an-union-war-mit-bischoefen-nicht-abgestimmt_aid-123578663).  Auch daran sieht man wie schnell, diese Debatte und Äußerungen instrumentalisiert werden. Ich appelliere daher besonders die ganze Debatte mit Vernunft zu führen. Auch bleibt für mich klar: Eine verantwortungsvolle Migrationspolitik dient der Stabilität unseres Landes und dem gesellschaftlichen Frieden – und das schließt effektive Maßnahmen zur Steuerung von Migration mit ein.

Die Union wird ihre Brandmauer gegenüber der AfD nicht einreißen. Wir werden auch künftig keinen gemeinsamen Kurs mit dieser Partei fahren. Das wurde auf den Parteitagen der CDU und der CSU mehrfach und glaubhaft wiederholt. Dass es im Parlament jedoch manchmal zu gleichlautenden Abstimmungsergebnissen kommt, ist in einem demokratischen Prozess unvermeidbar und bedeutet keineswegs eine politische Annäherung. Es gab auch in der Vergangenheit Entscheidungen im Deutschen Bundestag, die mit einer Mehrheit von SPD, Grünen und AfD abgestimmt wurden, allerdings ohne öffentliche Empörung. Selbst der Bundeskanzler Scholz selbst hatte darauf hingewiesen, dass die Abstimmungen der AfD nicht das politische Handeln bestimmen sollten.

Mir ist wichtig, Ihre Sorgen nicht einfach abzutun. Ich danke Ihnen für Ihr Engagement und Ihre mahnende Stimme – genau diese Diskussion macht unsere Demokratie aus. Lassen Sie uns weiter im Dialog bleiben. Denn es eint uns das Ziel, die extremen Kräfte im Deutschen Bundestag einzudämmen und zurück zu führen. Über den Weg dazu lässt sich mit Sicherheit trefflich diskutieren.

Herzliche Grüße

Sebastian Brehm, MdB

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