Frage an Roland Fischer von Roland W. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
1. Werden durch SGB II nicht Bildungslaufbahnen zerstört?
2. Worin liegen eigentlich die Vorteile der Agenda 2010?
3. Werden Sie eine Verlängerung des ISAF-Einsatzes in Afghanistan zustimmen?
4. Oder werden Sie sagen, wir müssen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einleiten, um die hohe Arbeitslosigkeit herunterzufahren. Wir brauchen das Geld. Der Hindukusch-Krieg ist nach 7 Jahren bereits ein verlorener Krieg.
Sehr geehrter Herr Wallner,
aus dem Kontext Ihrer Fragen entnehme ich - vielleicht zu Unrecht - dass Sie einen Zusammenhang zwischen den Ausgaben des Staates für Auslandseinsätze und Sozialleistungen im weitesten Sinne herstellen. Davor möchte ich warnen - ich sehe diesen Zusammenhang in der konkreten politischen Entscheidung nicht. Ich glaube nicht, dass der Bundestag bei seiner damaligen Entscheidung zum Einsatz in Afghanistan oder zum SGB II bzw. SGB XII Haushaltsmittel abgewogen hat. Nicht zuletzt die Höhe der Staatsverschuldung spricht aus meiner Sicht deutlich dafür, dass notwendige politische Entscheidungen (über deren Inhalt man dann durchaus geteilter Meinung sein kann) eben nicht in erster Linie vom Geld abhängen. Anders formuliert: Wir werden nur aus Gründen der Staatsfinanzen keine einzige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme mehr oder einen einzigen Tag Auslandseinsatz in Afghanistan weniger bekommen.
Aber zu Ihren Fragen im Detail:
1. Mit dem SGB II, also der Grundsicherung für Arbeitssuchende, werden in der Tat Bildungslaufbahnen zerstört, aber nicht nur diese. Ich halte es für mit den größten Fehler dieser Reform, dass es Union und FDP im seinerzeitigen Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat gelungen ist, den unterschiedslosen Zwang einzuführen, wonach jeder Mensch mit jeder Qualifizierung jede Arbeit an jedem Ort und zu jeder Bezahlung annehmen muss. Das Ergebnis aus meiner Sicht ist eine staatliche Beteiligung am Lohndumping und ein Verlust von Sicherheit für die Menschen, der in keinem Verhältnis zum "Fordern" steht, wie das Ziel damals freundlich umschrieben wurde. Es sind vor allem ältere Arbeitnehmer (ist jemand mit 50 wirklich schon älter?), die bei einem Arbeitsplatzverlust binnen eines Jahres jede bisherige Lebensplanung und -vorsorge verlieren. Instabile Arbeitsverhältnisse mit niedrigen Einkommen und ohne jede soziale Sicherheit können nicht die Antwort unserer Gesellschaft sein. Ich lehne daher auch die Ein- oder Zwei-Euro-Jobs in ihrer jetzigen Ausgestaltung ab - viel zu häufig wird auf diese zurückgegriffen, statt reguläre Arbeitsplätze einzurichten.
2. So sehr ich Detailregelungen beim SGB II, besser bekannt als Hartz IV, ablehne, so sehr wehre ich mich gegen eine Verunglimpfung der Agenda 2010. Diese bestand eben nicht nur aus dem einen Punkt und selbst Hartz IV hat aus meiner Sicht erhebliche Verbesserungen gebracht. Denken Sie nur daran, dass die Menschen, die früher ohne Chance in der Sozialhilfe leben mussten, seit der Agenda 2010 eine echte Perspektive haben, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden. Denken Sie an die die zusätzlichen Ausbildungsplatzförderungen für Jugendliche, an die Möglichkeit der Betriebsgründung auch ohne Meisterbrief im Handwerk, an das 4-Milliarden-Programm zur Förderung von Ganztagsschulen oder die massive Erhöhung der Bildungsausgaben. Alles das war Agenda 2010. Ich kann nur immer wieder appellieren, sich mit den konkreten Details zu beschäftigen und auf pauschale Urteile zu verzichten - letztere stimmen nie.
3. Ich werde einer Verlängerung des ISAF-Einsatzes in Afghanistan nicht zustimmen. Darauf können Sie sich verlassen.
4. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die es früher gegeben hat, hatten einen aus meiner Sicht wesentlichen Vorteil. Sie waren anständig bezahlt - im Gegensatz zu Ein- oder Zwei-Euro-Jobs. Einen Zusammenhang zum Hindukusch sehe ich aber beim besten Willen nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Roland Fischer