Frage an Roland Fischer von Mischa K. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Fischer,
Ihrem Wahlprogramm der Webseite entnehme ich diverse Punkte wie Sie der Mietpreisentwicklung der Stadt München künftig entgegenwirken möchten.
Der Immobilienmarkt ist wie alle Märkte durch Angebot und Nachfrage definiert. Die Ursache der Preisentwicklung liegt - unbestritten - erstmal im geringen Angebot an (bezahlbaren) Wohnraum.
Dies ist der Stadt unter SPD Führung in den letzten Jahren offensichtlich nicht in ausreichendem Maße gelungen. Als Begründung führen Sie mangelnde Bundesmittel an.
Naheliegender wäre jedoch m.E. eine entsprechend höhere Bebaubarkeit bestehender Gebäude und Grundstücke zuzulassen und alle Möglichkeiten der Lokalbaukommission und stadtplanerischen Hoheitsrechte auszunutzen. Denn dies kostet weder die Stadt noch Bund zusätzliche Mittel. Und jede zusätzliche Wohnung entlastet schließlich den Markt.
1. Frage: Warum nimmt dieser Lösungsansatz nur einen geringen Raum in Ihrem Maßnahmenkatalog ein? D.h. warum konzentrieren Sie sich auf die Kurierung der Symptome (Mietpreisbegrenzung, Maklerprovision, Mietrechtsreform) anstatt die Ursache (mangelnder Neubau / Ausbau) ?
2. Frage:
In der Lokalbaukommission erleben wir in unserer beruflichen Praxis jeden Tag wie durch personelle Unterbesetzung, mangelndes Vertretungspersonal und bürgerferne Bürokratie und Genehmigungsprozesse dringende (Neubau)-Maßnahmen verzögert oder verhindert werden. Wie gedenken Sie dies zu verändern?
3. Frage:
Wir kennen diverse Grundstückseigentümer, die bereit wären, für soziale Wohnungsbebauung freie Flächen zur Verfügung zu stellen. Die LBK geht weder aktiv auf diese Eigentümer zu noch werden Bebauungsanfragen mit entsprechenden Wohlwollen (selbstverständlich unter Berücksichtigung sozialer Auflagen) beantwortet oder unterstützt. Wie wollen Sie das verbessern?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Kunz,
ich vermute, dass Sie selbst aus der Immobilienbranche kommen. Sie machen nach meiner Auffassung schon im Anfang Ihrer Frage einen entscheidenden Fehler: Wohnen und Immobilien ist eben nicht ein Markt wie andere, er darf eben nicht allein durch Angebot und Nachfrage geregelt oder definiert werden. Grund und Boden sind im Gegensatz zu anderen "Produkten" nicht beliebig vermehrbar, sondern von vornherein begrenzt - sie schreien geradezu nach staatlicher und demokratisch legitimierter Kontrolle. Vielleicht nehmen Sie sich einmal das Grundgesetz zu Hand und schlagen den Artikel 15 nach.... - keine Angst, ich will davon nicht Gebrauch machen.
Aber Sie haben Recht, der Mangel an Wohnungen insgesamt ist eine der Hauptursachen für die Preisentwicklung auf dem Münchner Wohnungsmarkt. Tatsache ist, dass wir viel mehr Wohnungen brauchen, als jährlich entstehen. Aber das ist beileibe kein neues Problem (Wohnungsmangel in München gibt es seit über 100 Jahren) und es ist zu einfach, dass der Stadt oder der Stadtverwaltung vor die Tür zu kippen. Keine einzige deutsche Stadt hat auch nur ansatzweise so viele Wohnungen errichtet, wie München. In den letzten zwanzig Jahren wurden über 100.000 Wohnungen fertiggestellt, im Jahresdurchschnitt also 6.000. Im selben Zeitraum wurde neues Baurecht für 51.000 Wohnungen geschaffen. Das heißt, rund die Hälfte aller neuen Wohnungen entsteht im Bestand, für die andere Hälfte sind Bebauungspläne erforderlich. In wenigen Jahren wird München um weitere 100.000 Einwohner wachsen. Da 80 Prozent der Münchner Haushalte Single-Haushalte sind, brauchen wir allein dafür also rund 80.000 Wohnungen. Ein einziger Blick auf den Stadtplan zeigt aber, dass wir fast überall längst an den Stadtgrenzen angekommen sind.
Bei der auf der Hand liegenden Frage der Nachverdichtung muss es uns gelingen, einerseits mehr Wohnraum zu schaffen, andererseits aber den grundsätzlichen Charakter und Charme unserer Stadt nicht zu zerstören. Schon aus diesem Grund kann nicht jeder Bebauungswunsch blindlings mit der Begründung Wohnungsnot erfüllt werden. Und denken Sie bitte auch daran, dass die heutigen Münchner fast immer eine Wohnung haben. In Diskussionen höre ich fast immer zeitgleich zwei Aussagen gleichzeitig: "München braucht mehr Wohnungen" und "Nachverdichtung und Neubau? Aber bitte nicht bei mir!"
Ich kandidiere für den Deutschen Bundestag und nicht für den Stadtrat, muss mich also fast zwangsläufig auf die politischen Möglichkeiten konzentrieren, die dem Bund zur Verfügung stehen. Das sind zum einen die Mittel der Städtebauförderung, des sozialen Wohnungsbaus, der Förderung von Wohnungsgenossenschaften und die eigene Verpflichtung des Bundes, für seine mittelbar oder unmittelbaren Beschäftigten bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Und das sind auf der anderen Seite die steuerlichen Möglichkeiten (degressive Abschreibung) und vor allem aber das Mietrecht. Ich halte es für eine zwingende Aufgabe verantwortungsvoller Politik, die - wie Sie schreiben - "Symptome" nicht ausufern zu lassen und den Menschen nicht begründbare Sprünge bei Mieten und vor allem bei Wiedervermietungen zu ersparen. Diese Münchnerinnen und Münchner - und das ist die bei weitem größte Gruppe - haben jetzt das Problem, ihre Wohnung weiter bezahlen zu können.
Zu den grundsätzlichen Abläufen in der kommunalen Wohnungspolitik und zu unseren Vorstellungen dazu würde ich Sie gerne auf einen einstimmigen Beschluss der Münchner SPD vom Juni 2013 verweisen, an dem ich maßgeblich mitarbeiten durfte: http://www.spd-muenchen.de/fileadmin/user_uploads/SPD_Muenchen/Downloads/20130615_Beschlussbuch.pdf
Ich lade Sie gerne ein, mir die Ihnen bekannten "diversen Grundstückseigentümer" zu benennen, die ihre Grundstücke für sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stellen würden - ich kenne weder diese noch kann ich daher beurteilen, wie die Stadtverwaltung mit ihnen und ihren Anträgen oder Projekten verfährt. Ich kümmere mich gerne darum, dass die zuständigen Personen in der Stadtpolitik solchen Fragen nachgehen.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Fischer