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Frage von Ulrich K. •

Frage an Roland Fischer von Ulrich K. bezüglich Verbraucherschutz

Sehr geehrter Herr Fischer,

Um mir und anderen Interessierten die Wahlentscheidung bei der kommenden Bundestagswahl zu erleichtern, und um ein klareres Bild von Ihren politischen Zielen zu erhalten, würde ich Sie bitten, folgendes Gedankenspiel durchzugehen, und die daran anschließende Frage zum Thema Wahlrecht zu beantworten:

Stellen Sie sich vor, es wäre der Abend vor der Bundestagswahl 2013. Sie waren 2009 als Direktkandidat in den Bundestag eingezogen. Sie denken zurück an die vergangenen 4 Jahre. Welche 3 Abstimmungen haben diese Legislaturperiode entscheidend geprägt? Und wie haben Sie abgestimmt? Und
was waren Ihre Gründe für Ihre Entscheidung?

Zum Wahlrecht: Die Bundestgaswahl 2009 wird erneut nach dem alten, inzwischen für verfassungswidrig erklärten Wahlrecht durchgeführt werden. Möglicherweise wird sich die zukünftige Regierungskoalition auf eine Mehrheit stützen, die nur durch Überhangmandate zustande gekommen ist. Das Verfassungsgericht hat dem Parlament zwar eine ausreichend lange Frist gegeben, um ein neues Wahlrecht zu gestalten, der Verdacht, dass sich die beiden (bzw. drei) Parteien der großen Koalition die Zeit bis nach der Wahl vor allem aus taktischen Gründen nehmen, ist nur schwer von der Hand zu weisen.

Gibt es von Seiten Ihrer Partei bereits konkrete Vorstellungen, wie das neue, verfassungskonforme Wahlrecht für die Bundestagswahl 2013 aussehen könnte?

Mit freundlichen Grüßen

Ulrich Kastenbauer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Kastenbauer,

bitte entschuldigen Sie zunächst, dass ich Sie so lange habe warten lassen. Es liegt zum einen an meinem sehr dicht gefüllten Terminkalender, aber - und das gestehe ich Ihnen ganz offen zu - auch daran, dass mich Ihre Frage wirklich sehr lange und intensiv beschäftigt hat.

Als erstes zum Wahlrecht:

Ich halte es - vorsichtig formuliert - für merkwürdig, dass die jetzt anstehende Bundestagswahl nach einem für verfassungswidrig erklärten Wahlrecht stattfindet. Ich kann nur schwer nachvollziehen, warum es dem Parlament nicht möglich war, hier eine rechtlich einwandfreie, gerechte und demokratische Lösung zu finden. Ich gebe Ihnen Recht, dass sich die Vermutung nach auch taktischen Überlegungen förmlich aufdrängt.

Wahr ist aber auch, dass von der geltenden Rechtslage vor allem die Union profitiert - es wird mit über 20 Überhangmandaten gerechnet. Hätte die SPD angesichts dieser Hochrechnungen auf eine Änderung des Wahlrechts noch vor der Bundestagswahl 2009 bestanden, wären die großen Leitartikler des Landes mit Sicherheit über uns hergefallen und hätten uns ausschließlich taktische Überlegungen unterstellt. Und - auch das gehört zur Wahrheit - im geschlossenen Koalitionsvertrag ist nun einmal vereinbart, dass Gesetzesinitiativen nur gemeinsam eingebracht werden.

Aus meiner Münchner und bayerischen Sicht war der auf den ersten Blick ansprechende Gesetzesvorschlag der Grünen nicht zustimmungsfähig. Er hat vorgesehen, dass entstehende Überhangmandate länderübergreifend durch Wegfall von Listenmandaten ausgeglichen werden. Das würde bedeuten, dass starke Landesverbände von CDU und SPD gestärkt werden, schwache Landesverbände weiter geschwächt würden. Die CSU, die nur in Bayern antritt, sollte von diesem länderübergreifenden Ausgleich ausgenommen werden, die bayerische SPD würde in den Ausgleich einbezogen. Dies könnte dann dazu führen, dass die CSU Überhangmandate erhält, die bayerische SPD Listenmandate verliert, um Überhangmandate in anderen Bundesländern auszugleichen.

Ich halte die Sonderstellung und Sonderbehandlung, z. B. auch finanziell, der CSU im Parteiensystem ohnehin für einen Skandal und könnte also einer Wahlrechtsreform, die diese Sonderstellung noch weiter ausbaut und zementiert, nicht zustimmen. Für 2013 strebe ich eine Regelung an, die ohne die CSU-Extrawurst einen länderübergreifenden Ausgleich vorsieht.

Zu Ihrem Gedankenspiel, dem zweiten Teil Ihrer Frage, erst einmal Respekt!
Ich habe lange darüber nachgedacht, was die drei wichtigsten Entscheidungen der anstehenden Legislaturperiode sein könnten. Es ist natürlich- aber das wissen Sie - auch Kaffeesatzlesen und der Versuch der Hellseherei, aber wahrscheinlich macht es genau das so spannend. Ich glaube keine Abgeordnete und kein Abgeordneter des amtierenden Deutschen Bundestages hätte sich vor vier Jahren auch nur ansatzweise die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise vorstellen können und die damit verbundenen Entscheidungen.

Aber ich versuche es gerne trotzdem. Es ist also der Wahlabend 2013, ich durfte meinen Wahlkreis als direkt gewählter Abgeordneter vier Jahre im Bundestag vertreten - als Mitglied der Regierungsfraktion.

Die mit Abstand wichtigste Entscheidung war zu Beginn der Legislatur das Paket zum Neustart der Sozialen Marktwirtschaft. Wir haben klare Regeln für die Wirtschaft und die Finanzmärkte verabschiedet. Jetzt zahlt sich wieder langfristiges, nachhaltiges Wirtschaften aus, kurzfristige Spekulationen rentieren sich nicht mehr. Die Binnenwirtschaft funktioniert vor allem durch die Maßnahmen zur gerechten Einkommens- und Lastenverteilung, es gibt einen ausreichend hohen flächendeckenden Mindestlohn, eine stärkere Besteuerung der Vermögenden und der sehr hohen Einkommen. Die Bürgerversicherung und damit die solidarische Finanzierung unserer Sozialversicherungssysteme ist Gesetz. Die Versuche aus Kreisen der Union, die Mehrwertsteuer zu erhöhen, konnten wir abwehren, ebenso den Vorstoß der FDP und der Wirtschaftsunion, die Gewerbesteuer abzuschaffen. Handwerksbetriebe und der Mittelstand werden wieder von allen Banken, nicht nur von den Sparkassen mit Krediten versorgt. Verbraucherinnen und Verbraucher können sich auf Angebote der Finanzmärkte verlassen, die ein Finanz-TÜV geprüft und freigegeben hat. Mittlerweile hat ein Umdenkungsprozeß in der gesamten Gesellschaft eingesetzt, niemand würde mehr Sprüche wie "Geiz ist geil" für Werbung nutzen, niemand mehr auf Renditeversprechen in zweistelliger Prozenthöhe hereinfallen. Deutschland hat aus der Finanz- und Wirtschaftskrise seine Lehren gezogen und konsequent gehandelt. Die Schere zwischen Arm und Reich schließt sich endlich wieder.
Langsam, aber immerhin.

Nachdem ich neben dem Koalitionspartner auch die letzten Zweifler in meiner eigenen Fraktion überzeugen konnte, haben wir den Börsengang der Deutschen Bahn AG endgültig begraben. Unmittelbar nach dieser Entscheidung brach ein regelrechter Boom im Schienenverkehr aus. Längst notwendige - aber wegen des Börsengangs zurückgestellte - Investitionen in Schienennetz, rollendes Material, Bahnhöfe und Infrastruktur lösten mehr als messbares Wirtschaftswachstum aus. Vor allem im Nahverkehr finden die Menschen jetzt endlich wieder ein Angebot, das eine echte Alternative zum Auto ist. Wir sind den Klimazielen einen deutlichen Schritt näher gekommen. Service für die Bahnkunden ist plötzlich nicht mehr nur ein Kostenfaktor - er wird als notwendiger Kundendienst verstanden. Zug um Zug werden Taktzeiten so angepasst, dass Bahnreisen wieder richtig Spass macht, günstig ist und die Umwelt schont.

Der dritte große Erfolg? Jetzt wird es schwieriger. War es das Festhalten und das Durchsetzen des Atomausstiegs mit allen positiven Folgen auch für neue, zukunftsfähige Arbeitsplätze? War es die systematische Überprüfung und zum Teil Rücknahme der sogenannten Sicherheitsgesetze, die nach dem 11. September zu immer mehr Einschränkungen der persönlichen Freiheit und der Grundrechte geführt haben? Jetzt halten wieder alle Polizeigesetze der Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht stand. War es der geordnete Rückzug aus Afghanistan? War es unsere Initiative, durch gezielte Hilfen in der Einen Welt die Ursachen für Armut und Kriege ein wenig beseitig zu haben? War es die Novelle des Mietrechts, die gerade für uns in München mehr Schutz vor Umwandlung, Entmietung und Begrenzung der Mieten geführt hat? Ich bin unentschieden, entscheiden Sie selbst.

Zugegeben, einiges klingt auf den ersten Blick utopisch. Aber die Politik hat endlich wieder das Primat zurückerobert und den Einfluss von Wirtschaftsverbänden und Lobbyismus zurückgedrängt. Vielleicht war das sogar der größte Erfolg der vier Jahre von 2009 bis 2013. Die Politikverdrossenheit jedenfalls ist kleiner geworden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Roland Fischer