Ich habe gelesen, dass Sie sich für die Zuckerreduzierung einsetzen. Wann wird dies umgesetzt werden? Wann kommt der Gesetzesentwurf?
Sehr geehrte Frau J.,
mir ist die Förderung einer gesunden Ernährung – und dazu gehört die Reduktion von Zucker – sehr wichtig, denn sie beugt Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes sowie Übergewicht vor. Besonders für Kinder ist ein erhöhter Zuckerkonsum sehr gefährlich und hat negative gesundheitliche Folgen. Aktuell sehen wir einen Anstieg von ernährungsbedingten Krankheiten und Übergewicht, vor allem bei Kindern und Jugendlichen. Die Corona-Pandemie und die steigenden Lebensmittelpreise haben diesen Trend noch verstärkt. Etwa jedes sechste Kind in Deutschland ist übergewichtig oder adipös. Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Die Folgekosten für Gesundheitssystem und Sozialkassen, die durch ernährungs(mit)bedingte Krankheiten entstehen, belaufen sich auf ca. 70 Milliarden Euro jährlich.
Aktuell ist es leider so: Viele Lebensmittel enthalten zu viel Zucker – oft versteckt und in unterschiedlichen Formen. Das gilt insbesondere für Fertigprodukte und Erfrischungsgetränke. Diese tragen damit zu einem übermäßigen Zuckerkonsum und der Entstehung von Übergewicht bei. Den Verbraucher:innen wird es damit sehr schwer gemacht, sich ausgewogen und gesundheitsförderlich zu ernähren.
Deshalb wurde die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten 2018 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft ins Leben gerufen. Das Problem dabei ist, dass diese Strategie auf freiwilligen Selbstverpflichtungen der Industrie beruht und die Vorgaben weit unterhalb des Machbaren und Nötigen bleiben. Eine aktuelle Studie der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) in Zusammenarbeit mit den Universitäten LMU und TU München bestätigt das und zeigt: Auf freiwilliger Basis kommt die Reduktion des Zuckergehaltes bei Softdrinks kaum voran. So haben die Getränkehersteller den Zuckergehalt in ihren Produkten um gerade einmal 2 % in sechs Jahren reduziert. Der Studie zufolge lag der durchschnittliche Zuckergehalt von Softdrinks in Deutschland im Jahr 2015 bei 5,3 Gramm je 100 Milliliter, im Jahr 2021 bei 5,2 Gramm je 100 Milliliter. Großer Fortschritt – Fehlanzeige!
Großbritannien zeigt, dass das auch anders geht. Die britische Regierung ist mit gutem Beispiel vorangegangen und hat 2018 eine Abgabe auf Zuckergetränke eingeführt. Dadurch müssen Hersteller eine Abgabe zahlen, wenn ihre produzierten Getränke eine bestimmte Menge an Zucker überschreiten. Mit Erfolg: Denn der Zuckergehalt in den britischen Getränken ist seither um 30 % gesunken. Auch die Zahl der übergewichtigen Kinder ist zurückgegangen. Übrigens haben mittlerweile weltweit mehr als 50 Regierungen eine Abgabe oder Steuer auf Zuckergetränke eingeführt. Deutschland ist hier Nachzügler.
Auch ich spreche mich klar für eine Herstellerabgabe bei einer Überschreitung eines Zucker-Grenzwertes von 5 g/100 ml aus. Wir sehen, dass diese Maßnahme in vielen Ländern eine positive Wirkung erzielt – im Gegensatz zu den bisher nur freiwilligen Reduktionszielen in Deutschland. Deshalb fordern medizinische Fachgesellschaften, die WHO, Verbraucherorganisationen und Krankenkassen bereits seit Jahren eine entsprechende Regelung in Deutschland.
Wichtig finde ich dabei auch, dass eine Steuer auf Zucker nicht dazu führen sollte, dass die Hersteller Zucker einfach durch Süßstoffe ersetzen. Daher soll eine Süßgetränkeabgabe auch Süßstoffe einbeziehen. Wir müssen bedenken, dass sich Geschmackspräferenzen und speziell auch eine starke Süßprägung im Kindesalter entwickeln. Es sollte daher gar nicht erst zu einer Gewöhnung an zu Süßes, v.a. bei Süßgetränken, kommen. Auch die Verbraucher:innen wünschen sich Regeln und Gesetze bei der Zuckerreduktion und nehmen ein weniger süß schmeckendes Produkt gern in Kauf (das zeigt z.B. der Ernährungsreport des BMEL von 2020). Übrigens muss eine Zuckerreduktion nicht zu Lasten des Geschmacks gehen. Vielmehr bietet sie Anreize für Innovationen und die Entwicklung neuer Rezepturen.
Wir sollten alle Hebel in Bewegung setzen, um Übergewicht und ernährungsbedingte Krankheiten zu vermeiden. Eine Herstellerabgabe auf Süßgetränke gehört ebenso dazu wie verbindliche Reduktionsziele für Zucker, ungesunde Fette und Salz in Fertigprodukten. Zu begrüßen ist außerdem, dass der Nutri-Score zukünftig Zucker strenger bewerten wird. Um Verbraucher:innen zu unterstützen, brauchen wir eine klare, transparente Kennzeichnung.
Ich freue mich sehr, dass bereits der Gesetzesentwurf zur Regulierung von Kindermarketing von unserem Ernährungsminister Cem Özdemir vorgelegt wurde. Dafür hat sich die SPD schon lange eingesetzt. Denn an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung preist sehr häufig hochverarbeitete Lebensmittel an, die zu viel Zucker, Fett oder Salz enthalten. Laut einer Studie der Universität Hamburg sieht jedes Kind zwischen drei und 13 Jahren pro Tag im Schnitt 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel. Die Werbung für Ungesundes regt zum Verzehr an und hat einen nachhaltigen Einfluss auf das Ernährungsverhalten der Kinder. Deshalb wollen wir mit der verbindlichen Regelung Kinder schützen und Eltern entlasten. Übrigens haben auch hier bisherige freiwillige Selbstverpflichtungen und Branchenregeln kaum geholfen, Kinder effektiv vor negativen Werbeeinflüssen zu schützen. Außerdem ist es aktuell so: Kinder essen etwa doppelt so viel Süßigkeiten, aber nur halb so viel Obst und Gemüse wie empfohlen. Das müssen wir ändern.
Für mich ist klar: Angesichts von Ernährungsarmut, einem Überangebot an ungesunden Lebensmitteln und dem Anstieg ernährungsbedingter Krankheiten brauchen wir dringend wirksame Maßnahmen. Die Herstellerabgabe für Zucker ist einer von vielen Bausteinen, der effektiv zur Prävention von Übergewicht und damit zur Förderung einer gesünderen Ernährungsweise beiträgt.
Wir besprechen uns aktuell dazu innerhalb der Ampelkoalition. Außerdem erwarte ich vom Ministerium eine zügige Befassung mit dieser Thematik. Ich wünsche mir, dass eine gesetzliche Regelung so schnell wie möglich kommt!
Mit freundlichen Grüßen
Peggy Schierenbeck