Frage an Monika Grütters von Gabriel Z. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Sehr geehrter Frau Grütters,
welche Maßnahmen würde Ihre Partei bzw. Sie selbst zur Qualitätssicherung der Schul-Weiterentwicklung nach der Wahl umsetzen?
Welche Maßnahmen sollen ergriffen werden, damit Fehlentwicklungen möglichst vermieden werden, und nicht einzelne Politiker oder Staatssekretäre irgend eine Veränderung des Schulsystems ohne Not initiieren, um sich zu profilieren?
Wie wollen Sie dafür sorgen, dass der Lehrer-Beruf wieder zu einem begehrten Beruf unter den *besten* Uni-Absolventen wird, und nicht zu einer Notlösung für diejenigen, denen es in der Wirtschaft zu stressig ist?
Fast alle Maßnahmen zur Veränderung der Schullandschaft (dem Volk als Verbesserung verkauft), waren in meinen Augen eine Rationalisierungsmaßnahme, und damit eine Verschlechterung. Bildung funktioniert nicht wie die Wirtschaft, und ist schon gar nicht ein Zulieferer an dieselbe.
Beispiele:
- G8: damit sinkt die Allgemeinbildung, einiges an Wissensvermittlung wird an die Uni ausgelagert, und Lehrer können eingespart werden
- Das erklärte Ziel, 40% eines Jahrganges soll zum Abitur geführt werden, sorgt nicht dafür, dass Abiturienten im Schnitt intelligenter oder besser gebildet sind; im Gegenteil, das Niveau am Gymnasium muss abgesenkt werden, eben damit das Ziel erreicht werden kann
- Die neue Gesamtschule (Hauptschule + Realschule) wird zu einer Art "Resterampe".
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr G. Zachmann.
Sehr geehrter Herr Zachmann,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich muss Sie gleich zu Beginn darauf hinweisen, dass die Kompetenz für das Schulsystem in Deutschland bei den Bundesländern liegt. Wie die Schule in Deutschland organisiert ist, wird nicht vom Deutschen Bundestag entschieden, sondern ausschließlich von den Bundesländern. In Berlin sind also der Berliner Senat dort die SPD Senatorin Scheeres, und das Berliner Abgeordnetenhaus für die Rahmenbedingungen und Schulstrukturen zuständig.
Als Erste Stellvertretende Landesvorsitzende der Berliner CDU habe ich aber an den Koalitionsverhandlungen zum Berliner Senat gerade bei den Bildungsthemen mitgewirkt. Dabei war uns wichtig, dass wir einen „Schulkonsens“ vereinbart haben, um eben diesen ständigen Schulveränderungen und - Verschlechterungen ein Ende zu machen. Seit 2003 hatte der rot-rote Senat in acht Jahren 23 Schulreformen durchgeführt, also knapp drei „Reformen“ im Jahr.
Wir haben mit der SPD vereinbart, diese Dauerreformierung der Schulen zu stoppen, damit Eltern, Lehrer und Kinder nicht ständig mit dem Umsetzen neuer Änderungen beschäftigt sind, sondern sich dem eigentlichen Zweck der Schule, dem Lernen, widmen können. Ich glaube, dass das auch der richtige Weg ist, sich die Situation an den Schulen sich in organisatorischer Hinsicht langsam etwas entspannt und wertvolle Ressourcen jetzt wieder stärker für Unterricht und den eigentlichen Schulalltag verwendet werden können.
Auf die Frage, wie wir die „besten“ AbsolventInnen für eine Lehrerausbildung gewinnen können, gibt es für mich keine eindeutige Antwort. Klar ist, dass der Lehrerberuf schon heute nicht schlecht bezahlt wird. Natürlich können Lehrer nicht mit Top-Gehältern mithalten, die bisweilen manche Spitzenkraft in der „freien Wirtschaft“ verdient. Aber gerade Absolventen eines sozialwissenschaftlichen Studiengangs verdienen auch in der „freien Wirtschaft“ häufig deutlich weniger als ein Lehrer.
Trotzdem hält die CDU Berlin die Wiedereinführung der Verbeamtung für einen guten Anreiz, zukünftig noch bessere Bewerber anzuziehen. Denn diese Arbeitsplatzsicherheit ist ein Argument, das die Wirtschaft nicht anbieten kann und somit ein Pfund, mit dem der Lehrerberuf wuchern könnte. Da fast alle anderen Bundesländer in Deutschland verbeamten, könnte Berlin beim Werben um die besten Lehrer zukünftig so auch noch bessere Chancen haben.
Weiterhin hat die Bundesregierung gemeinsam mit den Ländern dafür gesorgt, dass die Abschlüsse von Lehrerinnen und Lehrern nun deutschlandweit anerkannt werden müssen. Bisher war es so, dass etwa der Abschlusses eines Lehrers aus Berlin in Baden-Württemberg nicht selbstverständlich anerkannt wurde. Auf Vermittlung der Bundesregierung haben sich die Bundesländer nun geeinigt, diese Anerkennung automatisch zu vollziehen. Damit wird der Lehrerberuf attraktiver, weil Lehrerinnen und Lehrer mobiler sind. Verbunden mit dieser Einigung ist auch ein Programm für eine Lehrerexzellenz. 500 Millionen Euro werden vom Bund zur Verfügung gestellt, um die Lehrerausbildung zukünftig zu verbessern. Auch das ist ein guter Schritt, um den Beruf noch attraktiver zu machen.
Dass alle Reformen eine „Rationalisierungsmaßnahme“ gewesen wären, kann ich daher nicht nachvollziehen. Denn das würde zum einen bedeuten, dass die Ausgaben für die Bildung gesunken wären oder wenigstens zumindest das Niveau der Schulleistungen zurückgegangen wäre. Beides ist nicht der Fall. In Deutschland haben wir für das gesamte Bildungssystem zuletzt mehr als 110 Milliarden Euro ausgegeben. Das ist ein Rekord und Ergebnis einer kontinuierlichen Entwicklung, weil die Ausgaben für die Bildung in den letzten Jahren stetig angestiegen sind.
Hinzu kommt auch, dass die Leistungen deutscher Schülerinnen und Schüler in den vergangenen Jahren bei internationalen Vergleichstest besser geworden sind. Beim „berühmten“ PISA-Vergleich haben sich deutsche Schülerinnen und Schüler im Bereich Mathematik in den letzten zehn Jahren um 10 Punkte verbessert, im Bereich Leseverständnis um 16 Punkte und im Bereich Naturwissenschaften sogar um 18 Punkte.
Die steigende Zahl der Abiturienten ist deshalb für mich nicht ein klares Zeichen für sinkende Standards, sondern vielmehr ein Indiz dafür, dass die stärkeren Investitionen in Bildung sich auszahlen und mehr junge Menschen ihre Potenziale ausschöpfen als früher.
Richtig ist aber, dass nicht alle jungen Menschen das Abitur schaffen können oder studieren werden. Für sie gibt es in Deutschland die duale Berufsausbildung, die aufgrund ihres Erfolges inzwischen weltweit Nachahmer findet. Ich freue mich, dass die Zahl der Ausbildungsplätze in Deutschland mittlerweile in vielen Branchen so groß ist, dass kein Bewerber ohne Ausbildungsplatz bleibt.
Wir müssen aber weiter daran arbeiten, dass jeder junge Mensch mit dem Schulabgang ausbildungsfähig ist. Noch immer verlassen 8 Prozent der Schülerinnen und Schüler den Schulweg ohne Abschluss. Damit ist ihr Anteil im Vergleich zu früheren Jahren zwar um ein Drittel gesunken, trotzdem bleibt hier noch viel zu tun. Dass inzwischen Handwerkskammern Programme auflegen, um auch jungen Menschen ohne Abschluss einen Weg in Ausbildung und Berufstätigkeit zu ebnen, ist für mich ein ermutigendes Zeichen und ein Weg, den die Politik ausdrücklich stärker unterstützen sollte.
Mit freundlichen Grüßen,
Monika Grütters