Frage an Monika Grütters von Heike R. bezüglich Kultur
Sehr geehrte Faru Prof.Grütters,
ich habe 2 Fragen zum Thema Kultur.
1. In den TV Sendungen wird der Zuschauer mit s.g. Realityformaten überschwemmt, Bauer sucht Frau, Frauentausch, Brit am Mittag, etc. Ist es dem Gesetzgeber nicht möglich die Macher zu zwingen, im Vor- oder Abspann anzugeben, ob es sich um Fakes und Abläufe nach Drehbuch handelt, oder tatsächlich spontan und Reality ist?
2. In Australien ist es Gesetz, dass beim Verkauf von Konzert- und Veranstaltungskarten auf der Karte vermerkt ist, wenn "Künstler" nur playback anstelle life singt. Der Kunde hat einen Anspruch auf life, wenn er vollen Preis bezahlt. Kann dies in Deutschland nicht endlich auch umgesetzt werden? Ich hab keine Lust , z.b. Tokio Hotel auf der Bühne zu sehen und aus der Konserve zu hören, das ist Betrug.
Heike Rogall
Sehr geehrte Frau Rogall,
vielen Dank für Ihre Fragen. Ich denke, dass es sehr schwierig sein dürfte, eine gesetzliche Regelung zu den "Realityformaten" zu installieren. Es dürfte schwer nachvollziehbar sein, wann die jeweiligen Protagonisten aus eigenem Antrieb handeln und wann sie, zum Beispiel durch den Einfluss von Redakteuren, dazu gebracht werden, ein vermeintlich spektakuläres Verhalten zu zeigen.
Ich halte es daher für angebracht, allen Formaten, die sich selbst in irgendeiner Form als "Reality-Format" bezeichnen, skeptisch gegenüber zu treten und die dort gezeigte Wirklichkeit stets auf ihre tatsächliche Authentizität zu hinterfragen. Eine gute Alternative zu solchen Sendungen stellen die Dokumentationen der öffentlich-rechtlichen Sender dar. Auch hier werden oft ähnliche Inhalte dargestellt, dabei sind die Unterschiede zwischen beiden Formaten aber recht offensichtlich. In den Dokumentationen nehmen die Kameraleute in der Regel wirklich die Rolle eines Beobachters ein, der sich nicht direkt einmischt und zwischen den Protagonisten umher schwenkt. Ein zweites Indiz kann dann die Kommentierung des Bildes durch den Sprecher sein. Gerade bei Dokumentationen wird dieser in der Regel einen eher informierenden Charakter haben, in der nicht nur das gezeigte Verhalten kommentiert, sondern auch deren Ursachen und Hintergründe thematisiert werden. Währenddessen neigen Realityformate oft dazu, einzelne Personen sehr stark (ab)wertend ins Visier zu nehmen und sie dem Zuschauer im wahrsten Sinne des Wortes "vorzuführen".
Auch hinsichtlich ihrer zweiten Frage stimme ich Ihnen grundsätzlich zu. Ein Konzert besucht man eben wegen des Wunsches, eine Künstlerin oder einen Künstler wirklich "live" zu erleben. Ein Konzert mit Playback aus dem Hintergrund wirkt manchmal nur noch wie die Imitation eines Videoclips auf den Musiksendern. Allerdings halte ich den Gesetzgeber nicht für den richtigen Ansprechpartner. Ich denke, die Verbraucher haben gerade in der Musikbranche einen relativ großen Einfluss auf das Verhalten der Musikproduzenten und auch auf die Künstlerinnen und Künstler. Wenn die Fans ihren Unmut über (lustlose) Playbackdarbietungen auch offensiv gegenüber den Künstlerinnen und Künstlern, bzw. deren Management äußern, dann werden diese darauf auch reagieren. Gerade in der heutigen Zeit spielen die Konzerteinnahmen für die Musikbranche wieder eine sehr große Rolle, so dass die Marktmacht der Verbraucher sicher groß genug sein kann, um eine Selbstverpflichtung der Musikbranche zu "echter" Livemusik zu erreichen.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Grütters