Frage an Monika Grütters von David H. bezüglich Verkehr
Sehr geehrte Frau Prof. Grütters,
wie stehen Sie, angesichts des fast vollständigen Ausfalls der S-Bahn in Berlin nach andauernden Mängeln in der Wartung der Züge, während gleichzeitig Millionenbeträge an die Bahnzentrale abgeführt wurden, zur weiteren Bahnprivatisierung und der Überführung in ein rein privatwirtschaftlich und rein gewinnorientiert arbeitendes Unternehmen?
Was sollte der Bund als aktueller Besitzer der Deutschen Bahn AG tun, um in der Zukunft ein solches Chaos im Berliner Nahverkehr auszuschließen?
Mit freundlichen Grüßen,
David Herrmann
Sehr geehrter Herr Herrmann,
vielen Dank für Ihre Frage. Die aktuelle Situation bei der S-Bahn ist schockierend. Wenn sich die letzten Erkenntnisse erhärten sollten, haben Führungskräfte der S-Bahn in den vergangenen 5 Jahren die Sicherheit der Fahrgäste der S-Bahn wissentlich aufs Spiel gesetzt. Dass die Staatsanwaltschaft hierzu Ermittlungen prüft, halte ich für richtig. Darüber hinaus ist der Imageschaden für die S-Bahn und den öffentlichen Nahverkehr insgesamt verheerend. Gerade bei Transportunternehmen ist die Sicherheit der Fahrgäste das höchste Gut, das unter keinen Umständen vernachlässigt werden darf.
Nach den Problemen an den Rädern ist nun mit den Bremszylindern ein ebenso sensibler, wie wichtiger Teil der Technik betroffen. Allerdings scheinen die Versäumnisse nun eindeutig in unzulässig verlängerten Wartungszeiten zu liegen, was den Vorfall noch gravierender erscheinen lässt. Zwar hat die S-Bahn durch die Ausfälle große finanzielle Verluste zu tragen, aber aus meiner Sicht hat der Senat bei der Aushandlung des Vertrages die Möglichkeit eines solchen Ausfalls des Leistungsangebotes bei der Festlegung von Vertragsstrafen nicht ausreichend berücksichtigt. Die Wut hierüber kann ich sehr gut nachvollziehen.
Die Lehre, die für die Privatisierung der Deutschen Bahn aus den Vorfällen um die S-Bahn gezogen werden kann, ist aus meiner Sicht eindeutig: Es muss von Seiten der Politik ganz klar gemacht werden, dass die zur Verfügung gestellten Mittel für Wartung und Instandsetzung nicht zur Verbesserung der Bilanz nutzbar sind. Dies war auch schon bisher der Standpunkt der Politik, aber angesichts der Vorkommnisse bei der S-Bahn gilt es nun vielleicht zu überlegen, inwiefern dieser Maxime noch stärker Geltung verschafft werden kann. Auch über die Ausweitung der Kontrollmechanismen des Bundes als Eigentümer der Deutschen Bahn muss an dieser Stelle sicher nachgedacht werden.
Abschließend ist noch festzuhalten, dass entgegen der Aussage in Ihrer Fragestellung die Überführung der Deutschen Bahn in ein „rein privatwirtschaftlich“ organisiertes Unternehmen nicht zur Debatte steht. Das angedachte Modell sieht lediglich eine Minderheitenbeteiligung vor und sichert damit dem Bund seinen Einfluss auf die Unternehmenspolitik nach Maßgabe der verfassungs- und gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen. Diesen Einfluss gilt es dann entschlossener zu Nutzen als dies bisher der Fall war.
Hinzu kommt, dass die ersten Schritte auf dem Weg zu einer Privatisierung ja bereits erfolgt sind. 1994 wurde die Organisationsprivatisierung der Deutschen Bahn AG vorgenommen. Seitdem kann der Vorstand losgelöst von politischen Vorgaben im Rahmen seiner unternehmerischen Verantwortung agieren. Dies war ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung, denn die seitdem vorgenommenen organisatorischen Veränderungen, technischen Innovationen, vor allem aber die konsequent vorangetriebene unternehmerische Ausrichtung der Bahn haben dazu geführt, dass der Bundeshaushalt und damit letztendlich der Steuerzahler deutlich entlastet wurden. Auch sind Qualität und Service bei der Deutschen Bahn AG gegenüber der früheren Behördenbahn deutlich besser geworden, ohne dass das Primat der sicheren Beförderung der Fahrgäste aufgegeben wurde. Diese erfolgreiche Kombination von Kundenorientierung und Sicherheit wird im Moment von den Auswirkungen des unverantwortlichen Handelns bei der S-Bahn überschattet. Die Probleme bei der S-Bahn sind ein Warnschuss, der deutlich macht, dass die Politik bei der Privatisierung zukünftig noch genauer darauf achten muss, dass die Sicherheit nicht zu Lasten des Profitstrebens vernachlässigt wird. Denn auch eine teilprivatisierte Deutsche Bahn kann nur dann eine erfolgreiche Bahn sein, wenn sie sicher ist.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Grütters