Frage an Matthias W. Birkwald von Moritz W. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Hallo Herr Birkwald,
Ich stelle diese Frage allen Kandidaten in meinem Wahlkreis.
mir und ich glaube vielen anderen Kölnern auch fehlen ein wenig die Visionen in der Politik im Allgemeinen und in der Kölner Stadtplanung ganz besonders.
Ein Teil meiner Vision für Köln wäre ein flächedeckendes Parkverbot für Autos in Privatbesitz. Das wäre gerade für eine Stadt mit mittelalterlich engem Platzangebot ein großes Plus an Lebensqualität. Die zur Zeit aus dem Boden schiessenden Car- und Bikesharing Angebote sind ein Schritt in die richtige Richtung.
Ich hätte gerne ein Köln in dem es auf jeder Straße maximal einige wenige Parkplätze für Sharing gibt, in dem der öffentlich Nahverkehr solidarisch steuerfinanziert und damit kostenlos ist.
Teilen Sie meine Vision ? Und was können Sie und Ihre Partei dafür tun ?
Sehr geehrter Herr Winterberg,
Ihre Vision eines ausschließlich steuerfinanzierten öffentlichen Nahverkehrs teile ich ausdrücklich, und meine Partei Die LINKE hat sie auch als Zielperspektive in ihr Wahlprogramm aufgenommen: „Perspektivisch wollen wir einen fahrscheinlosen öffentlichen Nahverkehr. Erfahrungen haben gezeigt, dass er von mehr Menschen genutzt wird, wenn er entgeltfrei und steuerfinanziert ist.“ Die flächendeckende Einführung von Sozialtarifen, wie wir sie in Köln mit dem Köln-Pass im Ansatz bereits haben, ist aus meiner Sicht ein wichtiger und oft unterschätzter Zwischenschritt in diese Richtung.
Grundsätzlich trete ich mit meiner Partei für eine „intelligente Vernetzung der Mobilität zu Fuß, per Rad, mit Bahn und Bus sowie mit Leihautos/Car-Sharing“ ein, die „eine gute Voraussetzung für neue sozial-ökologische Lebensweisen ist“. Diese brauchen wir zur Verminderung der klimaschädlichen Wirkungen des motorisierten Individualverkehrs ebenso dringend wie zur Verbesserung der Lebens-und Aufenthaltsqualität besonders in den Innenstädten.
An diesem Ziel gemessen kann ich mich allerdings mit ihrem kommunalpolitischen Vorschlag eines Parkverbotes für private PKW in der Stadt auch dann nicht anfreunden, wenn Sie damit, wie die Formulierung von der mittelalterlichen Enge andeutet, nur die Innenstadt innerhalb der Ringe und nicht das ganze Stadtgebiet meinen sollten.
Zum einen, weil ich grundsätzlich davon überzeugt bin, dass sich demokratische Mehrheiten für einen dringend nötigen sozial-ökologischen Umbau nicht mit spektakulären Verbotsforderungen gewinnen lassen. Solche als Bevormundung und Einschränkung der Lebensqualität erfahrenen Verbote lösen zusätzliche Widerstände aus, die wie etwa die Debatte um den Vorschlag der Grünen für einen verpflichtenden ‚Veggie-Day‘ gezeigt hat, auch von den Lobbygruppen instrumentalisiert werden können, die notwendige sozial-ökologische Veränderungen insgesamt blockieren wollen.
Demokratische Mehrheiten für diese Veränderungen lassen sich nur dadurch gewinnen, dass die Menschen unabhängig von der Höhe ihres Einkommens die Vorteile einer solchen Politik auch tatsächlich selbst alltäglich erleben und erfahren können.
Konkret für Köln brauchen wir deshalb eine Verkehrspolitik, die - wie es das Kommunalwahlprogramm der LINKEN bereits 2009 gefordert hat - das Auto von seiner Vormachtstellung zurückdrängt. Dazu gehört auch aus der Sicht meiner Partei Die LINKE die Förderung des Car-Sharing als einer wichtige Aufgabe, die allerdings im Zusammenhang mit einer funktionierenden Vernetzung der Mobilitätsträger gesehen werden muss.
Dazu fehlen - auch wegen der verfehlten Verkehrspolitik des Bundes - nicht nur in Köln finanzielle Mittel, um wichtige Voraussetzungen zu schaffen wie etwa eine auch abends und nachts deutlich verbesserte Taktung im ÖPNV, erst recht in den Außenbezirken, die noch nicht an das Straßenbahnnetz angeschlossen sind, ausreichende Übergangsmöglichkeiten zwischen den Verkehrsträgern, ein sicheres und geschlossenes Radwegenetz und vieles andere mehr.
Auf der Bundesebene sehe ich eine der wesentlichen Aufgaben darin, die von der großen Koalition im Ergebnis der sogenannten Koch-Steinbrück-Kommission zum Subventionsabbau beschlossene und von schwarz-gelb fortgeschriebene Absenkung der Bundesförderung für den ÖPNV zu korrigieren. Diese Fördermittel des Bundes müssen dauerhaft gesichert und deutlich erhöht werden.
Bevor ich abschließend kurz auf die Gründe meiner Ablehnung Ihres kommunalpolitischen Vorschlages eingehe, möchte ich Sie herzlich einladen, sich an der öffentlichen Diskussion der Kölner LINKEN zum Programm für die Kommunalwahl im folgenden Jahr zu beteiligen.
Ihrem Vorschlag für ein generelles Parkverbot für private PKW in der Stadt, den Sie als Förderung des Car-Sharing begreifen, kann ich mich aus folgenden Gründen nicht anschließen:
1.) Ohne Anwohnerregelung würde diese Regelung praktisch bedeuten, dass die Möglichkeit zum Besitz eines privaten PKW in der Stadt auf diejenigen Menschen beschränkt werden würde, die sich einen privaten Stellplatz leisten können. Das würde - erst recht vor dem Hintergrund der erzwungenen Mobilität auf dem Arbeitsmarkt - die soziale Spaltung noch vertiefen.
2.) Als Förderung für Car-Sharing-Modelle wäre Ihr Vorschlag angesichts einer zu erwartenden Verlagerung des innerstädtischen Autoverkehrs eher eine logistische Überforderung als eine wirkliche Förderung, weil in entsprechendem Umfang an den Stadtgrenzen Umsteigemöglichkeiten auch für Menschen geschaffen werden müssten, die mit einem privaten PKW aus dem Umland anreisen, weil es von dort zum Teil nur unzureichende ÖPNV-Anbindungen gibt. Angesichts der derzeitigen Belastung der P+R-Parkplätze für den Umstieg zum ÖPNV kann ich mir nicht vorstellen, wo hier die zusätzlichen benötigten Stellplätze für Car-Sharing-Fahrzeuge ohne weitere Flächenversiegelung geschaffen werden könnten; von den Stellflächen für die privaten PKW einmal abgesehen.
3.) Hätte Ihr Vorschlag im wesentlichen eine Verlagerung des Autoverkehrs von privaten PKW auf Car-Sharing-Fahrzeuge zur Folge. Die notwendige Stärkung der alternativen Verkehrsträger ÖPNV und Fahrrad aber eben nicht.
Anfreunden kann ich mich hingegen mit dem Gedanken, den LKW- und Lieferverkehr in die Stadt in Ihrem Sinne zu begrenzen und überflüssige leere und halbleere Fahrten in die Stadt durch verpflichtende Umladestationen in einen idealerweise öffentlich betriebenen Lieferverkehr zu vermeiden, wie es auch die Unternehmensberatung McKinsey in ihrer Zukunftsstudie NRW 2020 vorschlägt.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Matthias W. Birkwald