Warum wird Cannabismissbrauch von den Führerscheinstellen definiert?
Sehr geehrter Herr Stein,Vielen Dank für Ihr Engagement und die Darstellung der Fakten zum Thema Cannabis. Ihre Worte haben mich in den letzten Monaten beruhigt und mir Hoffnung für die Zukunft gegeben. Leider änderte sich dies, als ich das neue Gesetz in Anspruch nehmen wollte. Nachdem ich in Hamburg einen Antrag auf Neuerteilung gestellt hatte, wurde ich zu einer MPU aufgefordert, da ich 6ng THC hatte.Meine Frage an Frau Wegge: https://www.abgeordnetenwatch.de/profile/carmen-wegge/fragen-antworten/warum-liegt-es-im-ermessen-der-fuehrerscheinbehoerden-cannabismissbrauch-zu-definieren Diese Ungerechtigkeit muss ein Ende haben. Nicht jeder hat die finanziellen Mittel, um gegen eine Führerscheinstelle zu klagen, die das neue Gesetz nicht anerkennt. Niemand sollte berauscht Auto fahren, aber es kann nicht sein, dass ein Beamter Cannabismissbrauch schon bei 3,5ng definiert. Wird es eine staatliche Definition von Cannabismissbrauch geben, damit in ganz Deutschland das gleiche Gesetz gilt?
Sehr geehrter Herr S.,
haben Sie vielen Dank für Ihre wohlwollende Begleitung meiner politischen Arbeit und Ihre freundlichen Worte. Auch ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, einen praxisgerechten THC-Grenzwert ins Straßenverkehrsgesetz aufzunehmen. Mein Ziel war es immer, dass künftig nur noch die Cannabiskonsumierenden ihren Führerschein abgeben müssen, von denen tatsächlich eine Gefahr für den Straßenverkehr ausgeht. Dafür haben wir die Fahrerlaubnisverordnung angepasst. Cannabiskonsumierende verlieren künftig nur noch im Falle von Abhängigkeit oder Missbrauch ihren Führerschein.
Cannabismissbrauch wird (genauso wie Alkoholmissbrauch) angenommen, wenn der Konsum und das Fahren von Kraftfahrzeugen nicht ausreichend sicher getrennt werden können. Dies ist immer der Fall, wenn mehr als einmal gegen den gültigen Grenzwert verstoßen wurde. Aber auch ein einzelner, besonders gravierender Verstoß kann Zweifel an der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen auslösen. In diesem Falle muss die Fahrerlaubnisbehörde eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung (MPU) anordnen. Dadurch sollen andere Verkehrsteilnehmenden geschützt und erneute Rauschfahrten verhindert werden. Ich halte es für richtig, den Fahrerlaubnisbehörden hier einen gewissen Ermessensspielraum einzuräumen.
Dieser Ermessensspielraum darf jedoch nicht zu Willkür führen. Egal in welcher Stadt oder welchem Landkreis der Betreffende wohnt – die Behörden müssen die gleichen Maßstäbe anlegen. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) gibt den Behörden und Begutachtungsstellen daher Begutachtungsleitlinien an die Hand (https://www.bast.de/DE/Verkehrssicherheit/Fachthemen/U1-BLL/BLL_node.html). Dort werden die in der Fahrerlaubnisverordnung genannten Erkrankungen und Verhaltensweisen genauer definiert. So gibt es dort zum Beispiel eine sehr detaillierte Beschreibung, ab wann von einem „Alkoholmissbrauch“ ausgegangen wird. Diese beruht auf verkehrsmedizinischen Erkenntnissen.
Für den Begriff des „Cannabismissbrauchs“ gibt es derzeit noch keine vergleichbar eindeutige Definition. Die BASt arbeitet gerade daran, die Begutachtungsleitlinien entsprechend zu ergänzen. Dabei wird sowohl die geänderte Rechtslage als auch der neueste Forschungsstand Berücksichtigung finden. Ich gehe zudem davon aus, dass die Vorgaben zur Anwendung des Ermessensspielraums durch Gerichtsbeschlüsse, die immer auch den aktuellen Forschungsstand berücksichtigen müssen, in nächster Zeit weiter konkretisiert werden, so wie dies bei vielen gesetzlichen Vorgaben der Fall ist. Einen unmittelbaren Handlungsbedarf als Gesetzgeber sehe ich daher aktuell nicht, kann aber gut nachvollziehen, dass die jetzige Zeit des Übergangs bei Betroffenen auf großes Missfallen stößt.
Mit freundlichen Grüßen
Mathias Stein