Würden Sie sich dafür einsetzen, dass die sächsische Landesregierung eine Bundesratsinitiative zur Prüfung eines AfD-Verbots unterstützt?
Sehr geehrter Herr Modschiedler, 2017 scheiterte ein Verbotsverfahren gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht, da die Partei zwar verfassungsfeindlich, aber keine Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung sei. Das sehe ich angesichts aktueller Umfragewerte bei der AfD anders, die "in ihrer Gefährlichkeit" mittlerweile einen Grad erreicht habe, dass sie laut dem Deutschem Institut für Menschenrechte verboten werden könnte. Würden Sie sich bei der sächsischen Landesregierung für eine entsprechende Bundesratsinitiative einsetzen? Diesbezüglich hat der gemeinnützige Anti-Fake-News-Blog "Volksverpetzer" eine Petition an den Bundesrat gerichtet, die unter folgendem Link aufgerufen werden kann: https://innn.it/afdverbot
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Frage. Das ist ein komplexes Thema. Hier gibt es aus meiner Sicht kein einfaches „Ja“ oder „Nein“.
Ganz im Sinne der wehrhaften Demokratie sieht unser Grundgesetz auch das Instrument eines Parteiverbotsverfahrens vor. Die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit von Parteien trifft das Bundesverfassungsgericht und hier gelten hohe verfassungsrechtliche Hürden. Das hat auch gute Gründe. Denn nicht nur die Parteien selbst, sondern vor allem auch das Recht auf freie Meinungsäußerung stehen unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes.
Ein Verbotsverfahren sehe ich insgesamt eher kritisch. Ich möchte Ihnen das anhand einiger Punkte auch kurz erläutern:
1. Ganz unabhängig vom Ausgang eines möglichen Verbotsverfahrens hätte die selbsternannte Alternative für die Dauer des Verfahrens ausreichend Gelegenheit, sich in der Opfer-Rolle zu profilieren und die demokratischen Institutionen und ihrer Vertreter weiter zu diskreditieren.
2. Ein etwaiges Verbotsverfahren löst auch nicht die Frage, wie wir als Gesellschaft mit einer wachsenden Politik- bzw. Demokratieverdrossenheit sowie rechtspopulistischen und rechtsextremistischen Einstellungen umgehen.
3. Auch das im Rahmen des NPD-Verbotsverfahrens vorgebrachte Argument, die Akteure und Aktivitäten könnten sich in den „Untergrund“ verlagern und damit zu einer noch größeren Gefahr für die Demokratie werden, ist in diesem Zusammenhang zumindest nicht außer Acht zu lassen.
Um es an der Stelle aber klar zu sagen: Die wachsenden Zustimmungswerte für die selbsternannte Alternative sehe ich mit großer Sorge. Die Partei hat sich seit ihrer Gründung 2013 zunehmend radikalisiert und dieser Kurs wurde auch ganz bewusst gesteuert.
Die selbsternannte Alternative mag demokratisch gewählt sein, aber ich persönlich habe große Zweifel daran, ob insbesondere die tonangebenden Funktionäre auf dem Boden unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen.
Die große Herausforderung im Umgang mit der selbsternannten Alternative sehe ich deshalb darin, die führenden Köpfe der Partei und ihre Ideologie zu entlarven. Es geht darum, die Partei im demokratischen Wettbewerb, in den Debatten in auf der kommunalen Ebene, in den Landtagen und im Bundestag zu stellen.
Gleichzeitig muss es uns gelingen, mit all jenen im Gespräch zu bleiben, die sich dieser Partei weniger aus ideologischer Überzeugung, sondern aus Verunsicherung und Enttäuschung zugewandt haben. Dass das ein schwierige und anstrengende Aufgabe ist, die einen langen Atem und mitunter auch ein dickes Fell erfordert, erlebe ich in meiner täglichen Wahlkreisarbeit.
Aber unsere Demokratie ist wie keine andere Staatsform auf die Mitwirkung ihrer Bürger angewiesen. Daraus speist sich ihre Legitimität und Handlungsfähigkeit. Es gibt dazu einen treffenden Ausspruch. Er lautet sinngemäß: „Wer in der Demokratie einschläft, wacht in der Diktatur auf.“ Ich bin deshalb sehr dafür, dass wir die selbsternannte Alternative weiter genau beobachten und abhängig von deren Entwicklung die zur Verfügung stehenden rechtlichen und verfassungsrechtlichen Instrumente (neu) bewerten.
Egal ob beim Familientreffen, im Hausflur, im Verein oder in der Mittagspause am Arbeitsplatz: Wir müssen gemeinsam deutlich machen, dass wir für ein demokratisches Miteinander, Rechtsstaatlichkeit und eine pluralistische Gesellschaft stehen. Dazu gehört auch, dass „Fake News“ und rechtspopulistische oder rechtsextreme Meinungen nicht unwidersprochen stehen bleiben dürfen.
Hier sind wir alle gemeinsam gefragt.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Martin Modschiedler