Frage an Markus Grübel von Hans-Georg D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Grübel, was sich in der Großen Koalition seit Monaten abspielt, zeigt, dass dieses Wahlergebnis eines der schlechtesten ist. CDU und SPD haben die Mehrheit, sind aber nicht in der Lage Problemfelder, die seit Jahrzehnten von keiner Regierung gelöst wurden auch nur ansatzweise in Angriff zu nehmen. Zunächst war noch Aktivismus zu spüren. Seit Monaten nur noch Stillstand. Frau Merkel verliert immer mehr an Glaubwürdigkeit; sie verkauft sich international gut aber hält Vereinbarungen wie zum Klimaschutz, Erhöhung von Wirtschaftshilfe für Afrika, weitere dringende Reformen auf den wichtigsten Feldern, wie Gesundheit, Energie usw. nicht ein. Wie stellen Sie sich dazu und was unternehmen Sie persönlich, um die CDU wieder wahlfähig zu machen. In Schleswig-Holstein gab es die erste Quittung. 2009 wollen Sie und die CDU wieder gewählt werden. Zur Zeit verteilt Berlin nur Frust, Streit, Unfähigkeit, statt die jetzt noch gute wirtschaftliche Lage für wirklich wichtige Reformen zu nutzen. Die Wahl 2009 wird ganz andere Machtverhältnisse bringen, denn dann werden 5 Parteien alles aufmischen und die bisher sogenannten Volksparteien werden noch weniger diesen Anspruch haben. Im Bundesrat ist es nur eine Frage von Zeit, wenn durch die neuen Bundesländer Ministerpräsidenten von den Linken mitmischen. Die Stimmung in den neuen Bundesländern zeigt gefährlich, das CDU und SPD stark verlieren werden. Also die Frage: was machen Sie persönlich um die Politik zukunftssicher zu machen, die ich, da ich Sie gewählt habe, für richtig halte und selbst Mandatsträger für die CDU war. Eine gefährliche Mehrheit wählt nicht mehr. Zu denen will ich nicht gehören. Aber überzeugen tut mich keine Partei mehr. Viele Grüße aus dem Süden. Hans-Georg Drosihn
Sehr geehrter Herr Drosihn,
vielen Dank für Ihre Email vom 27. Mai 2008. Ob das Wahlergebnis von 2005 das schlechteste aller Zeiten ist, darüber müssen einmal Historiker befinden. Wir als Union mussten dieses Ergebnis akzeptieren und damit auch den Weg in die Große Koalition. Daher ist auch klar, dass wir unsere Vorstellungen kaum 1:1 umsetzen können, zumal es sich bei CDU und SPD um zwei völlig unterschiedliche Parteien handelt. In vielen Punkten trennen uns große Entfernungen und manchmal lässt sich dann auch nur ein Kompromiss erreichen oder gar keine Lösung eines Problems. Trotz unterschiedlicher parteipolitischer Positionen haben wir in den zurückliegenden 3 Jahren eine Vielzahl von wegweisenden Entscheidungen getroffen und einiges auf den Weg gebracht. Sei es die Rentenreform, die Gesundheits- und Pflegereform, das Elterngeld, den Ausbau der Kinderbetreuung, die Senkung der Lohnnebenkosten und vor allem die Absenkung der Arbeitslosigkeit von 5 Mio. im Jahr 2005 auf nun aktuell 3,28 Mio. Ich finde dies ist eine respektable Leistung, die der wirtschaftlichen Entwicklung Auftrieb gibt und die Sozialsysteme entlastet. Auch die erfolgreiche Haushaltskonsolidierung trägt die Handschrift der Union. Zum ersten Mal seit fünf Jahren haben wir 2007 wieder einen verfassungsgemäßen Haushalt vorgelegt. Wir haben die Neuverschuldung auf das niedrigste Niveau seit der Wiedervereinigung gesenkt. Wir müssen nun Kurs halten und diese erfolgreiche Politik fortsetzen, damit wir 2011 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen können. Klar ist auch: Sobald wie möglich müssen wir die Bürgerinnen und Bürger entlasten. Das darf jedoch nicht zu Lasten der Haushaltskonsolidierung gehen. Schon heute betragen die jährlichen Zinszahlungen des Bundes rund 40 Mrd. Euro. Geld, das für zukunftsweisende Investitionen und Steuersenkungen fehlt. Wir dürfen unsere finanziellen Spielräume nicht weiter einengen und unseren Kindern nicht noch höhere Belastungen auferlegen. Entlastungen, die kommende Generationen belasten, sind deshalb der falsche Weg.
Die Ereignisse der vergangenen Woche zeigen: Die SPD lässt sich immer stärker von der Linkspartei treiben, getroffene Absprachen und Zusagen gelten offensichtlich nicht mehr. Auch das Verhalten bei der Wiederwahl des Bundespräsidenten zeigt die Führungsschwäche innerhalb der SPD. Statt als Regierungspartei gemeinsam mit uns den beliebten und erfolgreichen Bundespräsidenten Horst Köhler wiederzuwählen, haben sich die Sozialdemokraten nach langem Hin und Her entschlossen, eine eigene Kandidatin zu nominieren. Diese hat bereits angekündigt, dass sie auf eine Unterstützung der Linkspartei setzt. Die SPD bereitet damit nicht nur ein rot-rotes Bündnis im Bund vor und setzt sich in Widerspruch zu früheren Äußerungen ihrer führenden Repräsentanten. Aus reiner Parteipolitik und Machttaktik stellt sich die SPD auch gegen die große Mehrheit der Bevölkerung, der sie den beliebten und geachteten Bundespräsidenten nehmen will. Nach einer aktuellen Umfrage begrüßen rund drei Viertel der Deutschen eine Wiederwahl des Bundespräsidenten, 85 Prozent sind zufrieden mit seiner Arbeit.
Diese Ereignisse sind eine große Belastung der Koalition. Sie lieber Herr Drosihn und die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land erwarten jedoch mit Recht, dass wir sie in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen und nicht uns. Auch wenn die Umstände deutlich schwieriger geworden sind, wollen wir unser Land anständig regieren und die begonnenen Projekte zu Ende führen.
Der in der vergangenen Woche von Arbeitsminister Scholz vorgelegte 3. Armuts- und Reichtumsbericht ist mit der Beschränkung des Untersuchungszeitraums bis zum Jahre 2005 die Schlussbilanz der rot-grünen Bundesregierung. Er ist nicht der Beleg für eine wachsende Armut in Deutschland, sondern für die schädlichen Konsequenzen einer beschäftigungsfeindlichen Politik unter Rot-Grün. In deutlichem Gegensatz dazu steht die Entwicklung ab 2005. Seit der Regierungsübernahme durch die Union und unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel wurden bis heute knapp eine Million sozialversicherungspflichtige Stellen geschaffen. Damit zeigt sich einmal mehr: Die beste Gewähr gegen Armut ist die Aussicht auf Beschäftigung, und deshalb weist auch die Forderung von Arbeitsminister Scholz nach staatlichen Mindestlöhnen in die falsche Richtung. Mindestlöhne vernichten Arbeitsplätze, wie sämtliche Untersuchungen zeigen. Das macht auch ein Blick auf die europäischen Nachbarländer deutlich: In den meisten Ländern, die einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn haben, liegt das Armutsrisiko über dem in Deutschland (z. B. in Großbritannien bei 30 Prozent vor Sozialtransfers). Zudem zeigen die jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, dass die Zahl der „Aufstocker“ zurückgeht, das Problem also infolge des Wirtschaftsaufschwungs an Dringlichkeit verliert.
Wichtig ist stattdessen, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die den Übergang in reguläre Beschäftigung erschweren. Das heißt in erster Linie eine Änderung der Hinzuverdienstmöglichkeiten bei Mini-Jobs, wie von uns seit langem gefordert.
Bildung ist der Schlüssel für Beschäftigung und Existenz sichernde Löhne. Statt den bisherigen Status durch höhere Transferzahlungen weiter zu zementieren, sollten durch verbesserte Bildungsangebote die Chancen für individuellen Aufstieg verbessert werden. Mit der Nationalen Qualifizierungsinitiative, dem verbesserten Sprachkursangebot für Migranten und dem Hochschulpakt ist die unionsgeführte Bundesregierung dabei auf gutem Weg.
Zudem zeigt der Bericht sehr deutlich: Der deutsche Sozialstaat erfüllt seine Aufgaben. Er reduziert die Zahl der armutsgefährdeten Personen um die Hälfte, die Wohnungsnot ist erfolgreich bekämpft worden. Die Grundsicherung sichert das Existenzminimum, niemand muss in Deutschland hungern, auf gute gesundheitliche Versorgung oder auf Schulbildung verzichten.
Auch im internationalen Vergleich kann sich Deutschland sehen lassen: Vor Sozialtransfers hatten nur Tschechien, die Niederlande, Luxemburg, Belgien und Ungarn eine geringere Quote der vom Armutsrisiko betroffenen Bevölkerung (in Deutschland 26 Prozent), dagegen lag die Quote in den meisten anderen Ländern, darunter Dänemark (28 Prozent), Schweden (29 Prozent) oder Irland (33 Prozent) deutlich darüber; Schnitt innerhalb der EU: 26 Prozent. Nach Sozialtransfers lag die Quote in Deutschland bei nur noch 13 Prozent, nur die Niederlande und Tschechien weisen mit 10 Prozent deutlich niedrigere Werte auf, während der EU-Schnitt bei 16 Prozent liegt.
Der Wirtschaftsaufschwung hat auch die Zahl der Lehrstellen deutlich erhöht. In der Zeit vom Oktober 2007 und April 2008 wurden der Bundesagentur für Arbeit über 380.000 Lehrstellen gemeldet. Das entspricht einer Steigerung von 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dieser positive Trend scheint sich fortzusetzen: Im laufenden Jahr wurden bereits 109.130 neue Lehrstellen registriert.
Der deutsche Export ist auch im ersten Quartal 2008 deutlich gestiegen. In Dollar gerechnet betrug der Zuwachs 21 Prozent. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum Waren im Wert von 379 Mrd. Dollar aus Deutschland ausgeführt. Die Exporte der USA summierten sich auf 320 Mrd. Dollar, die Chinas auf 306 Mrd. Euro. Damit wird Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach auch in diesem Jahr „Exportweltmeister“ bleiben.
Der Wirtschaftsaufschwung und der damit einhergehende Rückgang der Arbeitslosigkeit hat vor allem jungen Bewerbern genutzt: Seit April 2005 hat sich die Zahl der Arbeitslosen unter 25 Jahren um 297.000 verringert. Das entspricht beinahe einem Rückgang von 50 Prozent. In den übrigen Altersgruppen fiel der Rückgang deutlich geringer aus: In der Gruppe der 25- bis 55-Jährigen sank die Arbeitslosigkeit um knapp 31 Prozent (1,2 Mio.), bei den älteren Arbeitslosen über 55 ging sie um 27,5 Prozent (164.000) zurück. Grund für den starken Rückgang sei vor allem die Deregulierung der Zeitarbeit sowie die abgeschwächte steuerliche Begünstigung der Minijobs.
Insgesamt halte ich die Entwicklung in Deutschland für gut. Auf vielen Feldern entwickeln wir uns besser, als zu Zeiten der Schröder-Regierung. Unsere Bundeskanzlerin erfreut sich zu recht größter Popularität im In- und Ausland und wird auch in den nächsten 15 Monaten hart arbeiten, um Deutschland voranzubringen.
Zu Ihrer Frage was ich persönlich leisten kann, um Deutschland zukunftssicher zu machen:
Ich bin Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dort zu-ständig für die Senioren, also die ältere Generation und Fragen des demographischen Wandels und der Pflege. Des weiteren bin ich zuständig für den Zivildienst und die Jugendfreiwilligendienste sowie ethische Themen, wie Palliativmedizin und Patientenverfügungen. Daneben beschäftige ich mich noch mit Fragen des bürgerschaftlichen Engagements und der Förderung des Ehrenamtes. Wie Sie sehen, sind das durchaus Themen, die sich mit der zukünftigen Entwicklung beschäftigen und vor allem mit der Frage der Generationengerechtigkeit. Wir haben eine unveränderliche demographischen Entwicklung: es wird immer mehr alte Menschen geben und Hochbetagte und immer weniger Junge mit ganz immensen Folgen für die Sozialsysteme. Als Familienpolitiker arbeite ich hier an einer Schnittstelle. Einerseits wird es unsere Aufgabe sein, die Familien zu fördern, sei es über steuerliche Anreize bzw. das Kindergeld oder Elterngeld. Zudem müssen wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, um eine höhere Geburtenrate zu erreichen. Entscheidend wird hier auch der Ausbau der Kinderbetreuung sein. Hierzu haben wir in dieser Legislaturperiode die Weichen gestellt. Andererseits dürfen wir die ältere Generation nicht über Gebühr belasten, sondern auch im Rahmen des Möglichen am Aufschwung teilhaben lassen. Eine zentrale Aufgabe der Familienpolitik wird es zukünftig sein, ein gedeihliches Miteinander der Generationen zu gewährleisten. Hierzu möchte ich auch zukünftig meinen Beitrag leisten.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Markus Grübel MdB
Abgeordneter des Wahlkreises Esslingen