Frage an Markus Grübel von Frank H. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Grübel!
Ich bin nichtehelicher Vater einer zweijährigen Tochter. Die Mutter stimmte der gemeinsamen Sorge nicht zu. Da ich mein Kind liebe, möchte ich selbstverständlich die Sorge gemeinsam mit der Mutter ausüben.
Leider sind wir im Jugendamt völlig unzureichend über die Abgabe einer Sorgeerklärung informiert worden. Die Broschüre der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendhilfe "Informationen für Eltern, die nicht miteinander verheiratet sind" war der Sachbearbeiterin völlig unbekannt.
Sie wissen, dass ich ohne Zustimmung der Mutter keinen Rechtsanspruch auf gemeinsame Sorge habe. Ohne gemeinsames Sorgerecht jedoch fehlt die Umsorgung durch einen Elternteil. Dies bedeutet eine inakzeptable Einschränkung des Kindeswohles. Das ist eine Ungleichbehandlung nichtehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern: Eheliche Kinder sind der elterlichen Sorge ihrer Väter anheimgestellt, uneheliche Kinder grundsätzlich nicht.
Herr Grübel, sind Sie für einen Rechtsanspruch nichtehelicher Väter auf gemeinsame Sorge bzw. für die gemeinsame Sorge ab Geburt/Vaterschaftsanerkennung?
Oder sehen Sie in dieser Angelegenheit keinen Handlungsbedarf?
Mit freundlichen Grüßen
Frank Holzer
Sehr geehrter Herr Holzer,
Sie fragen mich nach meiner Einschätzung zum Rechtsanspruch nichtehelicher Väter auf gemeinsame Sorge ab Geburt beziehungsweise Vaterschaftsankennung.
Die Argumente für die bestehende Regelung sind aus meiner Sicht nicht von der Hand zu weisen. Zudem wurden Sie, wie Ihnen sicher bekannt ist, auch durch das Bundesverfassungsgericht geprüft.
Das Sorgerecht soll erst einmal dem Kindswohl dienen, dass eine gegen den Willen eines Elternteils erzwungene gemeinsame Sorge regelmäßig dem Kindswohl mehr schadet, als ihm nutzt, erscheint mir eine nachvollziehbare Argumentation. Wenn sich die Mutter weigert, eine gemeinsame Sorgerechtserklärung abzugeben, liegt der Eindruck nahe, dass dies der Ausdruck eines tiefen Konflikts zwischen den Eltern ist. Ein solcher Konflikt zwischen den Eltern wirkt sich zweifellos nachteilig auf das Kindswohl aus. Durch den Zwang zu zahlreichen gemeinsamen Entscheidungen für das Kind würde dieser Konflikt sicher weiteren Zündstoff erhalten.
Mit seinem Urteil im Jahr 2003 hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben, die tatsächliche Entwicklung zu prüfen. Haben die Annahmen des Bundesverfassungsgerichts vor der Wirklichkeit bestand? Letztlich ist diese Frage noch nicht abschließend beantwortet. Bei einer Expertenanhörung in der vergangenen Legislaturperiode kamen die Fachleute zu diesem Thema lediglich zur Einschätzung, dass Änderungsbedarf besteht. Über den Inhalt einer möglichen Änderung konnte keine Einigkeit hergestellt werden. Auch eine entsprechende Praxisbefragung des Bundesjustizministeriums kam zu keinem abschließenden Ergebnis. Daher plant das Bundesjustizministerium eine wissenschaftliche Untersuchung der Problematik in Auftrag zu geben.
Oberste Priorität hat aus meiner Sicht das Kindswohl. Dafür, einen Vater aus dem Leben des Kindes auszublenden, muss es aber gute Gründe geben. Durch Modelle wie das neue Elterngeld wollen wir Väter dazu motivieren, den Kontakt mit ihren Kindern zu intensivieren. Eine Regelung, die Väter unehelich geborener Kinder vom Sorgerecht ausschließt, erscheint mir dazu nicht zu passen. In einigen unserer europäischen Nachbarländer wird das Sorgerecht automatisch beiden Eltern zugeordnet. Ich denke, dass wir bei einer weiteren Prüfung der Frage auch die Erfahrungen im europäischen Ausland einbeziehen sollten. So wünschenswert eine rasche Entscheidung aus der Sicht von vielen Vätern ist, so wichtig ist eine sorgfältige Abwägung aus der Sicht des Kindswohls.
Um ihre Frage direkt zu beantworten: ich sehe in dieser Frage Handlungsbedarf. Eine rasche Aufarbeitung erscheint mir aber kaum durchsetzbar und wenig wahrscheinlich.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Markus Grübel MdB