Frage an Markus Grübel von Ines K. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Grübel, wie verantworten Sie die extremen Anpassungen des Lieferkettengesetzes hin zu einem weitestgehend bedeutungslosen Dokument vor dem Hintergrund von zunehmenden Migrationsbewegungen und Menschenrechten? Wie sehen Sie hier den Einfluss von Lobbyinteressen?
Sehr geehrte Frau Kuebart,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Lieferkettengesetz. Das Sorgfaltspflichtengesetz bewegt viele Menschen, ich bekomme unterschiedliche Zuschriften dazu. Den einen geht es zu weit, den anderen geht es gar nicht weit genug. Innerhalb dieses Spannungsfeldes müssen wir einen Kompromiss finden. Hier gilt es, ein Gesetz zu verabschieden, dass wirksam für die Menschenrechte entlang der Lieferketten ist, aber auch umsetzbar für die Wirtschaft bleibt. Dinge von der Wirtschaft zu fordern, die keiner leisten kann hilft auch nicht. Ziel soll es ja auch nicht sein, dass Handels- und Investitionsbeziehungen mit Entwicklungsländern erschwert werden. Aber sie müssen verantwortlich und fair gestaltet sein, deshalb befürworte ich das Sorgfaltspflichtengesetz auch.
Ich denke, mit dem aktuellen Entwurf, der gerade ja auch noch von den zuständigen Fachpolitikern der verschiedenen Ressorts beraten wird, haben wir einen guten Kompromiss gefunden.
Durch das Gesetz sollen in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet werden, ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte durch die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten besser nachzukommen. Dadurch sollen zum einen die Rechte der von Unternehmensaktivitäten betroffenen Menschen in den Lieferketten gestärkt, zum anderen den legitimen Interessen der Unternehmen an Rechtssicherheit und fairen Wettbewerbsbedingungen Rechnung getragen werden. Als bedeutungslos sehe ich das Gesetz daher keineswegs.
Dem Gesetzentwurf liegt eine Einigung der Koalition zugrunde, die in langen Verhandlungen zwischen den Ministerien getroffen wurden. Konkret sieht die Einigung folgende Regelungen vor:
Das Gesetz soll ab 2023 verbindlich für große Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten in Deutschland (ca. 600 Unternehmen) gelten, und ab 2024 dann für alle Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in Deutschland (ca. 2.900 Unternehmen). Eine Regelung die bereits Unternehmen ab einer Größe von 500 oder weniger Arbeitnehmern trifft sehe ich schwierig zu gestalten. Das würde zum Beispiel schon manch eine regionale Großbäckerei treffen. Ich finde es fraglich, ob diese wiederum extra Juristen oder Wirtschaftsfachleute einstellen können um das Gesetz einzuhalten.
Die Verantwortung der Unternehmen erstreckt sich zwar auf die gesamte Lieferkette, wobei aber die Unternehmensverantwortung nach dem Grad der Einflussmöglichkeit abgestuft ist. Die Elemente menschenrechtlicher Sorgfalt gelten zunächst für den eigenen Geschäftsbereich der Unternehmen selbst, sowie für ihre unmittelbaren Zulieferer. Menschenrechtsrisiken bei mittelbaren Zulieferern, d.h. in den tieferen Gliedern der Lieferkette, müssen nur analysiert und adressiert werden, wenn Unternehmen darüber substantiiert Kenntnis erlangen.
Vorgesehen ist auch, dass Betroffene sich übrigens vor deutschen Gerichten von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften vertreten lassen können. Sie können sie zur Prozessführung ermächtigen, wenn sie sich durch einen Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfaltspflicht in überragend wichtigen Rechtspositionen verletzt sehen.
Bisher läuft das parlamentarische Verfahren noch, auch unter den Parlamentariern gibt es hier verschiedene Standpunkte. Die „Lobby“ ist übrigens von beiden Seiten vertreten, ähnlich wie bei den Bürgerbriefen wird hier von allen Seiten viel argumentiert.
Als stellvertretendes Mitglied im Entwicklungsausschuss und als Beauftragter der Bundesregierung für Religionsfreiheit, der beim Entwicklungsministerium angesiedelt ist, stehe ich natürlich hinter dem Vorhaben des Sorgfaltspflichtengesetzes. Dem fairen Handel gehört die Zukunft, dafür setze ich mich seit Jahren ein. Allerdings gilt es auch, die Wirtschaft – gerade angesichts der Corona-Krise – nicht zu schnell mit zu weitreichenden Forderungen zu überfordern. Ziel ist es aktuell, das Gesetz noch vor der Sommerpause zu verabschieden. Ein weiteres Ziel ist es, eine möglichst zügige Verständigung auch in der Europäischen Union auf einen entsprechenden europäischen Rechtsrahmen. Sowohl das Europäische Parlament wie auch die Europäische Kommission arbeiten bereits daran. Es muss dann das Ziel sein, die rechtlichen Anforderungen an die unternehmerische Sorgfaltspflicht klug zu harmonisieren.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Grübel