Frage an Markus Grübel von Timo B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Hallo Herr Grübel!
In Deutschland werden bereits an einigen Orten Wahlcomputer bei etwaigen Wahlen eingesetzt; das ganze System soll langsam auch Flächendeckender eingesetzt werden und soll uns natürlich auch irgendwann wieder erreichen.
Nun sorgt aber in den USA eine von der Kalifornischen Innenministerin Debra Bowen ins Leben gerufene große Untersuchung der Wahlcomputer für Schlagzeilen:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/93800
http://www.heise.de/newsticker/meldung/94737
Der erste Link zeigt die leichte Manipulierbarkeit der Wahlcomputer, der zweite, dass der Vertreiber sogar nicht-zertifizierte Wahlcomputer ausgeliefert haben!
Nun meine beiden Fragen an sie:
1. Natürlich, wie sie persönlich zu dem Einsatz von Wahlcomputern stehen
und
2. Ob so ein "Top-to-Bottom Review" nicht auch in Deutschland sinnvoll wäre, um die Funktionalität der in Deutschland eingesetzten Geräte zu prüfen; schliesslich sind diese Geräte ebenso bereits nachweislich Manipulierbar:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/79052
http://www.heise.de/newsticker/meldung/79080
(die zweite Meldung soll verdeutlichen, dass die getesten Wahlcomputer auch bereits in Deutschland eingesetzt wurden!)
auf Antwort freuend:
Timo Bauer
Sehr geehrter Herr Bauer,
vielen Dank für Ihre Email vom 22. August 2007.
Sie fügen Ihrer E-Mail verschiedene Meldungen bei, die sich mit der Sicherheit von US-amerikanischen Wahlgeräten befassen. Die in den USA eingesetzten Wahlgeräte sind mit den deutschen Geräten nicht vergleichbar. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass die Wahlgeräte in den Wahllokalen offenbar miteinander vernetzt sind. Hieraus ergeben sich deutlich mehr Manipulationsmöglichkeiten als bei stand-alone-Geräten. In Deutschland sind die einzelnen Wahlgeräte nicht miteinander vernetzt. Nach der Wahl werden – wie bei der herkömmlichen Wahl – die Ergebnisse in jedem einzelnen Wahllokal ermittelt. Diese Ergebnisse sind Grundlage für die endgültigen Wahlergebnisse im Wahlkreis, im Land und im Bundesgebiet.
Inwieweit die in den USA eingesetzten Geräte im Übrigen den deutschen Sicherheitsanforderungen genügen würden, kann im Einzelnen nicht beurteilt werden. Allerdings haben einige Firmen, die u.a. Geräte für den US-amerikanischen Markt produzieren, auch in Deutschland sondiert, ob eine Zulassung für bundesdeutsche Wahlen in Frage kommen würde. Nach Hinweisen darauf, welche Sicherheitsanforderungen für die Zulassung in Deutschland erforderlich sind, haben diese Firmen von einem Antrag auf Zulassung ihrer Geräte für den deutschen Markt Abstand genommen.
Sie schlagen vor, die Geräte in Deutschland einer ausführlichen Sicherheitsüberprüfung zu unterziehen. Eine solche Sicherheitsüberprüfung ist in Deutschland bereits vorgeschrieben. Das Bundesministerium des Innern entscheidet über die Bauartzulassung für Wahlgeräte bei Bundestags- und Europawahlen sowie über die Verwendungsgenehmigung zu diesen Wahlen. Die Entscheidung erfolgt auf der Grundlage eines Prüfberichts der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). Die Arbeitseinheit der PTB, die die Wahlgeräteprüfung vornimmt, ist eine nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditierte Prüfstelle, die sich sowohl mit analytischer Softwarequalitätssicherung (Softwareprüfung) als auch mit vorbeugender Qualitätssicherung (Bewertung und Verbesserung von Softwareentwicklungsprozessen) befasst.
Ob tatsächlich Wahlgeräte angeschafft und eingesetzt werden, entscheiden Städte und Gemeinden in eigener Verantwortung. Elektronische Wahlgeräte sind in Deutschland seit 1999 zugelassen; bei der Bundestagswahl 2005 wurden in ca. 1.850 der rund 80.000 Wahllokale solche Geräte eingesetzt. Nach den vorliegenden Informationen besteht ein hohes Maß an Zuverlässigkeit und Akzeptanz beim Einsatz der in Deutschland zugelassenen elektronischen Wahlgeräte. Von einer Tendenz zu einem flächendeckenden Einsatz kann jedoch keine Rede sein.
Das Bundesministerium des Innern hält aufgrund der Prüfergebnisse der PTB Wahlgeräte für ausreichend manipulationssicher; eine absolute Sicherheit ist auch bei Wahlen mit Stimmzettel und Urne nicht gegeben. Die Sicherheit wird durch technische und durch begleitende organisatorische Maßnahmen gewährleistet. Zu den organisatorischen Maßnahmen zählen:
- Kontrollen und Überprüfungen bei der Vorbereitung der Geräte zur Wahl und unmittelbar vor Öffnung der Wahllokale;
- der Betrieb während der Wahl unter ständiger Kontrolle des Wahlvorstands;
- die Möglichkeit, jederzeit einen Vergleich der eingesetzten Geräte einschließlich Software mit dem geprüften Baumuster vornehmen zu können;
- die Absicherung, dass vor jeder Wahl eine gesonderte Verwendungsgenehmigung durch das Bundesministerium des Innern ausgesprochen wird; diese Verwendungsgenehmigung kann verweigert werden, wenn Umstände bekannt werden, die die Sicherheit oder korrekte Funktionsweise fraglich erscheinen lassen;
- die sichere Aufbewahrung der Wahlgeräte durch die Gemeindebehörden.
Außerdem ist die Fälschung einer Wahl strafbewehrt, was gegenüber Manipulationen bei einer Wahl präventiv wirkt.
Manipulationen bei einer Wahl in Deutschland wurden bisher nicht festgestellt und, soweit bekannt, auch von niemandem behauptet. Aus der in den Niederlanden gelungenen Manipulation in experimenteller Umgebung kann nicht auf tatsächliche Manipulationen von realen Wahlen oder auch nur auf reale Manipulationsmöglichkeiten geschlossen werden. In Deutschland gab es bei der letzten Bundestagswahl 80.000 Wahlbezirke; jeder der 299 Wahlkreise war somit in ca. 270 Wahlbezirke eingeteilt. Allein um die Wahl in einem einzigen Wahlkreis zu manipulieren, um einem bestimmten Kandidaten zum Sieg zu verhelfen, wäre eine Wahlfälschung in einer Vielzahl von Wahlbezirken erforderlich. Dies zeigt, dass eine Wahlfälschung durch einen Einzeltäter nahezu unmöglich ist und eine Vielzahl von Mittätern mit technischen Kenntnissen und Insiderwissen erforderlich wäre, um ein relevantes Ergebnis zu erzielen – und dies gilt sowohl für die Urnen- und Briefwahl als auch für die Wahl mit Wahlgeräten.
Aufgrund der Bedeutung von Wahlen für die Legitimation von Parlament und Regierung in einer Demokratie muss die Integrität des Wahlvorganges vor allen vernünftigerweise zu erwartenden Gefahren geschützt werden. Ein Ausschluss jeglicher auch nur theoretisch denkbarer Manipulationsmöglichkeiten ist jedoch weder bei Wahlgeräten noch bei anderen Formen der Stimmabgabe, insbesondere der Briefwahl, möglich. Die Briefwahlunterlagen werden von den Wählern im privaten Umfeld ausgefüllt, anschließend von der Post transportiert und schließlich bei den Gemeindebehörden bis zum Wahltag aufbewahrt. Dies alles geschieht unter Ausschluss der Öffentlichkeit; und es lassen sich auch hier hypothetische Manipulationsszenarien konstruieren. Es ist ein Wertungswiderspruch, wenn man bei der Brief- und Urnenwahl der Ehrlichkeit und Rechtstreue der in der Wahlorganisation tätigen Personen vertraut – zu Recht, wie die Erfahrungen seit knapp 60 Jahren mit Wahlen auf allen Ebenen zeigen –, während man im Zusammenhang mit Wahlgeräten genau demselben Personenkreis jede denkbare Manipulation zutraut.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Markus Grübel MdB