Frage an Markus Grübel von Gereon Dr. T. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Grübel,
in den nächsten Tagen müssen Sie über die Gesundheitsreform abstimmen. Ist Ihnen bewusst, dass durch diese Reform das bislang schon stark eingeschränkt freiheitliche Gesundheitswesen in Deutschland weiter sozialisiert wird und uns niedergelassenen Ärzten die Existenzgrundlage entzogen wird? Seit 2 Jahren warten wir schon auf die versprochenen Vergütung von 5.11 Cent pro Punkt, inzwischen liegt der Punktwert schon unter 4 Cent, und es werden nur 80 % der abgerechneten Leistungen erbracht. Durch das Fondmodell sind weitere 20 % unserer Vergütung massiv gefährdet. Selbst große Hausarztpraxen in BW sind inzwischen existentiell gefährdet.
Beweisen Sie Mut und stimmen gemeinsam mit Ihrem Fraktionskollegen Merz gegen dieses unsinnige sozialistische Machwerk.
MFG
Dr. Trabold
Sehr geehrter Herr Dr. Trabold,
zunächst einmal möchte ich Sie darauf hinweisen, dass Sie mich auch direkt unter markus.gruebel@bundestag.de erreichen können.
Nun zu Ihrer Aussage, dass durch die Reform das bislang schon stark eingeschränkt freiheitliche Gesundheitswesen in Deutschland weiter sozialisiert werde und den niedergelassenen Ärzten die Existenzgrundlage entzogen werde: Politische Entscheidungen sind selten nur schlecht oder nur gut. Auch das Gesetz beinhaltet eine Vielzahl von Abwägungen. Es nur abzulehnen ist aus meiner Sicht unverantwortlich. Als Abgeordneter bin ich meinem Gewissen unterworfen. Diesem Gesetz konnte ich aus folgenden Gründen zustimmen.
Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) wird das deutsche Gesundheitswesen angesichts der großen Herausforderungen insbesondere aufgrund des demographischen Wandels und des medizinischen und medizinisch-technischen Fortschritts weiterentwickelt. Leitideen dieser Weiterentwicklung sind eine Qualitäts- und Effizienzsteigerung durch Intensivierung des Wettbewerbs auf Kassen- und Leistungserbringerseite, weniger Bürokratie, mehr Transparenz und Flexibilität in den Beziehungen zwischen Patienten, Ärzten, Versicherten und Krankenkassen. Dabei ist der besondere Stellenwert einer patientennahen, funktionierenden und flächendeckenden hausärztlichen Versorgung durch qualifizierte und motivierte Hausärztinnen und Hausärzte unbestritten. Durch die entsprechenden Maßnahmen des GKV-WSG werden die Rahmenbedingungen für den unverzichtbaren Versorgungsbeitrag der Ärztinnen und Ärzte in der hausärztlichen Versorgung verbessert.
Honorarsituation
In der vertragsärztlichen Versorgung wird das Vergütungssystem für alle niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte auf eine neue Grundlage gestellt.
Die ärztlichen Leistungen werden ab dem 1. Januar 2009 grundsätzlich mit den festen Preisen einer nach haus- und fachärztlichen Leistungen getrennt ausgestalteten regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet. Damit erhöht sich die Kalkulierbarkeit für Ärztinnen und Ärzte erheblich.
Mit der Euro-Gebührenordnung steigt für den Bereich der hausärztlichen Leistungen auch die Transparenz gegenüber dem geltenden Honorarsystem aus einheitlichem Bewertungsmaßstab (EBM) und Honorarverteilung. Bereits ab dem 1. Januar 2008 werden die Leistungen der hausärztlichen Versorgung, die üblicherweise für einen Patienten erbracht werden, einschließlich der anfallenden Betreuungs-, Koordinations- und Dokumentationsleistungen, im EBM als Versichertenpauschalen abgebildet. Diese Pauschalen können nach Alter und Geschlecht differenziert werden, um den Gesundheitszustand der Patienten in einer Hausarztpraxis zu berücksichtigen. Zusätzlich zu den Pauschalen kann für besonders zu fördernde Hausarztleistungen eine Vergütung nach Einzelleistungen oder Komplexen vorgesehen werden. Zudem kann über Zuschläge die Qualität in besonderen Behandlungsfällen vergütet werden.
Diese gesetzlichen Vorgaben für die Euro-Gebührenordnung und auch zu den sonstigen Vergütungsregelungen werden von der Selbstverwaltung im Bewertungsausschuss ausgefüllt, der dabei professionell unterstützt wird. Diese Rahmenvorgaben müssen auf regionaler Ebene flächendeckend umgesetzt werden, d.h. die bestehenden regionalen Honorarverteilungsmaßstäbe entfallen.
Parallel mit der Einführung fester Preise in der o.a. Euro-Gebührenordnung zum 1. Januar 2009 werden die bisherigen Budgets abgelöst und das Morbiditätsrisiko auf die Krankenkassen übertragen: Das bedeutet, dass die Krankenkassen zukünftig mehr Geld zur Vergütung der vertragsärztlichen Leistungen bereit stellen müssen, wenn der Behandlungsbedarf der Versicherten im Zeitablauf ansteigt oder wenn Leistungen aus dem stationären Bereich in den ambulanten Bereich verlagert werden. Die Krankenkassen vergüten zusätzlich auch Effekte eines Kostenanstiegs in den Praxen, die nicht durch Wirtschaftlichkeitsreserven ausgeglichen werden können. Die erforderlichen Honorarsteigerungen werden dabei nicht mehr durch den Grundsatz der Beitragssatzstabilität "gedeckelt".
Vorgegeben wird auch, dass diejenigen Krankenkassen, deren Versicherte im Vergleich zu den Versicherten anderer Krankenkassen einen relativ höheren Behandlungsaufwand aufweisen, höhere Honorarsummen an die Kassenärztlichen Vereinigungen entrichten. Damit wird das Problem der Honorarverluste auf Grund von Mitgliederwanderungen gelöst.
Diese Maßnahmen für eine leistungsgerechtes Honorarsystem sorgen dafür, dass die enormen finanziellen Herausforderungen an das Gesundheitssystem, die insbesondere aus dem demographischen Wandel und dem medizinischen und medizinisch-technischem Fortschritt resultieren, künftig nicht mehr zu Lasten der Ärzteschaft gehen, sondern von den Krankenkassen und damit den Beitragszahlern getragen werden. Auch die im Zusammenhang mit der bisherigen "Deckelung" auftretenden Honorarverteilungskonflikte zwischen den Arztgruppen werden damit der Vergangenheit angehören.
Versorgungssituation
Eine Verbesserung für die Versorgungssituation, die insbesondere im hausärztlichen Bereich und dort vor allem im ländlichen Raum angezeigt ist, wird sich über die o.a. Maßnahmen hinaus künftig daraus ergeben, dass das ärztliche Niederlassungsverhalten ab dem 1. Januar 2010 über Preisanreize in der Euro-Gebührenordnung gesteuert wird. Dadurch können sich abzeichnende Versorgungsengpässe effektiver abgebaut werden. Als Übergangsregelung für die Jahre 2007 bis einschließlich 2009 werden - ergänzend zu den bereits im Vertragsarztrechtsänderungsgesetz enthaltenen Maßnahmen - zur schnellen und wirksamen Bekämpfung der regional auftretenden Unterversorgung die Finanzierungsvorschriften für die Zahlung der sogenannten Sicherstellungszuschläge zu Gunsten der Vertragsärzte erheblich verbessert:
Ab 2007 tragen die Krankenkassen die Sicherstellungszuschläge zu 100 % und ihre Begrenzung auf maximal 1 % der Gesamtvergütungen entfällt. Damit entfällt die Mitfinanzierung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen und der Teil der Gesamtvergütungen, der in der Vergangenheit hieraus für Sicherzustellungszuschläge zur Verfügung gestellt wurde, wird wieder der Honorarverteilung zugeführt. Zudem werden die Anforderungen an die Feststellung der Unterversorgung, als Voraussetzung für die Zahlung von Honorarzuschlägen, abgesenkt, indem nicht mehr auf "unmittelbar" drohende Unterversorgung, sondern auf "in absehbarer Zeit" drohende Unterversorgung abgestellt wird. Insgesamt wird durch die angepasste Regelung gewährleistet, dass die Krankenkassen Zuschläge in erforderlicher Höhe bereitstellen, um die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zu gewährleisten, zu verbessern oder zu fördern. Da Versorgungsprobleme bislang hauptsächlich im hausärztlichen Bereich bestehen, kommen die dargestellten Änderungen in erster Linie den Hausärzten zugute.
Mit dem GKV-WSG bleibt eine sofortige pauschale Anhebung der Honorare aller Hausärztinnen und Hausärzte zwar unerfüllt, dennoch können über diese Neuregelung ab sofort bis einschließlich 2009 gezielt Honorarzuschläge in der erforderlichen Höhe an diejenigen Ärztinnen und Ärzte gezahlt werden, die in unterversorgten Gebieten tätig sind oder auch in den Gebieten, in denen in absehbarer Zeit eine Unterversorgung droht. Die notwendigen Mittel müssen kurzfristig und schnell im jeweils erforderlichen Umfang bereitgestellt werden. Sie sind allein von den Krankenkassen zu finanzieren. Die Umsetzung obliegt den zuständigen Landesausschüssen von Ärzten und Krankenkassen.
Vertragswettbewerb
Die Krankenkassen müssen künftig ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung) anbieten. Dies bedeutet, dass sie - ggf. in Kooperation mit anderen Krankenkassen - eine genügend große Anzahl von Hausärzten unter Vertrag zu nehmen haben, um ihren Versicherten ein wohnortnahes, hausärztliches Betreuungsnetz zur Verfügung stellen zu können. Gleichzeitig haben sie in ihren Satzungen einen speziellen Hausarzttarif vorzusehen. Bei der hausarztzentrierten Versorgung kann im erweiterten Umfang über die "normale" hausärztliche Versorgung hinausgegangen werden, um insbesondere die Versorgungsqualität zu verbessern. Hausärzte können einzeln oder als Gemeinschaft Vertragspartner sein. Möglich ist auch eine Vertragspartnerschaft der Kassenärztlichen Vereinigung, soweit diese hierzu von Hausärzten ermächtigt wird. Die teilnehmenden Versicherten verpflichten sich, nur den von ihnen selbst gewählten Hausarzt und andere Ärzte - mit Ausnahme von Augen- und Frauenärzten - nur auf Überweisung in Anspruch zu nehmen. Wichtig ist im Übrigen, dass die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung nicht nur für die Versicherten, sondern auch für Hausärzte freiwillig ist.
Mit diesen Änderungen wird für die Hausärztinnen und Hausärzte die mit dem GKV-Modernisierungsgesetz in das SGB V eingeführte besondere hausärztliche Versorgung in Form von Sonderverträgen weiterentwickelt. Damit werden sich künftig noch mehr Chancen für die an Sonderverträgen teilnehmenden Hausärztinnen und Hausärzte eröffnen.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Markus Grübel MdB