Frage an Markus Grübel von Jochen L. bezüglich Soziale Sicherung
Hallo Herr Grübel,
Eins vorweg,es geht mir bei meiner Frage nicht um mein Geld, sondern um die Art wie wir auch weiterhin gedeihlich in diesem Land zusammenleben können. Das wir Steuern, KV, AlV etc. bezahlen halte ich für sinnvoll, aber mich befremdet die Art wie offensichtlich fehlgeleitet und ohne erkennbare Struktur damit umgegangen wird.
Bitte erklären Sie mir in einfachen Worten, warum es in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich ist ein nachhaltiges Rentenmodell auf die Beine zustellen? Warum kochen soviele Berufsgruppen ihr eigenes (Renten-)Süppchen,z.B. Rechtsanwälte,Ärzte, Architekten?
Welchen Sinn hat die Beitragsbemessunsgrenze (außer dem sich erschließenden, daß sie völlig willkürlich und unsolidarisch ist)? Warum gelingt es uns nicht, alle, mit allen Einnahmen, die sie erzielen, an dem umlagefinanzierten Rentensystem zu beteiligen, statt die immer weniger werdenen Arbeitnehmer quasi im Alleingang für die Renten aufkommen zu lassen, und den Menschen auch noch Angst vor der Zukunft zu machen.
Sie werden einwenden, daß ich kein Finanzexperte bin. Das gebe ich gerne zu, aber ich erlaube mir meine eigenen Gedanken zu machen und ich sehe, daß so ein System der kompletten Besteuerung aller Einnahmen , auch Zinsen, Mieten etc. in der Schweiz sehr wohl funktioniert.
Ich bin neugierig von Ihnen zu hören.
Mit freundlichen Grüßen J. Lutz
Sehr geehrter Herr Lutz,
vielen Dank für Ihre Email vom 4. Oktober 2012.
Die von Ihnen angesprochenen berufsständische Versorgungswerke sind Sondersysteme, die für die kammerfähigen Freien Berufe der Ärzte, Apotheker, Architekten, Notare, Rechtsanwälte, und vieler weiterer Berufe, die Pflichtversorgung bezüglich der Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung sicherstellen. Sie können auf eine fast 90 jährige Tradition zurückblicken.
Als öffentlich-rechtliche Pflichtversorgungseinrichtungen "eigener Art" sind sie klar abgegrenzt von den anderen Versorgungssystemen. Sie beruhen auf landesgesetzlicher Rechtsgrundlage im Rahmen der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer gem. Art. 70 Grundgesetz.
Sie sind Sondersysteme der Pflicht-Versorgung, da sie kraft des landesgesetzlichen Versorgungsauftrages ausschließlich die Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, diese jedoch grundsätzlich in jeder Form der Berufsausübung (in selbständiger und unselbständiger Tätigkeit) zu versorgen haben.
Die berufsständischen Versorgungswerke sind nicht Sozialversicherung im Sinne von Art. 74 Nr. 12 Grundgesetz. So besteht z.B. keine organisatorische Anlehnung der Versorgungswerke an die Träger der klassischen bundesgesetzlichen Sozialversicherung; vielmehr sind die berufsständischen Versorgungswerke entweder Anstalten des öffentlichen Rechts oder Einrichtungen der berufsständischen Kammern, die ihrerseits als öffentlich-rechtliche Körperschaften strukturiert sind.
Sie gewährleisten die Sicherstellung der besonders wichtigen Gemeinschaftsgüter, indem sie durch ihre Vorsorge einer Überalterung der Berufsstände vorbeugen und damit der Erhaltung voll leistungsfähiger Freier Berufe dienen. Gleichzeitig wird neben der Verbesserung der Altersstruktur hierdurch eine wichtige arbeitsmarktpolitische Funktion erfüllt.
Die berufsständischen Versorgungswerke sind eigenfinanziert. Sie erhalten keine Staatszuschüsse, sondern erfüllen ihren Versorgungsauftrag in Eigeninitiative und mit eigenen Mitteln.
Würde man nun – wie wohl von Ihnen intendiert – diese Versorgungswerke auflösen, was kaum umsetzbar sein dürfte und eigentlich auch niemand fordert, hätte dies nur wenig Nutzen für die gesetzliche Rentenversicherung. Es gibt ca. 685.000 Versicherte in den Versorgungswerken, das sind ca. 2 % aller Erwerbstätigen. Das Beitragsaufkommen liegt bei rund 7 Mrd. Euro. In der Gesetzlichen Rentenversicherung sind hingegen 41 Millionen Menschen versichert, bei einem Beitragsaufkommen von 189 Mrd. Euro. Bitte führen Sie sich auch vor Augen, dass diese meist gut verdienenden Personengruppen nicht nur hohe Beiträge in die GRV einzahlen würden, sie würden dementsprechend auch hohe Rentenanwartschaften in der Zukunft erwerben.
Bei den Beitragsbemessungsgrenzen handelt es sich um die Einkommensgröße, bis zu der in Deutschland die Beiträge zum jeweiligen Sozialversicherungszweig von dem Pflichtigen erhoben werden dürfen. Einkommen, die die Beitragsbemessungsgrenze übersteigen, werden nicht zum Sozialversicherungsbeitrag herangezogen. Als Folge daraus zahlt dieser Personenkreis prozentual geringere Sozialversicherungsbeiträge. Die Beitragsbemessungsgrenzen werden jährlich von der Bundesregierung durch Rechtsverordnung den Durchschnittseinkommen in Deutschland angepasst.
Aufgrund des bestehenden Sozialversicherungssystems gibt es 3 Beitragsbemessungsgrenzen:
1.in der gesetzlichen Rentenversicherung
2.in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung und
3.in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung.
Die Grenze für 2012 ist in der gesetzlichen Rentenversicherung in den herkömmlichen Bundesländern West 5.600,00 € monatlich und in den neuen Bundesländern Ost 4.800,00 € monatlich. Jährlich ergibt das 67.200,00 € und 57.600,00 €.
Für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung ist die Beitragsbemessungsgrenze monatlich einheitlich 3.825,00 €, also 45.900,00 € jährlich.
Die gesetzliche Arbeitslosenversicherung orientiert sich an den Grenzen der gesetzlichen Rentenversicherung.
Sinn dieser Regelung war ursprünglich, dass Personen mit Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze einen über diesen Betrag hinausgehenden Schutz der Sozialversicherung nicht benötigten.
Nicht zu verwechseln sind die Beitragsbemessungsgrenzen mit den Versicherungspflichtgrenzen, bis zu dessen Höhe ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, sich in der Sozialversicherung zu versichern.
Der Rentenversicherungsbeitrag wird nach einem Prozentsatz (Beitragssatz) von den beitragspflichtigen Einnahmen erhoben, die bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt werden. Der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung beträgt ab dem 1. Januar 2012 19,6 Prozent und soll ab 1.1.2013 auf 19,0 % weiter sinken. Damit werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland entlastet.
Würden nun im bestehenden Rentensystem, wie von Ihnen vorgeschlagen, alle Einnahmen (wie z.B. Miete, Aktiengewinne, Zinsen ect.) herangezogen, würde dies zu einer erheblichen Mehrbelastung von vielen Arbeitnehmern führen. Zudem müsste man auch das System der Beamtenversorgung in das Rentensystem überführen, was Jahrzehnte dauern würde und die Probleme sicherlich nicht lösen könnte. Wenn es sich denn wirklich umsetzen ließe. Außerdem bemisst sich die Höhe der Rente nach den eingezahlten Beiträgen, so dass es dem deutschen Rentensystem wesensfremd ist, hier andere Einnahmen zum Rentenbeitrag heranzuziehen. Das dürfte in der Öffentlichkeit wenig Zustimmung finden und ist meines Erachtens auch ungerecht. Abgesehen davon dürfte dies auch mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand verbunden sein. Viele Arbeitnehmer sparen schon zu Lebzeiten und sehen eine Mietwohnung als Alterssicherung. Würden nun die Mieteinnahmen verbeitragt werden, dürfte dies kaum ein Anreiz sein, privat vorzusorgen. Besteuert werden diese Einnahmen ja ehedem schon.
Wir diskutieren zur Zeit wie wir die Rente zukunftssicher machen und wie wir Altersarmut verhindern können. Aufgrund der demografischen Entwicklung und der damit einhergehenden steigenden Lebenserwartung wird das Thema die politische Agenda die nächsten Jahre bestimmen.
Zur Besteuerung möchte ich anmerken, dass auch die aktuellen Renten schon heute z.T. besteuert werden. Wer neben der gesetzlichen Rente viele Einnahmen hat, muss Steuern zahlen.
Mit freundlichen Grüßen aus Berlin
Markus Grübel MdB