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Lisa Badum
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Frage von Volker T. •

Wie stehen Sie zu der neulich verabschiedeten Antisemitismus-Resolution?

Sehr geehrte Frau Badum,
Ich sehe den undifferenzierten Standpunkt der Bundesregierung zu Israel sehr kritisch. Deshalb möchte gerne als ihr Wähler wissen, wie Sie die Israel-Politik sehen und welchen Standpunkt Sie zu dieser sehr zweifelhaften Redolution stehen. Was bedeutet Staatsräson für Sie?
Danke!
Volker T. aus Forchheim

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

sehr geehrter Herr T.,

die Resolution zum Schutz des jüdischen Lebens wurde viele Monaten zwischen den Fraktionen verhandelt, insbesondere deswegen, weil wir es wichtig finden, dass sie überparteilich von den demokratischen Parteien getragen wird. Deswegen war eine Einigung nicht in jedem Punkt einfach, aber ich halte das für existenziell, nicht nur, aber auch und gerade, damit Extremisten mit ihren Spaltungsversuchen keinen Erfolg haben.

Die Resolution wurde überparteilich als notwendig erachtet, weil die Zahlen eine eindeutige Sprache sprechen: Die Zahl antisemitischer Vorfälle ist 2023 laut BKA um 83 Prozent gestiegen. Wenn wir hier einfach zum Tagesgeschäft übergehen, wäre das sicher keine Brandmauer gegen den Antisemitismus und insgesamt gegen die Gewalt gegen Minderheiten. 

Als Abgeordnete, die ihrem Gewissen verpflichtet ist, kann ich Ihnen versichern, dass meine Entscheidungen unabhängig zustande kommen und ich mir diese reiflich überlege, sei es die Zustimmung zum BDS-Beschluss von 2019 oder auch jene zu dieser Resolution. An der IHRA-Definition scheiden sich die Geister, ich persönlich halte sie für geeignet. Die Bundesregierung hat sie 2017 übernommen, zahlreiche andere Organisationen auch. Sie wurde wissenschaftlich erarbeitet und bezieht sich ausdrücklich nicht auf politische Kritik an Israel, sondern auf israelbezogenen Antisemitismus, bspw. bei falschen, entmenschlichenden, stereotypen Anschuldigungen gegen Jüdinnen und Juden als Kollektiv. Ich halte es für möglich, die Unterschiede hier zu erkennen.

Klar ist, dass wir auch mit dieser Resolution allein den Antisemitismus nicht beenden werden, dass wir viele weitere Maßnahmen brauchen. Insbesondere die Zivilgesellschaft müssen wir in ihrem Engagement gegen jede Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit besser unterstützen – u.a. mit dem lange überfälligen Demokratiefördergesetz, das die Finanzierung verstetigt. Das politische Zeichen, das wir mit der Resolution setzen, halte ich dennoch für wichtig.

Den Begriff Staatsräson halte ich mittlerweile für so belastet und auch so schwammig, dass er unser Verhältnis zu Israel nicht mehr gut beschreiben kann. Auch weiß ich, dass weite Teile der Bevölkerung mit diesem Begriff, der eher einer für politische Kreise und Feierstunden ist, nichts mehr anfangen können. Vielleicht gehören Sie dazu.

Worum geht es: Ja, wir werden immer eine besondere Beziehung zu Israel haben, die anders ist als die von anderen Ländern auf der Welt oder unserer europäischen Nachbarn (Spanien, Frankreich etc.). Ganz einfach deswegen, weil der Holocaust ursächlich dafür ist, dass der Staat Israel entstand. Dass weltweit überhaupt ein jüdischer Staat existiert, der ein sicherer Hafen sein kann, wenn Jüd*innen weltweit verfolgt und diskriminiert werden, ist damit auch unsere Verantwortung als Deutschland. Der noch wichtigere Punkt ist für mich: Israel ist die einzige Demokratie im Nahen Osten und damit unser natürlicher Wertepartner. Das einzige Land im Nahen Osten mit Demokratie und Meinungsfreiheit und damit näher an unserer Gesellschaft als jede andere in der Region. Das heißt nicht, dass man eine ultrarechte Regierung und ihre Politiken unterstützt. Es heißt aber sehr wohl, dass wir uns für den Staat positionieren, so wie wir es mit anderen Demokratien weltweit tun.

Mit besten Grüßen

Lisa Badum

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