Frage an Lasse Petersdotter von Ines L. bezüglich Soziale Sicherung
Pflegeberufekammer:
Wir Pflegekräfte sind die größte und „ärmste“ Berufsgruppe in Schleswig Holstein. Die Politik hat durch den Verkauf der staatlichen Einrichtungen sich eines hohen Kostenfaktors entledigt und die Pflege damit privaten zum Teil sehr profitgierigen Investoren überlassen und ist für die Misere, in der wir uns befinden mit verantwortlich. Es kann nicht sein, dass der Rettungsring, den man uns jetzt in Form der Kammer zuwirft, selber finanzieren müssen.
Gibt es wirklich keine andere Lösung, als die Finanzierung dieser Kammer, als durch Zwangsbeiträge? Ein absoluter Großteil von uns ist ja auch „abhängig beschäftigt“ also nicht selbstständig. Dafür müsste eine Kammer dann auch ausgestattet sein.
Dazu hätte ich gerne Ihren Standpunkt gewusst, vielen Dank!
I. L., Fachschwester für Anästhesie, Kiel
Sehr geehrte Frau Lobitz,
Für uns Grüne steht fest, dass Pflege eines der wichtigsten sozialpolitischen Themen ist. Die aktuelle Kritik über die Pflegeberufekammer nehmen wir sehr ernst und möchten gern die Gelegenheit nutzen unsere Haltung zur Pflegekammer zu erklären.
Die Pflegeberufekammer wurde eingerichtet, damit Pflegekräfte selbst an Entscheidungen über die Pflege beteiligt werden. Dies war in der
Vergangenheit nicht der Fall und wurde von vielen Pflegekräften kritisiert. Die Kammer ist eine unabhängige Selbverwaltungsorganisation
und trifft ihre Entscheidungen eigenständig durch Abstimmung innerhalb ihrer Mitglieder.
Aus unserer Sicht ist es bedauerlicherweise in den letzten Monaten durch die Kommunikation der Pflegeberufekammer und die Beitragsforderungen zu großer Verärgerung bei vielen Pflegekräften gekommen. Die Kammer selbst hat eingeräumt, Fehler in der Kommunikation gemacht zu haben. Wir erwarten von der Kammer, dass die Kommunikation verbessert und insbesondere die Ansprache an die Pflegekräfte verbessert wird.
Die Pflegeberufekammer in Schleswig-Holstein wurde nach ausführlicher parlamentarischer Beratung vor einigen Jahren gesetzlich beschlossen. Zum damaligen Zeitpunkt haben sich zahlreiche Pflegekräfte bei uns gemeldet und sich ausdrücklich eine Pflegekammer gewünscht. Oft wurde der Vergleich zur Ärztekammer gezogen mit dem Hinweis, Pflegekräfte würden sich unfair behandelt fühlen, wenn sie keine eigene Kammer hätten.
Dieses Argument, zahlreiche Fachgespräche und umfangreiche Anhörungen im Sozialausschuss des Landtages haben uns Grüne damals überzeugt. Wir haben gemeinsam mit der SPD und dem SSW eine Pflegeberufekammer beschlossen.
Zum damaligen Zeitpunkt haben sich alle befragten Interessenvertretungen von Pflegekräften deutlich für eine eigenständige Pflegeberufekammer ausgesprochen, nur die Arbeitgeberseite und die Gewerkschaft war dagegen. In einer Abstimmung beim Landespflegekongress in Kiel waren von ca. 600 Teilnehmenden bei wenigen Enthaltungen und Gegenstimmen alle anwesenden Pflegekräfte für die Einführung einer Pflegekammer.
Um sicher zu gehen, dass diese Einschätzung auch für die Pflegekräfte gilt, die nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnten, wurde eine
ergänzende repräsentative Umfrage durchgeführt. Diese ergab eine knappe Mehrheit für die Einführung einer eigenständigen Pflegeberufekammer in Schleswig-Holstein. Daraufhin wurde die Pflegeberufekammer eingeführt.
Auf unseren ausdrücklichen Wunsch wurde zum damaligen Zeitpunkt überprüft, ob es möglich ist, allen Pflegekräften dauerhaft eine
kostenlose Mitgliedschaft zu ermöglichen. Das wäre aus unserer Sicht eine gute Lösung gewesen. Dies war jedoch nach juristischer Einschätzung des Sozialministeriums leider nicht möglich.
Der aktuelle Landtagsbeschluss ist ein Kompromiss der sehr unterschiedlichen Sichtweisen der drei Jamaika-Koalitionsfraktionen. Er
unterstützt die Kammer finanziell massiv und verschafft ihr Zeit, sich zu bewähren und zu versuchen, das Vertrauen der Kammermitglieder zurück zu gewinnen. Der Beschluss beinhaltet eine rückwirkende Anschubfinanzierung von weiteren 3 Mio. Euro und führt dazu, dass
zurzeit keine Beiträge eingefordert werden müssen. Dies war einer der Kritikpunkte und für uns gut nachvollziehbar.
Weiterhin haben wir uns aufgrund der zahlreichen Pflegekräfte, die sich mit ihrer Kritik über die Pflegeberufekammer an uns gewandt haben, in dem aktuellen Beschluss für eine Urabstimmung innerhalb der Pflegekräfte ausgesprochen. Diese soll Anfang 2021 durchgeführt werden und darüber entscheiden, ob die Pflegeberufekammer erhalten bleibt oder nicht. Wir halten dies für einen tragfähigen Kompromiss, der sowohl die Belange der Kammerbefürworter*innen als auch der Kammergegner*innen aufgreift und zu einer fairen Lösung des Konfliktes beitragen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Lasse Petersdotter