Frage an Lasse Petersdotter von Myriam C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Petersdotter,
mit Verwunderung habe ich in den Kieler Nachrichten gelesen, dass Sie das vom Universitätspräsidenten verhängte Niqab-Verbot in der CAU ablehnen. Ich war schon immer überzeugte Grünen-Wählerin, weil ich den ökologischen Schwerpunkt, aber auch die gelebte Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern bei Ihrer Partei schätze. Deshalb finde ich es als überzeugte Demokratin äußerst befremdlich, dass Sie als Vertreter einer linksliberalen Partei dieses frauenverachtende Kleidungsstück verteidigen mit dem Hinweis auf unsere Religionsfreiheit.
Dass die Studentin Katharina K. bei ihrer Klage offenbar vom Salafisten-Prediger Marcel Krass und seiner „Föderalen Islamischen Union“ unterstützt wird, den Sie durch Ihren Zuspruch indirekt mit fördern, finde ich umso bedenklicher. Das Tragen des Niqabs wird nur von radikalen Islamisten unterstützt, die die Rolle und den Einfluss der Frau minimieren wollen. Der Niqab (wie in meinen Augen auch das Kopftuch, aber hier ist immerhin noch das Gesicht erkennbar) reduziert die Frau auf ein sexuelles Objekt und unterstellt den Männern gleichzeitig, dass sie ihre Triebe nicht im Griff haben und vor den Reizen der Frau geschützt werden müssen.
Meine Frage: Warum unterstützen Sie die konvertierte Studentin? Warum verteidigen Sie den politischen Islam, dessen Anhänger sich nun über Ihre Rückendeckung als Vertreter der Landesregierung bestätigt fühlen? Warum treten Sie nicht weiterhin für die Gleichberechtigung von Mann und Frau ein und lassen sich von Islamisten vor den Karren spannen? Und warum ignorieren Sie die Einwände von aufgeklärten liberalen Muslimen wie Seyran Ates oder Ahmad Mansour?
Vielen Dank für eine verständliche Antwort!
Sehr geehrte Frau Christ,
grundsätzlich hat dieses Thema für mich zwei Stränge: Der eine Strang betrifft diejenigen, die zum Tragen einer Vollverschleierung gezwungen werden. Diesem Unrecht mit einem Verbot zu begegnen hätte fatale Konsequenzen, denn es sind nicht die Unterdrücker, welche eine Bestrafung erfahren würden, sondern die Frauen, welche eigentlich doch die Opfer sind und welche in einer Hochschule doch den bestmöglichen Raum für Emanzipation und Selbstständigkeit durch Bildung erhalten.
Der andere Strang betrifft Frauen, welche offensichtlich freiwillig eine Vollverschleierung anlegen. Das ist sicherlich Ausdruck einer
radikalisierten Ideologie und muss kritisiert werden, doch auch hier gilt: Ein Ausschluss aus einer Universität führt dazu, dass der Person
eine Umgebung genommen wird, die ein hohes Potenzial für Emanzipation bietet. Dazu ist es aber auch wichtig zu betonen, dass solange die
Person auf Basis des Grundgesetzes lebt und agiert, es keinerlei Rechtsgrundlage geben kann. Es gibt kein Recht auf uneingeschränkte Kommunikation mit einer Person und jede Person hat durchaus das Recht zu tragen, was sie möchte. Es ist nicht sonderlich feministisch, Frauen
Kleidungsvorschriften zu machen. Auch, ob eine uneingeschränkte Kommunikation im Rahmen einer Hochschule immer zwangsläufig vonnöten ist, darf angezweifelt werden. In großen Vorlesungen mit hunderten Studierenden ist eine einzelne verschleierte Studentin keine Störungder Vorlesung.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Lasse Petersdotter