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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Jonas K. •

Wie stehen Sie zur sog. "Chatkontrolle"?

Sehr geehrter Herr von Notz,

auf EU-Ebene gibt es lt. Medienberichten Bestrebungen eine sog. "Chatkontrolle" (vgl. https://netzpolitik.org/2021/eu-kommission-warum-die-chatkontrolle-so-gefaehrlich-ist/ und https://www.heise.de/news/Chatkontrolle-Buergerrechtler-laufen-Sturm-gegen-EU-weite-Massenueberwachung-6593664.html) einzuführen, bei der auch verschlüsselte Kommunikation durch Analyse vor/nach der Verschlüsselung betroffen sein soll.

Wie stehen Sie (und die von Ihnen mitgetragene Bundesregierung) zu diesem Vorstoß? Inwiefern möchten Sie die Einführung verhindern bzw. unterstützen? Halten Sie es für vertretbar, dass auch eindeutig legale Kommunikation durch technische Inperfektion als verdächtig kategorisiert würde und die Vertraulichkeit verlieren würde, und warum?

Außerdem würde es mich interessieren, was Sie davon halten, dass bei Client Side Scanning Bürger*innen Rechenleistung zur Verfügung stellen müssten um "gegen sich selbst zu ermitteln".

Mit freundlichen Grüßen
Jonas

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr K.

vielen Dank für Ihre Frage zur „Chatkontrolle“ und ihr darin zum Ausdruck kommendes Interesse an meiner politischen Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut.

Dass die EU-Kommission ein Gesetzespaket verabschieden will, welches sexualisierte Gewalt gegen Kinder aktiv bekämpfen will, ist im Grunde zu begrüßen. Die Pläne der Europäischen Union, eine solche, möglichst wirksame Strategie zu verabschieden, verfolgen meine Kolleginnen und Kollegen der grünen Bundestagsfraktion und ich sehr aufmerksam – und stehen hierzu auch bereits mit den Abgeordneten der grünen Fraktion im Europäischen Parlament in einem intensiven Austausch.

Die offizielle Vorstellung des Gesetzes sollte bereits im letzten Jahr erfolgen, wurde aber verschoben, da die Erarbeitung offenbar noch nicht abgeschlossen ist. Laut Presseberichterstattung hat sich die EU-Kommission noch nicht abschließend entschieden, zieht die Einführung des sog. Client-Side-Scanning (CSS) aber zumindest als Option in Erwägung. Sollte die Kommission tatsächlich versuchen, eine solche, tief in die informationelle Selbstbestimmung eingreifende Durchsuchung von Inhalten auf den Geräten der Nutzerinnen und Nutzer noch vor einer Verschlüsselung verpflichtend vorzusehen, hielte ich dies für falsch.

Die Haltung der Grünen ist klar: Wir streiten sehr entschlossen für notwendige Verbesserungen im Kampf gegen sexualisierte Gewalt auch und vor allem gegen Kinder und Jugendliche. Hierzu haben wir in den vergangenen Jahren immer wieder auch sehr konkrete Vorschläge vorgelegt. Gleichzeitig ist für uns klar, dass bei diesem Kampf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen gewahrt und die Privatsphäre unbescholtener Menschen und ihrer Kommunikation geschützt werden muss.

Auch die Ampel-Koalition spricht sich in ihrem Koalitionsvertrag gegen eine solche anlasslose Massenüberwachung und allgemeine Überwachungspflichten, gegen Maßnahmen zum Scannen privater Informationen und gegen verpflichtende Uploadfilter aus. Demgegenüber sieht die Koalitionsvereinbarung die Stärkung der digitalen Bürgerrechte und der IT-Sicherheit vor. Zudem soll ein Recht auf Verschlüsselung eingeführt werden. Mit dieser Haltung lässt sich die Einführung einer verpflichtenden „Chatkontrolle“ aus unserer Sicht nicht vereinbaren.

Es bleibt zunächst zu hoffen, dass die EU-Kommission von entsprechenden Plänen Abstand nimmt. Hierfür setzen wir uns gemeinsam mit unseren Kolleginnen und Kollegen im Europäischen Parlament ein. Sollte dies nicht der Fall sein, müsste die Bundesregierung sich auf europäischer Ebene konsequent gegen eine solche Verpflichtung einsetzen.

Beste Grüße nach Mainz!
Konstantin v. Notz

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