Wie stehen Sie zur Abstimmung: Selbstbestimmung (Abtreibung) soll Menschenrecht werden?
Liebe Christine K., lieber Franz K.
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage an mich, die ich Ihnen gerne beantworte. Über Ihr Interesse an meiner Arbeit freue ich mich.
Das höchste Gericht in Deutschland formuliert es wie folgt: „Das sich im Mutterleib entwickelnde Leben steht als selbständiges Rechtsgut unter dem Schutz der Verfassung.“ (BVerfGE 39, 1; BVerfGE 88, 203). Der Nasciturus bildet mit der Schwangeren eine unlösliche Einheit und ist folglich auch von dieser abhängig. Dem Staat obliegt eine Schutzpflicht, die es ihm gebietet, sich schützend und fördernd vor das Leben zu stellen. Alle Anstrengungen zum Schutz des ungeborenen Lebens im Mutterleib dürfen nur darauf gerichtet sein, es mit der Frau und nicht gegen sie zu schützen.
Der Wahlfreiheit, Kinder zu bekommen oder nicht, kommt für Frauen eine zentrale Bedeutung zu. Um ungewollten Schwangerschaften vorzubeugen braucht es für alle gleichermaßen einfachen und einkommensunabhängigen Zugang zu zuverlässigen, qualitativ hochwertigen und individuell passenden Verhütungsmitteln (BT-Ds. 19/2514). Aus verfassungsrechtlicher Perspektive steht die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch im Spannungsfeld zwischen dem Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens und dem Selbstbestimmungsrecht der schwangeren Frau (BVerfGE 88, 203; vgl. Sachs/Rixen, 9. Aufl. 2021, Art. 2 GG Rn. 215). Wir Grünen sind uns einig darüber, dass Frauen weder bevormundet noch kriminalisiert werden dürfen. Dem Schutz der Frau wie auch dem Schutz des ungeborenen Lebens muss durch eine freiwillige, qualifizierte und ergebnisoffene Beratung Rechnung getragen werden. Schwangeren muss sowohl eine gute Gesundheitsversorgung als auch eine umfassende Möglichkeit zu Informationen eingeräumt werden.
Das Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren ist grundrechtlich durch die allgemeine Handlungsfreiheit verbürgt. Das Bundesverfassungsgericht würdigt dies in seiner Rechtsprechung zu Schwangerschaftsabbrüchen. Das führt insbesondere dazu, dass es nach der verfassungsmäßigen Betrachtung unter bestimmten Voraussetzungen – in den Worten des Bundesverfassungsgerichts – zulässig, in manchen Fällen womöglich geboten ist, einer schwangeren Frau keine Rechtspflicht zum Austragen des Kindes aufzuerlegen (BVerfGE 88, 203). Bei den Grund- und Menschenrechten besteht mithin kein Handlungsbedarf.
Der Staat ist in der Verantwortung, seine Fürsorgepflicht wahrzunehmen. Er muss also auch endlich umfassend und zuverlässig Rahmenbedingungen gewährleisten, damit jedes Kind tatsächlich das bekommt, was es für ein gutes Aufwachsen benötigt. Dafür braucht es eine zeitgemäße Familienpolitik, die sich an den konkreten Bedürfnissen orientiert. Sorgen und Probleme von Schwangeren, Eltern und Familien müssen ernst genommen werden. Familien müssen endlich mehr Unterstützung erfahren. Es gilt das Angebot an Familienplanungs- und Beratungsstellen abzusichern und weiter auszubauen.
Beste Grüße nach Waidhaus!
Konstantin v. Notz