Wie stehen Sie einer Impfpflicht gegenüber, wenn es gegenüber der Krankheit gegen die es zu impfen gelten soll, wirksame und gleichwertige Therapien, z.B. mittels Medikamente gibt?
Sehr geehrte Frau S.,
Impfen ist, darauf weisen die Epidemiologinnen und Epidemiologen mit großer Einigkeit hin, weiterhin das derzeit beste Instrument, um mittelfristig der COVID-19 Pandemie Einhalt zu gebieten. Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich, sondern auch andere. Die bislang erreichten Impfquoten reichen dafür aber noch nicht aus, wie die dramatischen Infektionszahlen und die Lage auf den Intensivstationen derzeit zeigen. Die übergroße Mehrheit der Menschen geht verantwortungsbewusst mit der eigenen Gesundheit um und verhält sich solidarisch gegenüber anderen. Aber ein knappes Drittel der Menschen in unserem Land ist derzeit noch nicht vollständig geschützt, weil sie sich nicht impfen lassen können – oder wollen. Die Impfquote muss daher weiterhin gesteigert werden.
Die Frage nach einer Impfpflicht, sowohl für Angehörige einzelner Berufsgruppen als auch und gerade eine derzeit in der Diskussion befindliche „allgemeine Impflicht“ muss in Parlament und Gesellschaft mit der notwendigen Sorgfalt diskutiert werden. Hierbei müssen auch aktuelle Entwicklungen und Warnungen der Wissenschaft über augenblickliche Änderungen des Virus und der Pandemiedynamik sehr ernst genommen werden. In dieser Sitzungswoche wird im Parlament zunächst über eine Impflicht für Angehörige einzelner Berufsgruppen diskutiert.
Angesichts der dramatischen Entwicklung der Corona-Pandemie erachten einschlägige Expertinnen und Experten eine „allgemeine Impfpflicht“ für nötig. Als Parlamentarierinnen und Parlamentarier werden wir die zahlreichen, hierbei abzuwägenden Aspekte auf jeden Fall in der weiteren Diskussion sehr intensiv beleuchten. Neben der Erforderlichkeit wird auch die Frage der Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme umfassend zu diskutieren sein. Hierbei wird u.a. auch zu beachten sein, ob kein anderes Mittel verfügbar ist, das in gleicher Weise geeignet ist, den Regelungszweck zu erreichen und dabei zugleich die Betroffenen wie auch die Allgemeinheit geringer belastet.
Nicht aus dem Blick geraten sollte, dass Maßnahmen wie immer wiederkehrende Lockdowns mit starken Kontaktbeschränkungen und die damit einhergehenden gravierenden Folgen insbesondere für Kinder natürlich auch extrem stark in die Freiheit der gesamten Gesellschaft eingreifen.
Auch wenn mit entsprechenden Medikamenten der Werkzeugkasten gegen Covid-19 perspektivisch größer werden wird, muss die anstehenden Entscheidung über die Einführung einer Impfpflicht auf Grundlage der derzeitigen Erkenntnislage getroffen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Medikamente in der EU derzeit keine reguläre Marktzulassung haben und noch keine verlässliche Aussage über deren Wirksamkeit getroffen werden kann. Klinische Studien deuteten für die einschlägigen Medikamente zuletzt auf eine deutlich geringere Wirksamkeit hin, als Zwischenergebnisse zunächst erhoffen ließen.
In der Hoffnung, Ihnen verdeutlicht haben zu können, dass wir uns die derzeit anstehenden Entscheidungen alles andere als leicht machen und zahlreiche Aspekte versuchen, gegeneinander abzuwägen bzw. bestmöglich unter einen Hut zu bringen, verbleibe ich
Mit besten Grüßen nach München
Konstantin v. Notz