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Konstantin von Notz
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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Frage von Sebastian L. •

Sehr geehrter Herr von Notz, wieso gibt es keine Finanztransaktionssteuer? Wieso gibt es Steueroasen? Wieso werden die Reichsten immer reicher und wieso gibt es so viel Schlupflöcher in den Gesetzen?

Mir scheint die Politik nicht in der Lage zu sein dafür zu sorgen das es Rahmenbedingungen/Gesetze gibt die zu dem gewünschten Ergebnis führen. Niemand scheint für seine "Taten" und deren Folgen haftbar gemacht werden zu können. Und wenn schon der Steuerzahler für Folgen zahlen muss (Atomkraft/Unfall nicht versicherbare Risiken) dann doch bitte eine Volksabstimmung! Wenn die eine Hälfte der Politiker über die andere Hälfte bestimmt ist das weder gerecht noch sorgt es für Zufriedenheit bei den Menschen. Mich wundert es nicht das so viele (verärgerte/frustrierte) der extremen Rechten zuströmen. Die Politik sollte das "Ruder" in der Hand haben und für soziale Gerechtigkeit sorgen und nicht die Superreichen, Lobbyisten und Demagogen.

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Antwort von
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sehr geehrter Herr L.,

haben Sie erneut vielen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit und diese Frage. Wie Sie wissen, liegen meinen eigenen Arbeitsschwerpunkte eher in der Innen- und Rechtspolitik. Gerne habe ich mich aber auch hier einmal kurz rückgekoppelt. 

Ich teile ihre Analyse: die stetig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich ist ein großes gesellschaftliches Problem. Gerade auch angesichts der massiven Herausforderungen, vor denen unser Land steht (die dringend notwendige Transformation der Wirtschaft, der russische Angriffskrieg, der Investitionsstau, um nur einige zu nennen), kann man meiner Meinung nach niemandem erklären, weshalb sich gerade die Reichsten nicht adäquat an der Finanzierung von Lösungen beteiligen müssen.

Meine Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen, hat erkannt, dass sich hier etwas ändern muss. Wir setzen uns daher für eine Vielzahl notwendiger Änderungen für mehr Gerechtigkeit ein und werden das auch in Zukunft tun. Das zeigt sich beispielhaft im Wahlprogramm meiner Partei, das unser zukünftiges politisches Handeln vorzeichnet. Wir fordern, um nur einige Beispiele zu nennen: Eine globale Milliardärssteuer, eine fairere Erbschaftssteuer, eine gerechte Immobilienbesteuerung ohne Schlupflöcher und eine nationale Vermögenssteuer auf sehr hohe Vermögen. 

Neben diesen inhaltlichen Zielen setzen  wir uns auch dafür ein, die Bevölkerung auf die Problematik aufmerksam zu machen: Beispielsweise haben meine Kollegen Andreas Audretsch und Katharina Beck im letzten Herbst mit konkreten Vorschlägen eine Debatte angestoßen, die weite Kreise gezogen hat (vgl. u.a. https://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruene-finanzexperten-wollen-steuerprivilegien-fuer-reiche-abschaffen-a-09f1683d-aec9-4fcf-b57f-5d03982ceec7). Das sind wichtige Lösungsansätze, um etwas gegen die von Ihnen beschriebene gesellschaftliche Ungerechtigkeit zu tun. 

Warum setzen wir das nicht einfach um? Die repräsentative Demokratie ist die beste Staatsform, die wir haben. Aber sie zwingt uns - zum Glück - zum Kompromiss. In Fragen der sozialen und der Steuergerechtigkeit hätten wir uns in der vergangenen Legislatur selbstverständlich bessere Lösungen vorstellen können, hatten dafür aber keine Mehrheit im Deutschen Bundestag.

Und trotzdem werbe ich weiter dafür, auch notwendige Kompromisse als den richtigen Weg anzusehen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass auch bei schwierigen Themen Kompromisse möglich sind, wenn man nur lange genug dafür kämpft und nicht aufgibt. So war beispielsweise die notwendige Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags jahrzehntelang undenkbar, wir haben trotzdem dafür gekämpft und konnten sie in der letzten Wahlperiode tatsächlich beschließen – nur um ein Beispiel dafür zu nennen, wieso sich ein langer Atem auszahlt. Wenn die Fraktionen der Mitte nicht mehr miteinander verhandeln, sondern auf populistische Kurzschlüsse setzen, verschärfen wir die Spaltung des Landes und verhindern letztlich gute Lösungen in der Sache. Das hat das Agieren der Union in der vergangenen Woche doch beispielhaft gezeigt.

Nochmals herzlichen Dank für ihre Frage und erneut beste Grüße nach Trittau!
Konstantin v. Notz

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