Frage an Konstantin von Notz von Salomon B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Abgeordneter
das Bundesverwaltungsgericht hat am 13. Oktober 2020 überraschend und gegen die Rechtsprechung der Vorinstanzen die häufig abschreckende Gebührenwirkung der Bundesministerien - hier des BMI - bestätigt (siehe: www.bverwg.de/pm/2020/57). Die Ministerien versuchen über die Gebührenregelung häufig missliebige Anfragen auf Herausgabe von Unterlagen zu unterlaufen.
Anders auf europäischer Ebene. Dort sind Auskünfte nach dem Informationsfreiheitsrecht generell gebührenfrei und tragen zu einer transparenten Verwaltung bei.
Sind Sie bereit, das IFG (und VIG und UIG) dahingehend zu ändern, dass die Gebührenregelung analog der Regelung auf europäischer Ebene und in vielen Staaten gestrichen wird?
Freundlichst,
S. B.
Sehr geehrter Herr Berkley,
haben Sie herzlichen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit und Ihre Frage. Über beides habe ich mich sehr gefreut, genauso über den Umstand, dass Sie das für mich so wichtige Transparenzthema und entsprechende Gerichtsentscheidungen auch aus der Ferne verfolgen.
Grundsätzlich kann bei Herausgabe von Abschriften auf Grundlage des derzeitigen Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) des Bundes die Erhebung einer Gebühr vollzogen werden. Die Höhe steht der Behörde bis zu 500 Euro im Ermessen, solange sie ermessensfehlerfrei gestaltet wird, d.h. dem Verwaltungsaufwand angemessen ist und nicht gegen das Abschreckungsverbot aus § 10 Abs. 2 IFG verstößt. Eine Überprüfung des Ermessens kann hier jedoch nur den Gerichten selbst zustehen. Auch wir sehen in dem von Ihnen angesprochenen § 10 Abs. 2 IFG, der Inhalt des jüngsten Urteils des Bundesverwaltungsgerichts ist, hinsichtlich der Gebührenverordnung durchaus die Möglichkeit einer abschreckenden Wirkung bis hin zu einem Hindernis.
Gerade in Transparenzfragen haben wir immer auch die Gefahr, dass der rechtliche Anspruch nicht mit der faktisch bestehenden Möglichkeit der Wahrnehmung dieses und der Rechtsdurchsetzung in Gleichklang ist. Ein Recht muss jedoch für alle Rechtsträgerinnen und -träger gleichermaßen wahrnehmbar und durchsetzbar sein. Hauptproblem ist hier das zugrunde liegende Recht an sich: War das unter rot-grün geschaffene IFG ursprünglich eine echte Erfolgsgeschichte, so wurde es auf Bundesebene nie wirklich reformiert. Heute, über 15 Jahre später, haben wir einen bestehenden, äußerst unübersichtlichen Flickenteppich verschiedenster Informationsfreiheitsgesetze im Bund und den Ländern. Im Bundestag setze ich mich seit langem für mehr Transparenz, d.h. mehr Offenheit und Nachvollziehbarkeit beim Handeln von Regierung und Verwaltung ein. Das bisher bestehende Bundes-Informationsfreiheitsgesetz muss dafür dringend weiterentwickelt werden. Wir Grüne haben hierfür unter anderem einen Antrag für ein umfassenderes Transparenzgesetz auf Bundesebene in den Bundestag eingebracht, nach dem z.B. Bundesbehörden, Ministerien und Kanzleramt amtliche Dokumente laufend im Internet veröffentlichen müssen. Damit würde die reaktive Informationspflicht von Behörden um eine aktive Veröffentlichungspflicht erweitert werden.
Zur Vermeidung einer abschreckenden Wirkungen von Gebühren für Anfragen, fordern wir hierin u.a. das IFG-Kostenrecht dahingehend zu reformieren, dass Antragsablehnungen kostenfrei gestellt werden, ein Kostenhöchstsatz von 500 Euro samt Vorgaben der nachvollziehbaren Begründung festgelegt wird – letzteres spielt in dem von Ihnen vorgebrachten Fall ja durchaus eine relevante Rolle – einheitliche Informationsbegehren nicht in Einzelanfragen aufgesplittet werden, sowie - in Anlehnung an das Umweltinformationsgesetz (UIG) - die partielle Kostenfreiheit für reguläre IFG-Anfragen zu erweitern.
Unsere umfassende Initiative finden Sie hier: https://www.gruene-bundestag.de/themen/demokratie/informationsfreiheitsgesetz-weiterentwickeln
Offene Daten haben einen ganz erheblichen Mehrwert für die Erhöhung von Transparenz, für die Ermöglichung von Beteiligung sowie für die verstärkte Legitimation politischer Entscheidungen, aber eben auch für die Wissenschaft und Forschung, oder wie hier den immer wichtiger werdenden Datenjournalismus. Dass die GroKo immer noch keinen Anlass für ein solches Transparenzgesetz, ebenso wenig wie die Notwendigkeit der Koordination der vorhandenen zersplitterten Aktivitäten sieht, ist schlicht nicht nachvollziehbar. Im internationalen Vergleich gerät Deutschland zunehmend ins Hintertreffen – auch da sie sich beharrlich weigert, die „Tromsö-Konvention“ zu unterzeichnen. Dass das bestehende Informationsfreiheitsgesetz nicht ausreicht, um eines der wichtigsten Grundrechte, Art. 5 GG, zu garantieren, sehen wir immer wieder aufs Neue. Die in der Praxis bestehenden Probleme erreichen uns häufig. Ich kann Ihnen daher versichern, dass wir uns auch weiterhin dafür einsetzen werden, dass die zum Teil deutlich höheren Standards der Regelungen auf europäischer Ebene („PSI-Richtlinie“) und die von der Bundesregierung selbst eingegangenen internationalen Verpflichtungen in Sachen Open Data und offenes Regierungshandeln (OGP: Open Government Partnership) auch in Deutschland vollumfassend umgesetzt werden.
In der Hoffnung, Ihnen meine Ansichten und unsere grünen Forderungen bezüglich der Weiterentwicklung der Informationsfreiheit und Transparenz staatlichen Handels verständlich dargelegt zu haben, verbleibe ich mit den besten Grüßen nach Tel Aviv!
Ihr
Konstantin v. Notz