Frage an Konstantin von Notz von Florian H. bezüglich Medien
Sehr geehrter Herr von Notz,
sie kritisieren Innenminister Seehofer für sein vorgehen gegen die Autorin des taz Artikels. Meine Frage betrifft die Grenze zwischen Pressefreiheit und Fragen der Menschenwürde bzw. dem Tatbestand der Beleidigung.
Mit der Wortwahl, Polizisten gehören auf die " ... Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten." ist schon starker Toback. Eine juristische Prüfung ob hier eine Beleidigung vorliegt oder nicht erscheint mir als nicht-Jurist nicht direkt abwegig.
Frage 1: Wo liegt für sie die Grenze ab der das Rechtsgut der Menschenwürde (Beleidigung) höher zu bewerten ist als das Rechtsgut der Meinungsfreiheit?
Frage 2: Wie hätten sie als Innenminister auf diesen taz Artikel reagiert?
Viele Grüße,
F. H.
Sehr geehrter Herr Hillenbrand,
haben Sie besten Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Gerne beatworte ich im Folgenden Ihre Fragen.
Lassen Sie mich zunächst unmissverständlich klarstellen: Was wir in unserer Gesellschaft benötigen, ist eine starke Polizei mit etablierter Fehlerkultur und ein respektvoller Umgang miteinander. Auch für meine Fraktion habe ich mich wiederholt gegen jeden menschenverachtenden Grundton in dieser Debatte ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund habe ich auch die jüngste TAZ-Kolumne öffentlich – übrigens lange vor dem Innenminister - kritisiert, die jedoch von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.
Meine und weitere Statements von uns Grünen finden Sie z.B. hier: https://taz.de/Reaktionen-auf-Seehofer-Ankuendigung/!5696703/ oder hier https://www.tagesschau.de/inland/seehofer-taz-anzeige-101.html. Auch gegenüber Phoenix habe ich heute in einem längeren Gespräch die Vorgänge eingeordnet: https://youtu.be/i-UUHnHuDI0. Genauso gegenüber dem ZDF: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/seehofer-anzeige-taz-verfassungsschutzbericht-100.html.
Bezüglich des von Ihnen erwähnten Artikels hat u.a. meine Kollegin Irene Mihalic in einem Leserbrief an die Taz (https://taz.de/Archiv-Suche/!5690001&SuchRahmen=Print) geschrieben:
„Niemandem, schon gar nicht den Menschen, die tagtäglich Rassismus und Diskriminierung erleiden, ist damit geholfen, wenn sich die Gräben in der Debatte noch weiter vertiefen. Was wir brauchen, ist eine kritische journalistische, aber vor allem auch politische Auseinandersetzung zu diesem gesellschaftlich relevanten und höchst aktuellen Thema. Denn in unserem Land muss sich dringend etwas ändern und das gilt auch für die Polizei und alle Sicherheitsbehörden. Hierfür müssen wir den konstruktiven Austausch suchen und Veränderungsbereitschaft wecken und fördern. Seehofers Vorgehen trägt hierzu leider wenig bei, außer zur weiteren Verschärfung der Fronten und Eskalation. Was es vielmehr braucht ist Sachlichkeit, Klarheit und Ratio. Denn seit Jahren nehmen rassistische, antisemitische und andere menschenfeindliche öffentliche Aussagen und Kommentare in unserem Land zu. Es braucht hiergegen eine klare Haltung und die Umsetzung der längst überfälligen politischen Maßnahmen. Seehofer ist als amtierender Innenminister hier in der Verantwortung, daran ändert auch eine einzelne Strafanzeige nicht."
Die Ankündigung des von Innenminister Seehofer, die Autorin der angesprochenen Taz-Artikels anzuzeigen, halte ich vor dem Hintergrund der Meinungs- und Pressefreiheit für eine bedenkliche Grenzüberschreitung. Sehr ähnlich haben sich zahlreiche Journalistenverbände und NGOs geäußert. Auch innerhalb der Bundesregierung, ja selbst im eigenen Haus, stoßen die Pläne von Horst Seehofer auf Widerstand und Ablehnung. Trotz medialer Ankündigung hat Horst Seehofer übrigens bis heute keine Strafanzeige gestellt.
Ich bleibe dabei: Auch wenn uns eine Meinung nicht gefällt oder sie in einer Weise ausgedrückt wird, die ich mir zweifellos anders wünschen würde, so verbietet es sich für einen Minister, dem auch der Schutz unserer Verfassung im Allgemeinen und Art. 5 GG im Speziellen obliegt, direkt zum schärfsten Schwert des Rechtsstaates, der strafrechtlichen Verfolgung, zu greifen. Ein solches Vorgehen kennen wir eher aus totalitären Staaten. Deutschland hingegen hat eine weltweite Vorbildfunktion mit Blick auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und den Schutz von Journalistinnen und Journalisten sowie der Pressefreiheit. Unsere Aufgabe als Politikerinnen und Politiker – und auch die von Horst Seehofer – ist es, diese hochzuhalten und uns für ihre Stärkung einzusetzen.
Genau wie die grüne Bundesvorsitzende, Annalena Baerbock, habe ich die Ausschreitungen in Stuttgart als «Ausdruck von Hass und entfesselter Gewalt», die „durch nichts zu entschuldigen“ seien, scharf verurteilt.
Mit besten Grüßen nach Röhrmoos!
Konstantin v. Notz