Frage an Konstantin von Notz von Camilla N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. von Notz,
laut einer Umfrage von abgeordnetenwatch.de aus 2019 finden 82% aus 1006 Wahlberechtigten, dass der Einfluss von Lobbyisten auf die Politik zu hoch beziehungsweise viel zu hoch ist. Finden Sie auch, dass der Einfluss von Lobbyismus zu groß ist und stellt er Ihrer Meinung nach eine Gefahr für die Demokratie dar?
Sehr geehrte Frau N.,
haben Sie besten Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an der Arbeit der grünen Bundestagsfraktion. Über beides habe ich mich sehr gefreut!
Transparenz und die Nachvollziehbarkeit von politischen Entscheidungen und Verwaltungshandeln sind die Grundlagen einer modernen demokratischen Gesellschaft. Transparenz ist kein Selbstzweck und kein Allheilmittel. Vielmehr ist Transparenz Voraussetzung für die Verständlichkeit politischen Handelns, das Vertrauen in demokratische Strukturen und effektive Mitbestimmung durch mündige BürgerInnen, sie beugt Korruption und Misswirtschaft mit öffentlichen Mitteln vor. Und nicht zuletzt dient sie dem Schutz des Einzelnen und der Allgemeinheit, etwa vor gesundheitsschädlichen Praktiken öffentlicher oder privater Unternehmen oder vor der Missachtung der Menschenrechte.
Es versteht sich von selbst, dass dabei berechtigte private und öffentliche Interessen wie der Daten- und Persönlichkeitsschutz, Geschäftsgeheimnisse und die Sicherheit geschützt werden müssen. Angesichts der gewachsenen Komplexität politischer und wirtschaftlicher Entscheidungen und Zusammenhänge ist Transparenz nötiger denn je. Denn ohne die Beleuchtung gesellschaftlicher Vorgänge im offenen Diskurs sind ausgewogene Entscheidungen ebenso wenig möglich wie öffentliche Kontrolle durch Politik und Zivilgesellschaft.
Die BürgerInnen haben das längst erkannt und fordern deswegen Transparenz ein – zu Recht! Wir Grüne betrachten das als Chance für die moderne Demokratie. Transparenz und eine starke demokratische Kontrolle waren immer Kernanliegen der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Meine Fraktion und ich setzen uns daher seit vielen Jahren für eine Erhöhung der Transparenz von politischen Entscheidungsprozessen in und außerhalb des Parlaments ein und haben hierzu immer wieder sehr konkrete Initiativen in den Deutschen Bundestag eingebracht.
Unter anderem brauchen wir, darauf weisen wir seit vielen Jahren gemeinsam mit einer engagierten Zivilgesellschaft hin, ein verbindliches, gesetzliches Lobbyregister und die Einführung des legislativen Fußabdrucks. Doch Union und SPD wollen das Problem des versteckten Lobbyismus in Deutschland weiter aussitzen. Seit Jahren ignorieren sie, welche negativen Auswirkungen die fehlende Transparenz auf die Akzeptanz unserer Demokratie hat.
Als grüne Bundestagsfraktion bleiben wir dabei: Wir brauchen klare und eindeutige Regeln für Interessensvertretung in Deutschland. Viele Vorschläge liegen seit Jahren auf dem Tisch. Insbesondere die Union muss ihren Widerstand endlich aufgeben.
Die Verbändeliste des Bundestages aus dem Jahr 1972 genügt schon lange nicht mehr den heutigen Ansprüchen der Bürgerinnen und Bürger, was die Transparenz von politischer Entscheidungsfindung angeht. Deutschland steht hier im europäischen Vergleich miserabel da. Seit Jahren fallen wir bei der Transparenz von Lobbyismus im europäischen Vergleich zurück und landen auf den hinteren Plätzen. Mit dieser Situation werden meine Fraktion und ich uns auch weiterhin nicht zufrieden geben.
Wir freuen uns, Sie an unserer Seite zu wissen.
Mit besten Grüßen nach Zwönitz!
Konstantin von Notz