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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Stephan M. •

Frage an Konstantin von Notz von Stephan M. bezüglich Frauen

Sehr geehrter Herr von Notz,

die Grünen setzen auf die neue, sogenannte geschlechtergerechte Sprache und ergreifen dafür auf Maßnahmen zurück, die der Sprachsystematik zuwiderlaufen und die meines Wissens in keinem anderen Land der Welt angewandt werden. Selbst in Mutterland des europäischen Feminismus Schweden spielen solche Ansätze damit keine Rolle.

Wir haben eine Lautsprache und unseres geschriebenes und gesprochenes Worts besteht aus Lauten. Den Genderstern und den Unterstrich kann man nicht sprechen und beim Lesen von Texten irritieren diese Zeichen, zumindest viele Menschen mit denen ich es zu tun habe, unabhängig ob Jung oder Alt. Auch sind Studenten und Studierende grammatikalisch etwas anderes, denn der Studierende ist derjenige, der gerade studiert, der Student muss das gleichwohl nicht aktiv tun.

Darüber hinaus ziehen diese Eingriffe in die Sprache bürokratische und technische Aufwände nach sich. Es gilt zu bedenken, dass man am Ende auch gendergrechten Quellcode schreiben muss, um die verwendeten Sonderzeichen im auf dem Bildschirm erscheinenden Text darstellen zu können.

Halten Sie es wirklich für sinnvoll und möglich, entgegen aller berechtigten Einwände, Gerechtigkeit auf diesem Wege zu befördern? Wäre es nicht dienlicher, mehr über Bewusstseinsbildung zu reflektieren, als mit systematikfremden Maßnahmen zu versuchen, Gerechtigkeit über bewusste Sprachveränderung zu erreichen? Sprache ist eigentlich ein lebendiges Konstrukt, dass sich sowieso verändert und keine separaten Eingriffe nötig hat.

Mit freundlichen Grüßen

S. M.

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Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr M.,

haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage und das Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Gerne erläutere ich Ihnen die Position der grünen Bundespartei zu Ihren Fragen.

Es ist richtig, dass die Grünen als Bundespartei um eine geschlechtergerechte Sprache bemüht sind. So gibt es entsprechende Parteitagsbeschlüsse, die auf die Bedeutung hinweisen und entsprechende Vorgaben machen. Ich selbst versuche mich bestmöglich daran zu halten, gebe Ihnen aber Recht, dass hier und da die Lesbar- und Verständlichkeit von Texten leidet.

Als Grüne verwenden wir dennoch eine geschlechtergerechte Sprache, weil Sprache durch ihren großen Einfluss auf unser Denken und unsere Wahrnehmung die Gesellschaft mit formt. Wer nur von „Ärzten“, „Anwälten“ und „Experten“ spricht, fördert indirekt die Vorstellung, nur Männer seien gemeint. Das kann in Perzeptionsstudien nachgewiesen werden. Mit einer solchen Sprachwahl wird entsprechend auch das Denken über Geschlechter nachhaltig bestimmt.

Ihren Ausführungen, dass geschlechtergerechte Sprache per se der Sprachsystematik zuwiderläuft teile ich in dieser Absolutheit ausdrücklich nicht – zumal Sprache nichts in Stein Gemeißeltes ist, sondern sich stetig wandelt, worauf Sie ja selbst zurecht hinweisen. Entsprechende Diskussionen werden übrigens weltweit in zahlreichen Ländern geführt.

Auch, dass mit der Verwendung geschlechtergerechter Sprache automatisch bürokratische und technische Aufwände verbunden sind, sehe ich ehrlich gesagt nicht. Schließlich wird ja niemand gezwungen, eine geschlechtergerechte Sprache zu verwenden.

Zu Ihrer Frage, ob es nicht zielführender wäre, statt auf geschlechtergerechte Sprache lieber auf anderen Wegen für mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit zu sorgen, sei angemerkt, dass das eine das andere ja keineswegs ausschließt und wir als Grüne eben beides tun.

Mit besten Grüßen nach Karlsruhe!
Konstantin v. Notz

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