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Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Dr.Dietrich S. •

Frage an Konstantin von Notz von Dr.Dietrich S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Fragen zum UN-Migrationspakt:

1)Glauben Sie, dass nach Unterzeichnung des Migrationspaktes eher mehr oder eher weniger Migranten nach Deutschland streben?

2)Der Pakt ist nicht rechtsverbindlich, Deutschland behält seine nationale Souveränität. Glauben Sie, dass andere Staaten das anders sehen und sich durch den Pakt gebunden sehen und Hilfeleistungen für Migranten so erhöhen, dass sie nicht mehr nach D, sondern in andere (ihre) Länder streben?

3)Es gab eine Petition gegen die Unterzeichnung des Migrationpaktes. Diese wurde ausgesetzt wegen Störung des "interkulturellen Dialogs". Am 21.November wurde die Petition wieder freigegeben, Frist bis 19.Dezember. Anschließend sollte sich der Petitionsausschuss des Bundestags damit befassen. Die Unterzeichnung des Paktes soll aber bereits am 10. Dezember stattfinden. Was glauben Sie, wie sich ein Bürger fühlt, wenn er so zum Narren gehalten wird?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,

haben Sie besten Dank für Ihre Frage und das Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut!
Im Dezember 2018 soll auf einer Konferenz der Vereinten Nationen in Marrakesch der „Globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“ angenommen werden. Die grüne Bundestagfraktion begrüßt den UN-Migrationspakt. Denn es ist der erste Versuch überhaupt, sich innerhalb der Vereinten Nationen im Umgang mit Migrationsprozessen auf ein gemeinsames internationales Regelwerk zu verständigen. Ziel ist es, irreguläre Migration durch verbesserte internationale Zusammenarbeit in geordnete und reguläre Bahnen zu lenken.

Der UN-Migrationspakt hat insbesondere fünf inhaltliche Anliegen:

* Fluchtursachenbekämpfung
* Stärkung sicherer, geordneter und regulärer Einwanderungswege
* Grenzüberschreitende Bekämpfung von Menschenschmuggel und –handel
* Verbesserte Kooperation im Grenzmanagement
* Stärkung und Schutz der Rechte von Migrant*innen (insbesondere von Kindern und Frauen)

Hierzu enthält der Migrationspakt eine Vielzahl von Selbstverpflichtungen der Staaten. Er betont die Einhaltung der völkerrechtlichen und insbesondere der menschenrechtlichen Verpflichtungen – etwa die der Genfer Flüchtlingskonvention oder der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte.

Grundlage des Paktes ist die Erkenntnis der Weltgemeinschaft aus der Flüchtlingssituation der Jahre 2014-2016: Kein Land der Erde kann solche Herausforderungen allein und nur für sich rein national bewältigen. Dies kann in Zeiten der Globalisierung nur im Zusammenwirken mit anderen Staaten gelingen. Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen unterstützt diesen kooperativen und verantwortlichen multilateralen Ansatz. Der Migrationspakt kann seine Wirkung nur entfalten, wenn er auch umgesetzt wird. Dafür setzen wir uns ein.
Deutschland sollte auch international eine führende und verlässliche Rolle bei der Implementierung des Migrationspaktes einnehmen. Denn nur wenn weltweit alle zusammenwirken, kann ein sinnvoller globaler Rahmen für Migration gelingen. Es ist auch im originären Interesse Deutschlands, technische, finanzielle und personelle Ressourcen bereitzustellen, um andere Länder bei der Verankerung einer Einwanderungs- & Integrationspolitik zu unterstützen, die dem Pakt gerecht wird.

Seit Monaten wird der Pakt mit bewusster Falschinformation, unbegründeter Angstmache und bewussten Falschinformationen verunglimpft. Es war ein Kardinalfehler der Bundesregierung, die Öffentlichkeit nicht rechtzeitig sachlich und transparent über den Migrationspakt zu informieren.

Es wird behauptet, der Migrationspakt würde die Souveränität der einzelnen Staaten einschränken und mit ihm würde ein Recht auf Migration eingeführt. Beides ist dezidiert falsch. Durch den UN-Migrationspakt wird kein „Recht auf Migration“ begründet. Es werden vielmehr Rechte von Migranten auf Schutz ihrer Menschenwürde bekräftigt, die längst in anderen UN-Dokumenten enthalten oder die längst Teil unserer Verfassungsordnung sind.
Auch ist die Wahrung nationaler Souveränität zentrales Leitprinzip des Migrationspakts: So bekräftigt er ausdrücklich „das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie ihr Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsbereichs in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln“. Der Migrationspakt selbst ist kein völkerrechtlicher Vertrag.

Die AfD im Bundestag marschiert einmal mehr politisch Seite an Seite mit rechtsextremistischen Verschwörungstheoretikern. Diese phantasieren über den UN-Migrationspakt als Teil eines angeblichen Generalplans zum „globalen Bevölkerungsaustausch“.

Es ist wirklich absurd: Gerade die politischen Kräfte, für die das Schüren von Ängsten vor „irregulärer Migration“ das Hauptgeschäftsmodell ist, bekämpfen nun also ein internationales Regelwerk, das Migration sicherer, geordneter und regulärer gestalten will. Deutlich wird einmal mehr: Es geht der AfD nur um Panikmache - und nicht um sachorientierte Lösungen.
Zur Ihren drei Fragen nur so viel: Aussagen darüber, wie viele Menschen zukünftig in Deutschland Asyl beantragen, sind natürlich insgesamt nur sehr schwer zu treffen. Die Anzahl der Schutzsuchenden steigt und fällt vor allem mit kriegerischen Auseinandersetzungen und anderen Fluchtursachen, nicht etwa dadurch, dass ein Pakt auf UN-Ebene geschlossen wird. Zur Rechtsverbindlichkeit des Pakts hatte ich ja bereits einiges geschrieben. Ich glaube im Übrigen nicht, dass andere Staaten nicht in der Lage sind, die Verbindlichkeit des Paktes richtig zu interpretieren. Ich gehe davon aus, dass die Staaten, die den Pakt unterzeichnen, sich auch an die dort vereinbarten Verpflichtungen halten, Aussagen darüber, welche Auswirkungen dies auf die Anzahl von Menschen, die bei uns Asyl beantragen, haben wird, halte ich zum heutige Zeitpunkt für spekulativ. Zu ihrer dritten Frage: Ich selbst bin nicht Mitglied des Petitionsausschusses. Daher kann ich zu den Gründen der (Nicht-)Annahme und Anerkennung der Zulässigkeit einzelner Petitionen auch wenig sagen. Ihre Verwunderung angesichts der zeitlichen Abläufe werde ich gerne noch einmal an meine Kolleginnen und Kollegen im Petitionsausschuss weitergeben.

Unser aktuellen Antrag zur Umsetzung des Global Compact for Migration finden Sie hier: http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/055/1905547.pdf

Mit besten Grüßen nach Dieburg!
Konstantin v. Notz

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