Frage an Konstantin von Notz von Dr. Lienhard W. bezüglich Recht
Fachleute sagen, um organisierte Kriminalität, z. B. von arabischen Clans in Berlin, zu bekämpfen: „Wir brauchen eine BEWEISLASTUMKEHR, wie in Italien. Dort müssen nicht die Ermittler nachweisen, dass das Geld aus illegalen Geschäften stammt, sondern der Verdächtige, dass es aus legalen Quellen kommt.“
Die große Koalition von CDU/CSU und SPD konnte sich nicht dazu durchringen, beim Aufspüren kriminell erworbener Vermögen die Beweislastumkehr einzuführen. Wie stehen Sie als Mitglied des Innenausschusses zu diesem Thema?
Sehr geehrter Herr W.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage und Ihr Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut. Für uns ist ganz klar: Verbrechen darf sich nicht lohnen. Gleichzeitig dürfen wir in der Verbrechensbekämpfung und der Strafverfolgung unseren Rechtsstaat nicht schleifen.
Seit Juli 2017 kann Vermögen, ähnlich wie in Italien, auch ohne vorherige Verurteilung eingezogen werden. Wir haben gegen diese Regelung gestimmt. Lassen Sie mich Ihnen erläutern, warum:
Diese in der italienischen Mafia-Bekämpfung erfolgreiche Regelung mag erst einmal gut klingen, weil sie ja vor allem der Abschöpfung von kriminellem Vermögen dienen soll. Wenn aber nun die Vermögensabschöpfung auch ohne vorherige Verurteilung erfolgen kann, so gilt das eben nicht nur für die Organisierte Kriminalität, sondern eben für alle. Sie führt faktisch zu einer Beweislastumkehr zulasten des Betroffenen. Das heißt auch, sie verstößt gegen die Unschuldsvermutung.
Diese ist aber ein zentrales Prinzip unserer Rechtsstaatlichkeit und als solches in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, der Europäischen Grundrechtecharta und nicht zuletzt im Rechtsstaatsprinzip unseres Grundgesetzes verankert. Danach ist jeder so lange als unschuldig anzusehen, bis er rechtskräftig verurteilt worden ist.
Wir sind der Meinung, dass das aus Verbrechen Erlangte auf rechtsstaatlich zweifelsfreier Grundlage wirksamer, als das früher möglich war, eingezogen werden können muss, u.a. auch, um Geschädigte rasch entschädigen zu können. Dies erreicht man aber nicht durch das Schaffen einer verfassungswidrigen Regelung, sondern durch deutliche Verbesserungen bei der personellen und sächlichen Ausstattung der Justiz, insbesondere mit Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern. Die zivilgesellschaftliche Umnutzung eingezogener Vermögen, z.B. für die Arbeit von NGOs, sollte endlich ermöglicht werden.
Aber kann es nicht sein, doloses Vermögen oder Vermögen unklarer Herkunft auf Grundlage verfassungswidriger Gesetze einzuziehen. Zu guter Gesetzgebung gehört, rechtsstaatlich einwandfreie Lösungen zu erarbeiten. Wenn wir anfangen – gerade im Strafrecht – rote Linien zu überschreiten, dann ist das aus rechtsstaatlicher Perspektive gefährlich. Das Austesten der Verfassungsmäßigkeit einer Regelung ist das Gegenteil guter Gesetzgebung.
Mit besten Grüßen nach Berlin!
Konstantin v. Notz