Portrait von Konstantin von Notz
Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen
93 %
140 / 151 Fragen beantwortet
Frage von Michael T. •

Frage an Konstantin von Notz von Michael T. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Dr. von Notz,

in BT Drucksache 18/9674 vom 21.09.2016 schlagen Sie der Bundesregierung ein Verbot von halbautomatischen Waffen sowie Großkaliberwaffen vor. Wie planen Sie im Falle der Inkrafttretung die legalen Besitzer (Jäger, Sportschützen, Sammler) zu entschädigen?

Gemäß BT Drucksache 18/723, 06.03.2014, befinden sich deutschlandweit 647.584 halbautomatische Schusswaffen in legalem, privatem Besitz. Insgesamt sind es laut gleicher Quelle 5.451.000 Schusswaffen in legalem, privatem Besitz, wovon ein wesentlicher Teil als Großkaliber einzuordnen wäre.

Diese Waffen kosten je nach Modell mehrere Tausend Euro pro Stück, nicht eingerechnet spezifisches Zubehör wie Zielfernrohre oder Magazine. Wir sprechen also von einem Sachwert von mehreren zig Millionen bis zu einigen Millarden Euro.

Gemäß §14 Absatz 3 GG ist eine Enteignung im allgemeinen Interesse zwar zulässig, aber nur gegen entsprechende Entschädigung. In welcher Form ist eine (finanzielle) Entschädigung für Altbesitzer von Ihnen geplant und aus welchem Budget wollen Sie dies finanzieren? Wie ist Ihre Forderung mit dem Grundgesetz vereinbar?

Vielen Dank im Voraus, mit besten Grüßen
Michael Thoma

Portrait von Konstantin von Notz
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Thoma,

haben Sie vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich leider nun erst zu antworten komme. Dafür kann ich Ihnen mittlerweile konkreter antworten, da der von Ihnen kritisierte Vorschlag der EU-Kommission Ende des vergangenen Jahres in einem Kompromiss mit dem Europäischen Rat überarbeitet wurde. Ende Januar hat nun auch der zuständige Binnenmarkt-Ausschuss des Europaparlaments zugestimmt.

Meiner Meinung nach wurden dabei leider die sehr berechtigten und verhältnismäßige Verschärfung und Systematisierung des Waffenrechts in der EU nach Druck von Interessenverbänden wieder durch den Europäischen Rat aufgeweicht. Dies ist umso unverständlicher, als mehrere terroristische Anschläge, aber auch zahlreiche andere Gewaltverbrechen sowie leider ganz alltägliche Verstöße gegen das Waffenrecht die Dimension und Dringlichkeit des Problems aufgezeigt haben.

Hintergrund Ihres Anschreibens ist die seitens der Europäischen Kommission anvisierte Änderung der Richtlinie 91/477/EWG des Rates vom 18. Juni 1991 über die Kontrolle des Erwerbs und des Besitzes von Waffen (Feuerwaffenrichtlinie). Diese Richtlinie wurde damals zur Erleichterung des freien Warenverkehrs, aber eben auch mit dem Ziel, gemeinsame Sicherheitsstandards zu schaffen, verabschiedet. Die Feuerwaffenrichtlinie wurde durch die Änderungsrichtlinie 2008/51/EG des Europäischen Parlaments (EP) und des Rates nochmals geändert. Die Änderungen resultierten vor allem aus dem Schusswaffenprotokoll der Vereinten Nationen, das 2002 von der Kommission im Namen der EU ausgehandelt und unterzeichnet wurde.

Die Kommission gab eine externe Bewertungsstudie zur Evaluierung der Richtlinie in Auftrag, deren Abschlussbericht im Januar 2015 vorgelegt wurde. Nach dieser umfassenden Studie sind verschiedene Änderungen aus Gründen der Sicherheit dringend notwendig – auch die von Ihnen genannten Änderungen, die wir mit unserem damaligen Antrag unterstützten. Dazu gehörte ein Verbot für Privatpersonen zur Nutzung halbautomatischer Schusswaffen, wohlgemerkt wenn diese nach objektiven Kriterien besonders gefährlich sind (Anzahl der Selbstladungen, Beschaffenheit des Laufs, Kaliber, Magazinkapazität).

Insofern stimmten die von Ihnen genannten Zahlen schon seinerzeit nicht – denn nicht jede halbautomatische Waffe fällt hierunter. Wie Sie zudem der Zusammenfassung der Europäischen Kommission ( vgl. https://ec.europa.eu/germany/news/fragen-und-antworten-zur-versch%C3%A4rften-kontrolle-von-feuerwaffen-der-eu_de ) entnehmen können, sollte auch damals bereits der Besitz von halbautomatischen Waffen für die Jagd oder den Schießsport Privatpersonen weiterhin mit Genehmigung erlaubt sein. Zwischenzeitlich wurden diese Pläne ja durch den Kompromiss mit dem Europäischen Rat weiter aufgeweicht (erfasste Waffenarten sowie Kaliberbegrenzung).

In jedem Falle ist der nationale Gesetzgeber wie von Ihnen gefordert gehalten, solche Verbote sodann gesetzes(grundgesetzes)konform umzusetzen. Dies hat die Bundesrepublik Deutschland bislang in ähnlichen Konstellationen auch im Wege des § 58 WaffG, also durch die Schaffung von Übergangsfristen ausgestaltet. Damit wurde dem „Altbesitzer“ die Möglichkeit verschafft, soweit möglich eine „neue“ Erlaubnis zu beantragen oder auf andere Weise, etwa durch Überlassen an einen Berechtigten oder Unbrauchbarmachung, einen rechtmäßigen Zustand herbeizuführen.

Insbesondere hat das zuständige, höchste Gericht, das Bundesverwaltungsgericht, im Rahmen der gebotenen Abwägung dem Vertrauensschutzinteresse der Betroffenen kein höheres Gewicht eingeräumt als dem Wohl der Allgemeinheit (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 16. Mai 2007 - 6 C 24.06 -, juris Rz. 62 und Rz. 64 m.w.N.).

Zu Recht weisen die Verwaltungsgerichte vielmehr in ständiger Rechtsprechung darauf hin, dass das Waffenrecht den „hochgradig sicherheitsrelevanten Bereich des Besitzes gefährlicher Gegenstände“ betrifft. Daher sind auch solche gesetzlichen Regelungen keine über die Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums durch das Waffengesetz hinausgehende unzulässige Enteignung. Denn hierin liegt schon kein staatlicher Zugriff auf das Eigentum im Sinne einer vollständigen oder zumindest teilweisen Entziehung einer konkreten subjektiven Rechtsposition, die durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistet wird (Bonner Kommentar, GG, Kommentar, Art. 14 Rz. 349 m.w.N.).

Denn angesichts der von solchen Waffen ausgehenden Gefahren überschreiten derartige Einschränkungen regelmäßig nicht die Grenzen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. April 1998 - 1 B 230/97 -, juris Rz. 5, und Urteil vom 6. Dezember 1978 - I C 37.77 -, juris Rz. 15).

Vor diesem Hintergrund steht es Ihnen selbstverständlich frei, bei entsprechender Gesetzesänderung Ihre Rechtsauffassung einer „Enteignung“ durch die Verwaltungsgerichte überprüfen zu lassen. Auch angesichts der jüngsten bewaffneten Gewaltverbrechen bleibe ich jedoch dabei: So wichtig rechtsfeste Gesetze und deren praktikable Umsetzung hier auch sind – hochgefährliche Schusswaffen (mit entsprechenden Grau- und Schwarzmärkten) müssen streng reguliert und im Zweifel auch verboten werden. Für Schützensport und Jagdtradition gibt es andere Möglichkeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Konstantin von Notz

Was möchten Sie wissen von:
Portrait von Konstantin von Notz
Konstantin von Notz
Bündnis 90/Die Grünen