Frage an Konstantin von Notz von Volker W. bezüglich Verkehr
Guten Tag,
- wie wird ernsthaft sichergestellt, das die Mautgebühren nicht die Kfz Steuer übersteigen, wenn z.B. die Steuer (für meinen Renault Twingo) ca. 25 € beträgt, die Maut jedoch ca. 100 € betragen soll?
- wie bewerten Sie die Effizienz der entsprechenden Verwaltung?
- wie rechtfertigen Sie den wahrscheinlich geringen Wirkungsgrad von Aufwand und Ertrag?
- ist geplant, ähnlich wie in Frankreich, einen mautfreien Ring um Metropolen zu realisieren?
- wie wollen Sie den vermutlich starken Pendelverkehr auf den Kreisstrassen Herr werden?
- werden die öffentlichen Verkehrsmittel weiter ausgebaut?
Vielen Dank für Ihre Stellungnahme.
Mit freundlichem Gruß
Volker Wünkhaus
Sehr geehrter Herr Wünkhaus,
haben Sie herzlichen Dank für Ihr Interesse an meiner Arbeit als schleswig-holsteinischer Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen und Ihre Frage zur Maut, die ich nach Rücksprache mit meinen fachlich zuständigen Fraktionskollegen sehr gerne beantworte.
Die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt bisher präsentierten - wenig präzisen - Pläne für die Einführung einer Pkw-Maut für ausländische Fahrzeughalter auf allen Straßen ab 2016 lehnen wir Grüne auch weiterhin entschieden ab. Noch handelt es sich dabei entgegen aller lauten Ankündigungen der CSU um alles andere als einen fertigen Gesetzentwurf, sondern lediglich um nicht weiter abgestimmte Eckpunkte, die sich jeden Tag, folgt man der Presse, noch grundlegend zu verändern scheinen. Daher ist es an dieser Stelle auch nicht ganz leicht, auf Ihre doch sehr konkreten Fragen einzugehen. Dennoch will ich es gerne versuchen.
Schon heute ist nach einer monatelangen Diskussion absehbar: Die schwarz-rote Koalition ist dabei, ein wahres Bürokratiemonster zu schaffen. Die Maut-Pläne, die vor allem ausländische Nutzerinnen und Nutzer deutscher Straßen treffen sollen, sind zudem zutiefst ungerecht, ökonomischer Murks und europapolitisch schädlich. Das sehen ja mittlerweile auch mehrere Landesverbände von SPD und CDU so, die gegen die Mautpläne des eigenen Ministers rebellieren. Leider ist von Kanzlerin Merkel, die im Wahlkampf noch versprach, dass es mit ihr keine Maut geben wird, derzeit wenig zu hören. Bezüglich einer geplanten Befreiung von Metrolpolregionen ist bislang nichts bekannt. Sie wird aller Voraussicht nach nicht kommen. Auch ist bislang nicht vorgesehen, die durch die Maut eventuell generierten zusätzlichen Mittel für den Verkehrsetat vor allem in den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs zu stecken.
Drei Punkte an den bisherigen Maut-Plänen sind aus unserer Sicht zudem besonders kritikwürdig:
1. Das CSU-Modell einer Infrastrukturabgabe, bei dem inländische Fahrzeughalter über den Umweg einer reduzierten Kfz-Steuer nachträglich faktisch befreit werden, ist absehbar nicht EU-rechtskonform. Es ist zu erwarten, dass unsere Nachbarn gegen eine solche Pkw-Maut letztlich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) klagen werden. Dies haben sie angekündigt. Auch die Europäische Kommission hat in den letzten Monaten immer wieder Zweifel an der EU-Rechts-Konformität der Dobrindt-Pläne geäußert.
2. Die Dobrindt-Maut schafft faktisch neue Grenzen in Europa, denn sie wird insbesondere die vielen „kleinen Grenzverkehre“ massiv beeinträchtigen. Der Abbau nationaler Grenzen hat in den vergangenen 20 Jahren die Lebensqualität und Wirtschaftsleistung gerade in den Grenzregionen jedoch stark erhöht - Europa wächst dort zusammen. Diese positive Entwicklung würde die CSU-Maut ohne Not zurückdrehen, nur um die bayrische CSU-Klientel zu bedienen.
3. Die Dobrindt-Maut wird einen riesigen Finanzmechanismus in Gang setzen. Doch weil am Ende selbst nach Rechnung des Bundesverkehrsministers allenfalls rund 600 Mio. Euro Mehreinnahmen für den Verkehrsetat aufkommen, stehen Aufwand für Bürokratie und Kontrolle und Ertrag in einem absurden Missverhältnis (vor allem angesichts der gewaltigen Finanzierungslücke im Verkehrsbereich).
Wir Grünen werden die Debatte um die CSU-Maut auch weiterhin sehr kritisch begleiten. Zusammen mit der Fraktion Die Linke haben wir im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestags eine Anhörung durchgesetzt. Dort wird Minister Dobrindt am 8. Oktober 2014 Rede und Antwort stehen müssen. Auf seine Ausführungen sind wir mehr als gespannt. Über die Ergebnisse der Anhörung werden wir auf www.gruene-bundestag.de berichten.
Wir Grünen fordern angesichts des zunehmend kritischen Zustands der Verkehrsinfrastruktur, dass die Bundesregierung ihre bisherige Verkehrspolitik endlich grundlegend überdenkt, statt sie mit der Debatte um eine Pkw-Maut noch länger lahmzulegen:
- Im Rahmen einer Priorisierung der vorhandenen Haushaltsmittel und bei der Aufstellung den Bundesverkehrswegeplans (BVWP) 2015 muss sie den Grundsatz „Erhalt vor Neubau“ tatsächlich umsetzen. Dies hatte bereits Ex-Verkehrsminister Ramsauer (ebenfalls CSU) angekündigt, geschehen ist hier jedoch noch nichts. Stattdessen werden weiter Listen mit zahlreichen - aus heutiger Sicht nicht realisierbaren - Verkehrsprojekten vorgelegt, die an eine „Wünsch-Dir-Was-Politik“ erinnern, aber nichts mit einer an ökonomischen Realitäten orientierten Verkehrspolitik zu tun haben.
- An erster Stelle muss eine Ausweitung und Erhöhung der Lkw-Maut erfolgen. Hierdurch würde man den Ausweichverkehren auf den Kreisstraßen besser Herr werden. Alleine eine Ausweitung auf die Bundesstraßen brächte bis zu 2,3 Milliarden Euro Zusatzeinnahmen und das bei erheblich geringerem Aufwand als bei der sogenannten Dobrindt-Maut. Durch LKW werden 98 Prozent der Straßenschäden verursacht.
- Deutschland muss sich für eine umfassende Berücksichtigung von Umweltbelastungen (externen Umweltkosten) aus dem Straßenverkehr bei der Mauterhebung einsetzen, auch und vor allem auf EU-Ebene. Hier muss das Verursacherprinzip gelten.
Ich hoffe, sehr geehrter Herr Wünkhaus, einige Ihrer Fragen beantwortet zu haben. Wie gesagt, nach der Anhörung des Verkehrsausschusses in gut zwei Wochen wissen wir hoffentlich alle mehr.
Herzliche Grüße nach Kuddewörde im schönen Herzogtum Lauenburg!
Ihr Konstantin Notz