Frage an Konstantin von Notz von Georg N. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr von Notz,
ich habe einige Fragen zum Thema Integrationspolitik:
Herr Kılıç ist ja nun nicht mehr im Bundestag vertreten. Welcher Abgeordneter ist denn nun Sprecher für Migrations- und Integrationspolitik bei der grünen Bundestagsfraktion? Auf der Webseite, auf der alle grünen Bundestagsabgeordneten mit ihren Zuständigkeiten aufgelistet sind taucht das Wort "Integration" gar nicht auf. Beschäftigen sich die Grünen gar nicht mehr mit Integrationspolitik?
http://www.gruene-bundestag.de/fraktion/abgeordnete_ID_4389869.html
Meine zweite Frage gilt den Integrationskursen, die bekanntlich von Rot-Grün eingeführt wurden. Erst vorgestern war wieder ein Bericht über die Integrationskurse im Flensburger Tageblatt unter der Überschrift: "Staatliches Lohn-Dumping in der VHS. Volkshochschuldozenten in gesetzlich vorgeschriebenen Integrationskursen klagen über prekäre Arbeitsverhältnisse im Namen des Bundes: 900 Euro für Vollzeit-Lehrerjobs."
http://www.shz.de/lokales/flensburger-tageblatt/staatliches-lohn-dumping-in-der-vhs-id5864301.html
Meine Fragen:
1. Was halten Sie davon, dass bei dem Bedarf, der für die Integrationskurse errechnet wird, gar nicht zu Grunde gelegt wird, wie viele Lehrkräfte davon bezahlt werden sollen? Diese Zahl ist dem BAMF nämlich gar nicht bekannt.
2. Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der schlechten Bezahlung der Lehrkräfte und der schlechten Qualität der Integrationskurse?
3. Was halten Sie von dem Vorschlag des Rates für Migration, die Integrationspolitik nicht mehr vom BMI, sondern vom BMAS machen zu lassen?
4. Glauben Sie, dass das BAMF als Behörde besonders gut geeignet ist, um Bildungspolitik für MigrantInnen zu organisieren?
5. Ihre Partei hat beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages Studien über die Scheinselbstständigkeit der Lehrkräfte erstellen lassen. Könnten Sie mir diese Studien bitte zuschicken, damit ich daraus zitieren kann?
Mit freundlichen Grüßen
Georg Niedermüller
Sehr geehrter Herr Niedermüller,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Fragen zum Thema Integrationspolitik, die ich im Folgenden gerne beantworten will. Bitte verzeihen Sie zunächst, dass ich erst heute dazu komme, Ihnen zu antworten.
Wie Sie selbst schreiben gehört mein Kollege Memet Kilic dem 18. Deutschen Bundestag leider nicht mehr an, was ich sehr bedaure. Gleiches gilt für meinen Kollegen Josef Winkler. Selbstverständlich bedeutet das Ausscheiden der beiden aber keineswegs, dass sich die Grüne Bundestagsfraktion nicht mehr mit den Themen Integrations- und Flüchtlingspolitik beschäftigt. Vielmehr ist das Gegenteil richtig: Mit Luise Amtsberg und Volker Beck bearbeiten im Arbeitskreis III der grünen Bundestagsfraktion zwei sehr erfahrene Parlamentarier das Themenfeld gemeinsam mit unseren Kollegen aus dem Arbeitskreis IV (Internationale Politik und Menschenrechte).
Als grüne Fraktion haben wir bereits in den ersten Wochen der Legislaturperiode erste Fachgespräche veranstaltet und verschiedene Initiativen ins parlamentarische Verfahren eingespeist. Eine Übersicht unserer vielfältigen Aktivitäten finden Sie auf den Seiten der grünen Bundestagsfraktion unter dem Suchwort „Integration & Flüchtlingspolitik“.
Bezüglich Ihrer Fragen zu den Integrationskursen insgesamt: Auch wir sehen das jetzige Vorgehen der Bundesregierung als höchst problematisch an und haben dies sowohl im Parlament selbst, zum Beispiel in den hierzu während der letzten parlamentarischen (Haushalts-)Woche gehaltenen Reden als auch in verschiedenen parlamentarischen Initiativen bereits thematisiert. So hat mein Kollege Volker Beck das aus unserer Sicht nicht hinnehmbare Vorgehen der Großen Koalition in seiner Rede zum „Haushaltsplan Innen“ scharf kritisiert. Zudem haben wir eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, die einen umfangreichen Fragenkatalog zu dem Komplex beinhaltet.
Zu ihren sehr konkreten Fragen, die ich nach besten Wissen beantwortet habe, Sie aber gleichzeitig bitten würde, bezüglich weitergehender Informationen noch einmal an meine fachpolitisch zuständigen KollegInnen zu wenden:
zu 1: Grundsätzlich sehen wir einen dringenden Bedarf, die Mittel für die Integrationskurse aufzustocken, einerseits um sie auch für andere Gruppen zugänglich zu machen (Asylbewerber, Geduldete, Unionsbürger), die bislang keinen oder nur einen nachrangigen Zugang zu den Kursen haben, andererseits aber auch, um die Vergütungssituation für die Lehrkräfte zu verbessern. Dass die Bundesregierung bei den Mitteln kürzt, haben wir immer wieder scharf kritisiert – zuletzt in den bereits erwähnten Haushaltsreden in der letzten parlamentarischen Sitzungswoche.
zu 2: Natürlich fördert eine gute Bezahlung auch die Motivation der Lehrkräfte und hat damit wiederrum direkte Auswirkungen auf die Qualität der Integrationskurse.
zu 3: Die Diskussion um die Verortung der Integrationspolitik auf Ministeriumsebene ist ja durchaus nicht neu. In einzelnen Bundesländern, darunter auch welche, in denen wir Grüne mitregieren, ist die Forderung nach einer Trennung, die unter anderem vom Rat für Migration erhoben wird, ja bereits umgesetzt, so zum Beispiel in Rheinland-Pfalz. Aus unserer Sicht hat diese Forderung, an die u.a. im Zuge der Koalitionsverhandlungen von über sechzig Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen in einem offenen Brief erinnert wurde, durchaus ihre Berechtigung. Als Grüne Bundestagsfraktion haben wir bezüglich der Forderung bereits vor langer Zeit erklärt, dass auch wir den Bedarf, die Zuständigkeit für Integrations- und Einwanderungspolitik innerhalb der Bundesregierung neu zu strukturieren, erkennen. Die bisherigen Strukturen führen zu häufig dazu, dass eine nachhaltige Integrationspolitik blockiert wird. Eine Ursache dafür ist ein noch immer viel zu häufig anzutreffendes Verständnis, wonach es sich beim Ausländerrecht primär um Ordnungsrecht handelt. Ein Ressortwechsel könnte unseres Erachtens das Ziel eines Perspektivenwechsels in Richtung Teilhabe und Chancengleichheit befördern.
zu 4: Zunächst bleibt festzuhalten, dass das BAMF nach meinem Kenntnisstand nicht generell die Bildungspolitik für Migranten organisiert, sondern lediglich Kurse in bestimmten Bereichen anbietet. Dafür ist es nicht von vornherein ungeeignet - was nicht heißt, dass man an der bisherigen Arbeit nicht viel kritisieren kann. So haben wir in der Vergangenheit unter anderem darauf hingewiesen, dass die BAMF-Entscheidungen oftmals auf keinen fundierten empirischen Belegen basierten, sondern häufig nach offensichtlich politischen, intransparenten Kriterien getroffen wurden. Dies Problem wurde beispielsweise im Zuge der Diskussion um Sanktionsmöglichkeiten bei der Nicht-Teilnahme an Integrationskursen deutlich. Hier lagen dem BAMF, das haben entsprechende parlamentarische Nachfragen ergeben, keine genauen Zahlen vor. Die Anzahl vermeintlicher Integrationskursabbrecher wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vielmehr nur grob geschätzt. Wie viele Eingewanderte sich ihrer Teilnahmepflicht aus welchen Gründen entziehen, wurde dagegen nicht erfasst. In jüngster Zeit haben wir unter anderem den Einsatz von Bundeswehrangehörigen innerhalb des Bundesamts kritisiert, der vom Bundesinnenministerium durch „vielfältige Bemühungen, dem aus dem starken Anstieg der Asylbewerberzahlen resultierenden Anstieg der Bearbeitungszeiten der Asylverfahren“ Herr zu werden, begründet wird. Bezüglich genauerer Informationen bitte ich Sie, sich an die oben genannten Fachabgeordneten zu wenden.
zu 5: Die von Ihnen erwähnte Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes ist mir persönlich nicht bekannt. Gerne informiere ich mich aber noch einmal bei meinen zuständigen Fachkollegen. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich noch einmal an konstantin.notz@bundestag.de. Ich lasse Ihnen die Ausarbeitung dann gerne zukommen.
Herzliche Grüße nach Essen
Ihr Konstantin Notz