Frage an Konstantin von Notz von Philipp K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Notz,
mich würde interessieren, wie Sie als Mitglied der "Enquête-Kommission Internet und digitale Gesellschaft" die Möglichkeiten (zukünftiger politischer) Online-Partizipation für den Bürgern beurteilen? Wie finden Sie beispielsweise die "direkte Kommunikation" über abgeordnetenwatch.de?
Vielen Dank für Ihre Zeit.
Mit freundlichen Grüßen,
Philipp Korting
Sehr geehrter Herr Korting,
haben Sie herzlichen Dank für Ihre Frage vom 1. November 2011 und Ihr Interesse an meiner Arbeit. Über beides habe ich mich sehr gefreut.
Gerade im Rahmen der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, die sich ein Stück weit auch als Versuchslabor eines "Parlaments der Zukunft" versteht und sich vor diesem Hintergrund immer wieder für viel Transparenz und eine möglichst weitgehende Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger eingesetzt hat, machen wir derzeit wirklich interessante Erfahrungen, was die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an politischen Prozessen angeht, die ich Ihnen im Folgenden gerne schildere.
Jede Sitzung und Anhörung der Enquete-Kommission wird live gestreamt. Die zu bearbeitenden Texte werden vorab in einem Blog www.enquetebeteiligung.de mit Hilfe des Online-Tools Adhocracy online zu Diskussion gestellt und können dort kommentiert werden. Darüber hinaus können interessierte Bürgerinnen und Bürger eigene Themen-Vorschläge unterbreiten, die dann von den Projektgruppen aufgenommen werden können. Während Sachverständigen-Anhörungen können Bürgerinnen und Bürger auch eigene Fragen an die Sachverständigen richten, die dann live vorgelesen und ad hoc durch die anwesenden Sachverständigen und MdBs beantwortet werden. Im Rahmen der Projektgruppe „Demokratie und Staat“ ( http://www.bundestag.de/internetenquete/dokumentation/Demokratie_und_Staat/PGDUS_2011-09-26/Demokratie_Bericht_Projektgruppe_2011-09-26/index.jsp ), deren Vorsitz ich übernommen habe, diskutieren wir derzeit sehr intensiv die Frage, wie Bürgerinnen und Bürger verstärkt in politische Prozesse einbezogen werden können. Hier handelt es sich um ein breites Themengebiet, das auch von durchdachten staatstheoretischen Abwägungen mitgetragen werden muss.
Insgesamt sind die Erfahrungen, die wir im Rahmen der Arbeit der Enquete-Kommission machen, als positiv zu bezeichnen. Sicherlich ist selbst ein solches Gremium nicht immer von politischen Auseinandersetzungen frei, aber es gibt viele gute Ansätze. So gibt es zum Beispiel während der Sitzungen der Enquete-Kommission die Möglichkeit, über WLAN online zu arbeiten, was nicht nur ein Novum für den Bundestag darstellt, sondern zudem eine enorme Arbeitserleichterung nicht nur für uns Parlamentarier, die live aus den Sitzungen berichten und in einen Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern einsteigen können, sondern zudem auch für unsere Mitarbeiter und die zahlreich anwesenden Gäste und Journalisten darstellt, die ebenfalls live von den Beratungen berichten können.
Auch fernab der Arbeit der Enquete-Kommission ist mir als Abgeordneter sehr wichtig, meine parlamentarische Tätigkeit so transparent wie möglich zu gestalten und die Bürgerinnen und Bürger im Vorfeld parlamentarischer Beratungen über soziale Netzwerke, unserem Blog, den Microbloggingdienst Twitter etc. über meine Arbeit zu informieren. Zudem sind mein Team und ich sehr bemüht, wo immer praktisch umsetzbar, Partizipation an unserer Arbeit zu ermöglichen und Interessierten die Möglichkeit zu geben, ihr Fachwissen einzubringen.
Hier einige Beispiele für unsere Online-Partizipations-Angebote:
Auf unserem Blog www.gruen-digital.de stellen wir immer wieder unsere Parlamentarischen Fragen samt Antworten, Kleine Anfragen, Gesetzesentwürfe, Anträge, Positionspapiere etc. online zur Diskussion und berichten von interessanten Veranstaltungen und Initiativen. So sind in den letzten knapp anderthalb Jahren gut 450 - teils sehr ausführliche - Artikel entstanden.
Auf unserem Blog berichten wir beispielsweise auch regelmäßig /im Vorfeld/ von Anhörungen, stellen die für die Anhörungen zwischen den Fraktionen abgestimmte Fragen an die Sachverständigen zur Diskussion, rufen u.a. auch mit einem eigenen Account (@gruen_digital) bei twitter dazu auf, sie direkt zu beantworten oder weitere Fragen, die wir dann in der Anhörung berücksichtigen, zu formulieren.
Neben unserem Blog sind wir sehr bemüht, auch weitergehende Partizipation zu ermöglichen: Unseren grünen, sehr umfassenden Gesetzesentwurf zum Beschäftigtendatenschutz beispielsweise haben wir, übrigens als erste Fraktion im Deutschen Bundestag, mit Hilfe eines eigenen Blogs online diskutieren lassen und Interessierten so die Möglichkeit gegeben, unseren Entwurf v/or /der endgültigen Verabschiedung in der Fraktion zu kommentieren, und Kritik und Anregungen zu formulieren, die dann in den Gesetzesentwurf aufgenommen worden sind. Weitere Informationen finden Sie unter: www.beschaeftigten-datenschutz.de.
Auch für uns war die Online-Diskussion einer parlamentarischen Initiative ein Experiment. Ein Experiment, das erst einmal, so viel gehört zu ganzen Wahrheit dazu, Mehrarbeit für mich und mein Team bedeutete. Unsere Erfahrungen waren jedoch durchweg positiv. So haben wir sehr konstruktive Anregungen erhalten, wodurch unser Gesetzesentwurf noch einmal verbessert wurde. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen hat die Grüne Bundestagsfraktion mittlerweile eine eigene Bloginfrastruktur entwickelt und wir zwischenzeitlich verschiedene parlamentarische Initiativen online diskutieren lassen. So haben wir unser Positionspapier zur Informationsfreiheit 2.0 und Open Data ebenfalls online diskutieren lassen und haben die Anregungen in das Papier und unser dazu durchgeführtes Fachgespräch mit aufgenommen. Vielfältige Informationen finden Sie unter: http://www.gruenes-blog.de/buergerbeteiligung/
Entsprechende Partizipations-Angebote werden wir in naher Zukunft noch weiter ausbauen. Unser nächstes großes Projekt ist unser grüner Gesetzentwurf zum verbesserten Schutz von Whistleblowern. Auch ihn werden wir wieder online zur Diskussion stellen.
Dass mittlerweile auch andere Fraktionen angekündigt haben, unserem Beispiel folgen zu wollen, und parlamentarische Initiativen vor Verabschiedung in den entsprechenden Gremien online zur Diskussion zu stellen, freut uns natürlich sehr.
Soweit ein kurzer Überblick unserer Aktivitäten im Bereich Online-Partizipation. Neben unseren eigenen Initiativen setze ich mich selbstverständlich auch für die Stärkung entsprechender Angebote auf Bundesebene ein.
Insgesamt, das kann ich an dieser Stelle nur noch einmal zusammenfassend betonen, stellt die Herstellung einer möglichst weitgehenden Transparenz und die Ermöglichung politischer Partizipation der Bürgerinnen und Bürger, ich erwähnte es ja schon, eine gewisse Mehrarbeit dar. Diese lohnt sich aber nach meinen Erfahrungen sehr. Ein kontinuierliche Austausch zwischen Politik und Bürgerinnen und Bürger auf Augenhöhe wäre eine große Bereicherung für unsere Demokratie. Entsprechende Angebote gilt es daher, weiter auszubauen.
Herzliche Grüße nach Wilhelmshaven
Ihr Konstantin v. Notz