Halten sie sich in Asylrechtsfragen an die Menschenrechte (Familiennachzug, im Zweifel für den Flüchtling etc.)? Sollte das Asylrecht um Fälle von extremen Naturkatastrophen erweitert werden?
Sehr geehrte Frau M.,
vielen Dank für Ihre Frage! Seit vielen Jahren erleben wir einen systematischen Rechtsbruch an den EU-Außengrenzen: Menschen werden misshandelt, schutzlos auf dem Wasser zurückgelassen oder ohne Zugang zu Asylverfahren abgewiesen. Schutzsuchenden wird systematisch von europäischen Küstenwachen und unter Beteiligung von Frontex der Zugang zu Asyl in der EU verweigert. Die europäischen Regierungen – darunter Deutschland – verlieren zusehends ihren menschenrechtlichen Kompass. Dem wollen wir entschieden entgegentreten. Wir streiten für eine humanitäre und menschenrechtsbasierte Flüchtlingspolitik, für eine Europäische Union, die ihre humanitäre und rechtliche Verpflichtung, den Zugang zum Grundrecht auf Asyl zu garantieren, und die Notwendigkeit, Verfahren nach völkerrechtlichen Standards fair und zügig durchzuführen, einhält. Die neue Bundesregierung spielt dabei eine entscheidende Rolle, sie muss die Menschenrechte und das Asylrecht verteidigen.
Wir sind dem besonderen Schutz der Familie gemäß Grundgesetz, VN- Kinderrechtskonvention und Europäischer Menschenrechtskonvention verpflichtet und treten dafür ein, die Einschränkungen beim Familiennachzug wieder aufzuheben. Familien gehören zusammen und das Kindeswohl hat oberste Priorität. Auch Menschen mit subsidiärem Schutzstatus müssen deshalb ihre Angehörigen ohne die bisherigen Einschränkungen nachholen können und mit Geflüchteten gemäß der Genfer Konvention gleichgestellt werden. Wir wollen den Geschwisternachzug wieder ermöglichen. An deutschen und europäischen Botschaften braucht es mehr Personal und die Möglichkeit, digital Anträge zu stellen, um die Wartezeiten für Familiennachzugsvisa zu verkürzen.
Der Schutz der Menschenrechte verpflichtet auch zum Klima- und Umweltschutz, umgekehrt schützt Klima- und Umweltschutz Menschenrechte. Wir treten für verbindliche Mechanismen zum Schutz von Menschen ein, die aufgrund von Extremwetterereignissen oder schleichender Umweltveränderung ihre Lebensgrundlage verlieren und ihre Heimat verlassen müssen. Insbesondere regionale Ansätze, die den Betroffenen eine selbstbestimmte und würdevolle Migration ermöglichen und ihnen Aufenthaltsperspektiven schaffen, unterstützen wir. Zugleich wollen wir jene Staaten in die Pflicht nehmen, die historisch am meisten zur Erderwärmung beigetragen haben, um dem Verantwortungsprinzip im Umweltvölkerrecht Rechnung zu tragen und Heimat- und Aufnahmeländer klimabedingter Migration zu unterstützen.
Viele Grüße
Jürgen Trittin