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Josephine Ortleb
SPD
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Frage von Martin R. •

Wie stehst du zum AFD Verbot?

Hallo Fine,

wie positionieren Sie sich zum Antrag für ein Verbotsverfahren gegen die AfD?

Sehen Sie ein solches Verfahren als wirksames Mittel gegen verfassungsfeindliche Tendenzen oder überwiegen für Sie die Risiken? Welche Chancen und Gefahren erwarten Sie von einem möglichen AfD-Verbot für unsere Demokratie?

Gibt es aus Ihrer Sicht Alternativen zu einem Verbotsverfahren im Umgang mit extremistischen Strömungen in der Partei? Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten eines solchen Verfahrens ein?

Welche Folgen hätte ein Verbot Ihrer Meinung nach für die politische Landschaft und den gesellschaftlichen Zusammenhalt? Befürchten Sie eine potenzielle Radikalisierung von AfD-Anhängern?

Wie bewerten Sie die verfassungsrechtlichen Hürden für ein Parteiverbot in Deutschland? Halten Sie diese für angemessen oder sehen Sie Änderungsbedarf?

Welche Rolle sollte der Bundestag in dieser Debatte einnehmen? Wie sehen Sie Ihre persönliche Verantwortung als Abgeordnete(r)?

Gruss

R.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr R.,

vielen Dank für ihre Nachricht und ihre Fragen 

Ich persönlich begrüße ein Verbotsverfahren. Den zuletzt im Bundestag vorgestellten Antrag einer fraktionsübergreifenden Gruppe von Abgeordneten, die erstmals allein über den Bundestag ein Parteiverbotsverfahren einleiten möchte, sehe ich jedoch kritisch. Ich möchte kurz erläutern weshalb. 

Während die Diskussion sich bisher auf die materiellen Voraussetzungen eines Parteiverbots konzentrierte, wird ein entscheidendes verfahrensrechtliches Problem kaum beachtet: das Gebot strikter Staatsfreiheit. Dieses könnte das gesamte Verfahren von Anfang an zum Scheitern bringen.

Ein solcher Antrag wäre ein verfassungsrechtliches Novum, da der Bundestag bisher noch nie alleiniger Antragsteller in einem Parteiverbotsverfahren war. Früheren Verfahren wurden unter Beteiligung von Bundesregierung oder dem Bundesrat eingeleitet. Die alleinige Antragstellung durch den Bundestag jedoch führt zu einer komplizierten verfassungsrechtlichen Problematik. Wenn der Antrag "falsch gestellt" wird, könnte er das gesamte Verfahren sofort untergraben.

Das Gebot strikter Staatsfreiheit besagt, dass eine Partei, die von einem Verbotsverfahren betroffen ist, nicht unter dem Einfluss staatlicher Akteure stehen darf. Ihre Willensbildung und Selbstdarstellung müssen vor und während des Verfahrens unabhängig vom Staat sein. Konkret bedeutet das: Ein Parteiverbotsverfahren darf nicht stattfinden, wenn Ebenen der Partei von V-Leuten oder verdeckten Ermittlern der Nachrichtendienste infiltriert sind. Laut Bundesverfassungsgericht müssen diese spätestens vor der öffentlichen Ankündigung des Verbotsantrags abgezogen werden. Hier liegt das Problem: Der Bundestag kann die strikte Staatsfreiheit zum entscheidenden Zeitpunkt nicht gewährleisten, da er keinen direkten Einfluss auf die Nachrichtendienste hat. Diese unterstehen der Exekutive, also den Innenministerien von Bund und Ländern.

Es ist also höchst ungewiss, ob ein Antrag, bei dem der Bundestag alleiniger Antragssteller ist, überhaupt zu einem erfolgreichen Parteiverbot führen. Es besteht ein erhebliches verfahrensrechtliches Risiko. Einen Beschluss zur Einleitung eines Parteiverbotsverfahrens ohne Maßnahmen zur Sicherstellung der strikten Staatsfreiheit zu treffen, scheint meiner Meinung nach zu unsicher. Stattdessen bräuchte es ein Verbotsverfahren unter Einbeziehung von Bundesrat oder Bundesregierung bzw. beider zusammen. Eine solche Option würde ich unterstützen. 

Grundsätzlich gilt, dass wir als Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag die Sorgen vieler Menschen in diesem Land teilen und wir eine sich immer schneller drehende Radikalisierungsspirale bei der AfD beobachten. Wir erkennen deutlich, dass die AfD eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt. Dies wird an einer Vielzahl von Äußerungen, auch von höchsten Vertreterinnen und Vertretern der Partei deutlich. Gegen Verfassungsfeinde stellt das Grundgesetz mit dem Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 das schärfste Schwert unserer wehrhaften Demokratie bereit. Danach sind Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, verfassungswidrig. Stellt das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit einer Partei fest, ordnet es deren Auflösung an, verbietet die Gründung einer Ersatzorganisation und kann die Einziehung des Parteivermögens zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen (§ 46 Absatz 3 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Weiterhin verlieren Mitglieder des Deutschen Bundestages, die dieser Partei angehören, nach § 46 Absatz 1 Nummer 5 des Bundeswahlgesetzes ihr Mandat. Aufgrund dieser drastischen Folgen sind die Anforderungen an das Verbot einer Partei in einer Demokratie, die maßgeblich durch den parteipolitischen Diskurs lebt, hoch. Das ist aus gutem Grund so und zeigt eine Stärke unserer Verfassung. 

Ich möchte aber abschließend auch erwähnen, dass ich finde, dass uns klar sein muss, dass das Problem der rechten Bewegung in Deutschland nicht mit einem Parteiverbot gelöst ist. Vielmehr brauchen wir eine Auseinandersetzung mit der Sache. Nicht nur im Bundestag, sondern auch außerhalb der Parlamente. Es ist unsere Aufgabe aufzustehen und laut zu werden. Wir müssen diejenigen schützen, die Angst haben und uns jeden Tag auf neue für ein demokratisches Miteinander einsetzen.
 

Mit freundlichen Grüßen

Josephine Ortleb

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