Frage an Hermann Kues von Jörg K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Herr Dr. Hermann Kues,
Sie sind offenbar ein Gegner der Scientology und damit aller Scientologen, wie man Ihren Antworten hier entnehmen kann. Der Vorredner hat sinnigerweise unter der Themenüberschrift "Demokratie und Bürgerrechte" seine Fragen gestellt, u. a. die nach dem Verbot der Scientology, was demnach ausgezeichnet in die Rubrik "Demokratie und Bürgerrechte" paßt, gerade in der heutigen Zeit, wo u. a. ein Parteifreund von Ihnen die Bürgerrechte gegen "Sicherheit" eintauschen möchte. Also bleiben wir bei diesem Thema.
Im Frühjahr 2007 wurde die Scientology vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (paßt wirklich gut zur Themenüberschrift) ALS RELIGION gegen Rußland VERTEIDIGT. In der Begründung zum Grundsatzurteil 18147/02 Scientology vs. Rußland steht folgendes:
"Das Recht von Anhängern eines Glaubens auf Religionsfreiheit, was das Recht umfasst, den eigenen Glauben gemeinsam mit anderen auszuüben, umfasst die Erwartung der Glaubensanhänger, dass sie sich ohne willkürliche Intervention des Staates frei vereinigen dürfen. In der Tat ist die unabhängige Existenz religiöser Gemeinschaften für den Pluralismus in einer demokratischen Gesellschaft unabkömmlich. Dies stellt daher ein innerstes Anliegen des Schutzes dar, den Artikel 9 [der Europäischen Menschenrechtskonvention - Religionsfreiheit] gewährt. [>>>] Die Pflicht des Staates zur Neutralität und Unparteilichkeit ... ist mit jeglicher staatlichen Befugnis unvereinbar, die Rechtmäßigkeit von religiösen Überzeugungen zu bewerten. [<<<]" (Ziffer 72)
Auf den letzten Satz kommt es mir besonders an!
Frage:
Warum MISSACHTET das deutsche Parlament und die Regierungen von Bund und Ländern mit ihrem "Verfassungsschutz" (VS) und "christlich geprägten Volksparteien" TROTZDEM WEITERHIN diese vom EGMR aufgestellten Grundsätze in einem den Menschenrechten verpflichteten Rechtsstaat, wie es die BRD doch sein will, indem "staatliche Befugnis" zur Überwachung und Bewertung durch den VS weiterhin bedingungslos gefahren wird?
Sehr geehrter Herr Kardinal,
es geht nicht um die Rechtmäßigkeit von religiösen Überzeugungen – da ist Deutschland glaube ich vorbildlich -, sondern um unter einem religiösen Deckmantel stattfindende menschenverachtende Praktiken.
Unsere Verfassung stellt die Menschenwürde ganz oben an. Daran müssen sich Körperschaften und Vereine, die Religiosität administrativ verwalten, messen lassen.
Religiöse Überzeugungen sind die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen. Da mischt sich der Staat auch nicht ein, wie Sie es unterstellen. Wo aber Anhaltspunkte vorliegen, daß es Aktivitäten gibt, die mit unserem Grundgesetz kollidieren, wird gegebenenfalls auch der Verfassungsschutz seine Aufgaben erfüllen müssen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hermann Kues