Wie wird die SPD zu den Verbotsverfahrens gegen die AfD stimmen? Hört die SPD auf den Brief der vielen Juristen*innen?
Sehr geehrte Frau Baehrens,
Am Donnerstag ist die Abstimmung über einen Verbotsverfahren gegen die AfD. Die AfD gilt als rechtsextremer Verdachtsfall.
Mittlerweile haben über 600 Juristen und Juristinnen für einen AfD Verbotsverfahren in einem Brief geschrieben.
https://www.rav.de/publikationen/mitteilungen/mitteilung/offener-brief-von-619-juristinnen-ein-verbotsverfahren-gegen-die-afd-hat-aussicht-auf-erfolg-1102
Die AfD zeigt immer mehr wie radikal und teils verfassungsfeindlich sie ist. Viele Menschen demonstrieren nicht umsonst jetzt umso mehr für den Verbotsverfahren.
Selbst wenn Sie und ihre Partei als zu unsicher empfinden, könnte/muss man mindestens die Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen anvisieren, die als gesichert rechtsextrem zählen. Das würde schon ausreichen. Wenn der Antrag keine Zustimmung bekommt und wirklich Verfassungsfeinde in der AfD sind, dann war das leider womöglich die letzte Chance für die Demokratie. Es braucht eine rote Linie.
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Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Wir als SPD-Bundestagsfraktion teilen Ihre Sorgen über die Radikalisierung der AfD. Wir erkennen deutlich, dass die AfD eine verfassungsfeindliche Haltung vertritt. Ein Parteiverbot ist jedoch rechtlich anspruchsvoll: Nach Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz kann eine Partei nur verboten werden, wenn sie planvoll darauf abzielt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden.
Die Hürden für ein Verbot sind hoch. Das Bundesverfassungsgericht prüft streng, ob ein Verbotsantrag ausreichend begründet ist. Vergangene Verfahren zeigen, dass das alleinige Verbreiten extremistischer Ideologien nicht ausreicht. In Parteiverbotsverfahren müssen eindeutige Beweise vorgebracht werden.
Deshalb sind viele Expertinnen und Experten skeptisch, ob die vorliegenden öffentlich zugänglichen Informationen bereits für ein Verbot der AfD ausreichen würden. Ein entsprechender Antrag muss umfassend begründet sein und bereits mit den erforderlichen Beweismitteln vorgelegt werden (§ 23 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz). Für eine umfassende Beweissammlung sind die Antragsberechtigten auch auf die Ermittlungen hierzu berufener staatlicher Institutionen angewiesen. Seinem gesetzlichen Auftrag entsprechend sammelt das Bundesamt für Verfassungsschutz Informationen über Bestrebungen, die gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Aufgrund ihrer immer deutlicher zu Tage tretenden Haltung wird auch die AfD als Gesamtpartei in diesem Sinne als Verdachtsfall geführt.
Die Auswertung der Erkenntnisse des Verfassungsschutzes spielt auch für uns als SPD-Fraktion eine Rolle, wenn wir gemeinsam darüber entscheiden, ob wir uns für die Beantragung eines Verbots der AfD einsetzen. Es handelt sich um eine politische Entscheidung mit großer Tragweite, die wir uns als Teil des Verfassungsorgans Bundestag nicht leicht machen. Deshalb müssen wir jede Möglichkeit zur Beweissammlung nutzen, um schließlich darüber entscheiden zu können, ob wir den Weg nach Karlsruhe beschreiten.
Der neue Bundestag wird sich nach der Wahl intensiv mit dem Verbotsantrag auseinandersetzen.
Doch ein Verbot allein reicht nicht aus. Rechtsextremes Gedankengut verschwindet nicht durch juristische Maßnahmen, sondern muss politisch und gesellschaftlich bekämpft werden. Als SPD setzen wir auf politische Bildung, Aufklärung und demokratische Debattenkultur, um die AfD aus den Parlamenten zu drängen. Dafür ist auch das Engagement der Zivilgesellschaft entscheidend. Ich danke Ihnen für Ihren Einsatz.
Mit freundlichen Grüßen
Heike Baehrens