Warum werden Privatpatienten immer noch bei der Terminvergabe bei Ärzten bevorzugt?
Sehr geehrte Frau Baehrens,
es ist auf Internetseiten von einigen Arztpraxen/bei der telefonischen Terminvergabe offensichtlich so, dass Privatpatienten bei einem Arzt innerhalb weniger Tage einen Termin erhalten, während gesetzlich Krankenversicherte auf einen solchen Termin teilweise mehrere Monate warten müssen. Gerade bei akuten Beschwerden ist das ein Problem - die Folge: Immer mehr GKV-Versicherte gehen mit vergleichsweise kleinen Beschwerden in die Notaufnahme und überlasten so die Krankenhäuser. Wie kann das (noch immer!) sein? Und ist diese Bevorzugung überhaupt rechtlich erlaubt? Warum tut die Ampel dagegen nichts, obwohl das Problem doch schon seit Jahren besteht?
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Sehr geehrter Herr W.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage an mich und entschuldigen Sie bitte die sehr lange Bearbeitungsdauer.
Wie viele andere gesetzlich Versicherte ärgern Sie sich über lange Wartezeiten auf einen Arzttermin. Diese Problematik besteht tatsächlich seit einiger Zeit, wie Sie richtig feststellen. Die Verantwortung, die ambulante ärztliche Versorgung aller gesetzlich Versicherten in Deutschland sicherzustellen, liegt bei den Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Hierzu sind sie gesetzlich verpflichtet. Die Rahmenbedingungen hierfür in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) schaffen wir als Gesetzgeber.
Als SPD-Bundestagsfraktion haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode in der Großen Koalition darauf hingewirkt, dass gesetzlich Versicherte schneller Arzttermine erhalten, z.B. durch die Schaffung der Terminservicestelle. Diese sind täglich an sieben Tagen in der Woche 24 Stunden bundesweit einheitlich über die Telefonnummer 116117 oder online erreichbar. Außerdem hatten wir Anreize zur Aufnahme von Neupatient:innen geschaffen, die wir in dieser Legislaturperiode nach wissenschaftlicher Evaluierung noch einmal modifiziert haben. Ärztinnen und Ärzte bekommen mehr Geld, wenn sie eine schnelle Behandlung anbieten. Je eher der Termin, desto höher der Zuschlag. Auch bekommen Hausärztinnen und Hausärzte mehr Geld, wenn sie gesetzlich Versicherten schnell einen Termin bei einer Fachärztin oder einem Facharzt vermitteln. In diesen Fällen erhält die Fachärztin bzw. der Facharzt bei einer zeitnahen Behandlung ebenfalls einen Zuschlag. Man kann also zuversichtlich sein, dass dieses Instrument die Wartezeiten auf einen Termin verkürzt.
Aktuell bereitet Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Lauterbach eine Reform der Notfallversorgung vor. Es sollen sog. Integrierte Leitstellen (ILS) geschaffen werden, wo die Patientinnen und Patienten an die für sie richtige Stelle im Gesundheitssystem geleitet werden. Darüber hinaus wollen wir die Grenzen zwischen dem ambulanten und dem stationären Sektor – also den niedergelassenen Praxen und den Krankenhäusern – durchlässiger gestalten, um die Versorgung insgesamt zu verbessern. Dabei müssen wir die Bundesländer mit ins Boot holen, die für die Krankenhausplanung und deren Investitionsfinanzierung zuständig sind. Im Ergebnis sollen alle Menschen wohnortnah und gut in angemessener Zeit versorgt werden.
In der aktuellen Regierungskonstellation mussten wir als erforderlichen politischen Kompromiss mit der FDP die Bürger:innenversicherung für diese Legislaturperiode ausklammern. Es bleibt aber unser sozialdemokratisches Ziel, einen gleich guten Zugang zu einer hochwertigen medizinischen Gesundheitsversorgung für alle Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten – darum halten wir mittelfristig an unserem Konzept der Bürgerversicherung fest. Und es sind sozialdemokratische Bundesländer, die beispielsweise einen wichtigen Einstieg gemacht haben, indem sie ihren Beamt:innen die Wahlmöglichkeit zwischen dem Beihilfesystem und einer GKV-Mitgliedschaft eröffnet haben. So gibt es zumindest erste kleine Schritte, um die notwendige Systemänderung einzuleiten.
Ich hoffe, ich konnte mit meinen Ausführungen deutlich machen, dass wir als SPD-Bundestagsfraktion lange Wartezeiten für gesetzlich versicherte Patientinnen und Patienten keinesfalls hinnehmen.
Mit freundlichem Gruß
Ihre
Heike Baehrens