Kann man unionsrechtlich widersprechen, dass personenbezogene Gesundheitsdaten, z. B. genetische, psychiatrische Daten etc., nicht in e-Patientenakten von leiblichen Verwandten verarbeitet werden?
Ist und, wenn ja, wie ist unter dem unionalen Primat der Datenminimierung und des Transparenzgebots (nach Art. 13, 14 DSGVO in einfacher, präziser, verständlicher Sprache, leicht zugänglich & transparent im Sinne der ständigen Rechtsprechung des EuGH) ein Widerspruch gegen die Verarbeitung personenbezogener, auf die eigene Person beziehbarer Gesundheitsdaten von Dritten, namentlich von leiblichen Verwandten, im Falle der mit höherschwelliger Widerspruchslösung einfachgesetzlich forcierten e-Patientenakte (https://tinyurl.com/32rwaze4) möglich? Kann man widersprechen, dass auch dort z. B. genetische oder psychiatrische Daten nicht gespeichert und verarbeitet werden? "Damit personenbezogene Daten als Gesundheitsdaten im Sinne von [...] Art. 9 Abs. 1 DSGVO eingestuft werden können, genügt folglich, dass aus diesen Daten mittels gedanklicher Kombination oder Ableitung auf den Gesundheitszustand der betroffenen Person geschlossen werden kann." Urteil des EuGH v. 4.10.24 C‑21/23, Rn. 83.
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Frage.
Ab Frühjahr 2025 wird für alle gesetzlich Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) angelegt. Die ePA birgt für die gesundheitliche Versorgung und Sicherheit der Patient*innen ein enormes Potenzial: Künftig werden alle wichtigen Befunde, Arztbriefe, Labordaten, Medikation etc. an einem Ort sicher gespeichert und für Zugriffsberechtigte einsehbar. Diagnosen können so auf breiterer Datenbasis schneller und treffsicherer gestellt und Doppeluntersuchungen vermieden werden. Der Patient bzw. die Patientin kann fortan jederzeit Einsicht in die eigenen Daten nehmen und dabei über ein differenziertes Freigabemanagement selbst bestimmen, wer welche Daten wann einsehen darf. Das war uns als SPD-Bundestagsfraktion ganz besonders wichtig. Ebenso ist es möglich, dass einzelne Dokumente oder Dokumentengruppen für ausgewählte Leistungserbringer verborgen oder ganz gelöscht werden können. Freigaben bzw. Widersprüche können über das Smartphone, in einer Ombudsstelle, bei einem Leistungserbringer (etwa dem Hausarzt) und perspektivisch auf einem stationären Endgerät, wie einem PC gemanagt werden.
Gerade Daten zu psychischen Erkrankungen oder sexuell übertragbaren Krankheiten sind äußerst sensibel. Daher haben wir im Digitalgesetz festgeschrieben, dass Leistungserbringer bei der Speicherung von Daten, die zu Diskriminierung und Stigmatisierung führen können, explizit über das Recht zum Widerspruch informieren müssen. Es ist selbstverständlich möglich, dass Patientinnen und Patienten im unmittelbaren Behandlungskontext der Speicherung von Daten in der ePA gegenüber ihrem Arzt, ihrer Ärztin, ihrem Psychotherapeuten oder ihrer Psychotherapeutin widersprechen können. Die Übermittlung und Speicherung von Ergebnissen genetischer Untersuchungen oder Analysen im Sinne des Gendiagnostikgesetzes können sogar nur nach ausdrücklicher Einwilligung des oder der Versicherten in der ePA gespeichert werden.
Grundsätzlich hat jeder/jede Versicherte selbst die Hoheit über die eigenen Daten. Sie können nicht einfach so durch Dritte – egal welchen Verwandtheitsgrades – geändert oder gelöscht werden. Dies ist neben den Versicherten selbst nur Personen möglich, die als Vertreter*in in der ePA hinterlegt sind.
Mit freundlichen Grüßen
Heike Baehrens