Frage an Heike Baehrens von Samuel K. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Baehrens,
mein Name ist Samuel Kessler und gemeinsam mit zwei Mitschülern nehme ich am diesjährigen Wirtschaftspreis "econo=me" vom Handelsblatt teil. Das diesjährige Thema trägt den Namen "Alles hängt zusammen - aber wie?".
Da der Bereich Pflege in meiner Ausarbeitung eine Rolle spielt, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie mir ein paar Fragen zu diesem Thema aus Ihrer Sicht beantworten könnten. Sie würden unser Magazin dadurch bereichern!
1. Sind in der derzeitigen Pflegesituation bedeutende Unterschiede im Vergleich zum ersten Lockdown im März zu erkennen? In welcher Hinsicht hat sich die besagte Situation für die Pflege verbessert oder sogar verschlechtert?
2. Laut einer Befragung von ca. 2.000 Pflegekräften im Auftrag des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP), haben 40% angegeben, dass die körperliche Belastung zugenommen hat und bei 58% gab es sogar eine Zunahme der psychischen Belastung. Was macht die SPD und was muss ihrer Meinung noch getan werden, um genau dieses Problem anzugreifen und um Pflegekräfte vor längerfristigen psychischen Schäden zu schützen?
3. Die Pflege war bereits vor Corona teilweise bis an ihre Grenzen ausgelastet. Letztes Jahr hat die Bundesregierung jedoch den Pflegebonus zu Gunsten der Pfleger auf den Weg gebracht und auch in der Gesellschaft haben Pfleger*innen mehr Aufmerksamkeit bekommen. Wie jedoch reiner Applaus nicht reicht, heilt auch Geld nicht alle Wunden - Was sind demnach typische Probleme und Belastungen, die sich nicht durch eine Prämie lösen lassen und wie werden diese Belastungen berücksichtigt?
4. Guckt man sich aktuelle Nachrichten an wird immer deutlicher: Die Pflege trägt unsere Gesellschaft in diesen Zeiten teilweise auf Ihren Schultern - nichts desto trotz fühlen sich viele Pfleger*innen alleingelassen. Was ist also ihr allgemeines Appell, damit wir auch diese schwere Zeit gemeinsam mit der Pflege durchstehen?
Mit freundlichen Grüßen
Samuel Kessler
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Die Pflege – vor allem die stationäre Langzeitpflege – steht in dieser Pandemie ganz besonders unter Druck. Denn die Menschen in stationären Pflegeeinrichtungen sind mehrfach gefährdet: Durch Ihr Alter und häufig auch durch Vorerkrankungen gehören sie zur Risikogruppe. Und durch ihre Wohnsituation ergeben sich vielfache Ansteckungsmöglichkeiten. Deshalb gab und gibt es leider immer wieder folgenschwere Infektionsausbrüche in der stationären Pflege. Darum ist es richtig, dass dort prioritär geimpft wird.
Im Frühjahr 2020 waren wir alle noch nicht gut darauf vorbereitet. Wir wussten wenig über das Virus und waren im Umgang mit ihm nicht geübt. Als dann überall plötzlich sehr viel Schutzausrüstung benötigt wurde und eine Mangelsituation entstand (wegen der hohen Nachfrage und wegen durch die Pandemie gestörte Lieferketten), kam die Altenpflege zunächst zu kurz. Bereits damals habe ich mich dafür eingesetzt, dass gerade auch die stationäre und ambulante Pflege gut ausgestattet werden muss. In dieser zweiten Welle haben wir daraus gelernt. Deshalb und da auch insgesamt mehr Schutzausrüstung zur Verfügung steht, steht die Pflege in diesem Bereich nun besser da. Auch was Besuche angeht, hat sich die Lage verbessert: Im Frühjahr wurden Besuche eine Zeitlang komplett ausgesetzt. Mittlerweile haben die Pflegeeinrichtungen viele kreative Lösungen erarbeitet und einen routinierten Umgang mit Schutz- und Hygienemaßnahmen, Besuche sind wieder möglich und nur in konkreten Quarantänefällen ausgesetzt. Auch Schnelltests helfen hier.
Es muss dabei aber immer bedacht werden, dass für die Pflegekräfte all diese Maßnahmen die Arbeitsbelastung noch einmal zusätzlich erhöht haben – zu ihren ohnehin vielfältigen Aufgaben kommen jetzt noch Testungen, Hygienemaßnahmen etc. dazu. Deshalb ist es richtig, dass zu ihrer Entlastung zum Beispiel beim Testen zusätzliche angelernte Kräfte bereitgestellt werden. Das wird hoffentlich zu einer weiteren Entlastung führen. Auch der Vorrang der Pflege (Pflegebedürftige und Beschäftigte) bei der Impfreihenfolge wird sicherlich bald zu einer spürbaren Entlastung führen.
Insgesamt hat die Pandemie noch mal verdeutlicht, woran es der Pflege fehlt und warum wir politisch seit langem daran arbeiten: Wir brauchen viel mehr Personal in der Pflege und bessere Arbeitsbedingungen. Um das zu erreichen, setzen wir als SPD an vielen Stellen an, zum Beispiel an verbindlichen Vorgaben, wie viel Personal eine Einrichtung beschäftigen muss. Wir wollen verbindliche Personalschlüssel, die am Bedarf der Pflegebedürftigen ausgerichtet sind. Pflegepersonal muss aber auch gewonnen werden, deshalb haben wir die Ausbildung attraktiver gemacht durch Abschaffung des Schulgelds, die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung mit Ausbildungsvergütung und Einführung eines Bachelor-Studiums. Zusätzlich werben wir auch Pflegefachkräfte in Ländern an, die selber einen Überschuss an ausgebildeten Kräften haben.
Als SPD setzen wir uns nachdrückliche für gute Gehaltsstrukturen in der Pflege ein und haben deshalb auch die gesetzliche Grundlage für einen flächendeckenden Tarifvertrag in der Pflege geschaffen.
Der Pflegebonus war ein richtiges Signal zur Anerkennung der hohen Belastung und der wichtigen Leistung der Pflege in der Pandemie. Aber wie oben bereits ausgeführt, löst er nicht die Kernprobleme. Mehr Personal, gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung sind für uns die Kernpunkte, um die Belastung zu reduzieren, eine gute und fachlich anspruchsvolle Pflege zu ermöglichen und den Beruf wieder so attraktiv zu machen, dass wir genug Nachwuchs gewinnen können.
Für Ihr Vorhaben wünsche ich Ihnen viel Erfolg!
Mit freundlichem Gruß
Ihre Heike Baehrens