Frage an Detlef Müller von Roland R. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrter Herr Müller,
seit etwa 5 Jahren besitze ich eine Eigentumswohnung ( 3 Raum, 77qm, renoviert). Seit über einem Jahr versuche ich diese Wohnung zu verkaufen oder zu vermieten. Das ist bisher nicht gelungen. Das hiesige Finanzamt zweifelt an meinem Bestreben diese Wohnung zu vermieten oder zu verkaufen, denn im Wirtschaftsgürtel um München(!!) ist so etwa kaum verständlich.
Bei keinem Bericht über die aktuellen Koalitionsgesprächen wird darüber gesprochen, wie der Osten unterstützt werden soll oder mit Wirtschaft bestückt werden soll. Meine Maklerin aus Chemnitz sagte dazu: "Die Intelligenz wandert aus dem Osten."
Was tut Ihre Partei und Sie für eine Steigerung der Attraktivität der Wohn- und Arbeitsregion Ostdeutschland?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort
Freundliche Grüße aus Oberbayern
R. R.
Sehr geehrter Herr R.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht. Dass wir uns mehr als 25 Jahre nach der Wende (und damit nach einem Zeitraum, der bereits die Hälfte der Lebensdauer der DDR übersteigt) immer noch Gedanken um gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West machen müssen, zeigt zweierlei: einerseits die Misswirtschaft des DDR-Staates, und andererseits die Dringlichkeit, dieses Kapitel nun so schnell wie möglich abzuschließen, und den Osten auf eine gleiche Stufe mit dem Westen zu bringen.
Man könnte Bände darüber schreiben, was zu tun wäre, um Ostdeutschland auch auf dem Land wieder attraktiver zu machen und den Wegzug vieler Menschen und den damit verbundenen „brain drain“ zu verhindern. Dazu gehören u.a. eine gute Infrastruktur, sowohl was Personenverkehr, als auch was Datenautobahnen, sprich: schnelles Internet, angeht, eine aktive Förderung von Start-ups und Unternehmenskultur im Allgemeinen, der Erhalt niedriger Mieten, eine Angleichung von Löhnen, Gehältern und Renten, Investitionen in Bildung und die Bildungsinfrastruktur, aber nicht zuletzt auch die Förderung bürgerschaftlichen Engagements und demokratischer Werte.
In der vergangenen Legislaturperiode hat die SPD u.a. folgendes erreicht, was sich insbesondere auch auf Ostdeutschland auswirkt.
- Einführung des Mindestlohnes: 1,1 Mio. Menschen in Ostdeutschland haben davon profitiert. Die Bruttolöhne sind 2015 um 168 Mio. Euro gestiegen.
- Für ältere Arbeitnehmer: Wer 45 Jahre Rentenbeiträge gezahlt hat, kann schon mit 63 Jahren in Rente gehen. Über 100.000 Menschen in Ostdeutschland haben das 2014 und 2015 genutzt.
- Für Schülerinnen und Schüler: Der Bund gibt 3,5 Milliarden Euro für bessere Schulen in Deutschland.
- Gegen Langzeitarbeitslosigkeit: Wir haben einen sozialen Arbeitsmarkt mit 15.000 sozialversicherungspflichtigen Jobs geschaffen. Über 6.900 Jobs davon entstehen in den neuen Bundesländern.
- Für die Rente: 2016 sind die Renten in Ostdeutschland um fast 6 Prozent gestiegen. Das ist die größte Rentenerhöhung seit 23 Jahren. Der wesentliche Grund dafür ist die Einführung des Mindestlohns.
- Für Mütter: Für jedes vor 1992 geborene Kind erhalten Mütter einen Rentenpunkt mehr. Das macht pro Kind 350 Euro mehr Rente im Jahr. Rund 9,5 Millionen Mütter in Deutschland profitieren, insbesondere in Ostdeutschland.
- Für soziales Wohnen: Die Mittel des Bundes für den sozialen Wohnungsbau wurden verdreifacht. Erstmals seit 2009 wurde das Wohngeld erhöht und an regionale Unterschiede angepasst. Gerade in teuren Ballungsräumen werden Mieter mehr unterstützt.
- Für den öffentlichen Nahverkehr eine Erhöhung der Regionalisierungsmittel.
- Wir haben die Angleichung der Netzentgelte erreicht, wodurch die Stromkosten in Ostdeutschland, das mit den Löwenanteil der Energiewende trägt, sinken werden.
Aber auch in den jetzt abgeschlossenen Sondierungsverhandlungen wurden für Ostdeutschland und die Kommunen wichtige Verhandlungsergebnisse erzielt:
- Zum Beispiel kann durch die Aufhebung des Kooperationsverbotes in Art. 104c GG der Freistaat in Zukunft für die Sanierung der Chemnitzer Schulen Bundesgelder erhalten.
- Die Erhöhung der Mittel für das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG) kommt direkt dem kommunalen öffentlichen Nahverkehr zugute.
- Auch beim in Ostdeutschland sensiblen Thema Renten wurde Beachtliches erreicht: Der Bund wird schrittweise einen höheren Anteil bei den Erstattungen an die Rentenversicherung für die Ansprüche aus den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR übernehmen und damit die ostdeutschen Bundesländer entlasten. Und: Die von der SPD geforderte Solidarrente heißt jetzt „Grundrente“, entspricht aber genau sozialdemokratischen Forderungen. Wer 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung bzw. Pflegezeiten aufweist, bekommt eine Rente i.H.v. 10 % oberhalb des regionalen Grundsicherungsbedarfs.
- Für Selbständige wird eine gründerfreundlich ausgestaltete Altersvorsorgepflicht eingeführt.
Wie Sie wahrscheinlich wissen, bin ich in einer Doppelrolle tätig: Als Abgeordneter des Deutschen Bundestages bin ich mit den o.g. Maßnahmen auf Bundesebene befasst, als Vorsitzender der Chemnitzer SPD-Stadtratsfraktion habe ich damit zu tun, die Maßnahmen kommunal umzusetzen und zu steuern, und auch direkt vor Ort die Möglichkeiten des Kommunalrechts auszuschöpfen.
Seit einiger Zeit wächst die Stadt wieder und wir verzeichnen mehr Zu- als Wegzüge. Übrigens – die Zuzüge sind zum weit übergroßen Teil aus den umliegenden Landkreisen sowie aus Dresden und Leipzig. Es geht hier nur zum kleinen Teil um zugezogene „Flüchtlinge“. Die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt hängt davon ab, ob wir notwendige Investitionen tätigen können. Wenn Infrastruktur geschaffen, instandgesetzt und erhalten bleibt, bleibt Chemnitz lebenswert, familienfreundlich und konkurrenzfähig.
Die SPD Fraktion im Chemnitzer Stadtrat hat hierfür, gemeinsam mit den Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, eine ganze Reihe von Anträgen verabschiedet, so zum Beispiel:
Antrag „ Gute Schule in Chemnitz“, Beschlussantrag „Arbeitsbedingungen der Erzieherinnen und Erzieher“ verbessern, Beschlussantrag zur Schulnetzplanung, ein sehr wichtiger Antrag für die Sicherung der allgemeinen medizinischen Versorgung der Chemnitzer Bevölkerung in allen Stadtteilen.
Wir bemühen uns als Kommunalpolitiker intensiv um
die indirekte Wirtschaftsförderung mit der Vereinfachung bei der Ausweisung von Gewerbegebieten. Neben der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen geht es natürlich auch um eine Erhöhung der Gewerbesteuereinnahmen,
- die Verbesserung der Infrastruktur (Straßen, Schienen, Breitbandausbau), die für die Wirtschaft und Bevölkerung unerlässlich sind
- die Förderung der Bildung durch Lockerung des Kooperationsverbotes zwischen Bund, Land und Kommunen und somit Ausbildung von Fachkräften in den Regionen (Beispiel in Chemnitz: Unsere Technische Universität ist sehr gut vernetzt mit der regionalen Wirtschaft [smart systems campus] – die ausgebildeten Fachkräfte können nach ihrer Ausbildung hier gute Arbeitsplätze finden und bleiben in der Region.
- die Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Kommunen, damit sogenannte „weiche“ Standortfaktoren (Freizeitmöglichkeiten wie Kultur und Sport, Kitas und Schulen für die Kinder,...), die für Beschäftigte ein wesentliches Kriterium bei der Auswahl der Arbeitsstätten sind, geschaffen, saniert und ausgebaut werden können
Sollten Sie also vor Ort in Chemnitz konkrete politische Unterstützung brauchen, zögern Sie nicht mich anzusprechen, im Rahmen meiner tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten helfe ich gerne.
Mit freundlichen Grüßen
Detlef Müller, MdB (Chemnitz)