Wie stehen Sie zur Stationierung von weitreichenden Waffensystemen ab 2026?
In großer Übereinstimmung haben Biden und Scholz verkündet Tomahawk-Marschflugkörper ab 2026 in Deutschland zu stationieren. Russland fühlt sich dadurch (verständlicherweise) bedroht und überlegt Gegenmaßnahmen.
Ich bin 1965 geboren und habe den kalten Krieg erlebt, mit Albträumen und großen Ängsten. Diese Zeit sehe ich wieder auf Deutschland zukommen! Gerne würde ich meine negativen Gefühle von damals meinen Kindern ersparen.
Was halten Sie von dieser geplanten Stationierung?
Sehr geehrter Herr D.,
vielen Dank für die Nachricht und die Schilderung Ihrer Sorgen.
Ich kann sehr gut verstehen, dass Sie sich angesichts der angespannten internationalen Sicherheitslage Sorgen um eine Eskalation der aktuellen Kriege machen.
Auch mich treibt diese Sorge um und ich kann Ihnen versichern: die Bundesregierung sowie meine Partei und Fraktion setzen uns für nachhaltige, friedliche und deeskalierende Lösungen ein.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine und dem noch immer andauernden Angriff, der klar gegen Völkerrecht verstößt, sehen wir uns mit einem Krieg in unmittelbarer Nähe konfrontiert.
Dies berührt auch unsere europäischen Sicherheitsinteressen.
Wir können es nicht dulden, wenn Russland die Ukraine überfällt und damit droht, weitere Staaten anzugreifen.
Angesichts dieses bedrohlichen Verhaltens Putins ist es wichtig, Schutzvorkehrungen zu treffen und die Bundeswehr, genauso wie die NATO, so auszurüsten, dass sie eine Verteidigung unseres Bündnisses sicherstellen können.
Die Erzählung, Russland fühle sich dadurch bedroht und Gegenmaßnahmen seien daher unausweichlich oder sogar angebracht, ist eine Verdrehung der historischen und aktuellen Tatsachen.
Lassen Sie mich gern kurz etwas weiter aufzuholen.
Putin verbreitet das Narrativ von Russland in der Opferrolle, das ist falsch:
Putin versuchte in den vergangenen Jahren sein Großmachtstreben häufig mit einer geschichtsverfälschenden Darstellung des Zerfalls der Sowjetunion zu legitimieren. Er betrachtet den Zerfall als einen der größten Fehler des vergangenen Jahrhunderts und betrachtet Russland als rechtmäßigen „Erbe“ der Sowjetunion.
Sein selbsterklärtes Ziel ist eine Wiederherstellung der alten sowjetischen Einflusszone. Er stellte bereits klar, dass er ehemalige Sowjetstaaten annektieren und unter seine Herrschaft stellen will.
Putin missachtet die Souveränität seiner Nachbarstaaten und wendet massive Gewalt zur Durchsetzung seiner völkerrechtswidrigen Ziele ein.
Die Ukraine spürt diese Gewalt tagtäglich.
Putin ließ aber auch zwei Regionen im Nachbarstaat Georgien besetzen, setzte seine Armee in Belarus zur Niederschlagung von demokratischen Protestbewegungen ein und droht mit seinem Ziel einer Wiederherstellung der Sowjetunion auch EU- und NATO-Staaten wie Polen oder Finnland.
Hinzu kommen zahlreiche weitere Provokation, wie beispielsweise die Entfernung von Grenzbojen durch Russland an der estnischen Grenze.
Gleichzeitig beobachten wir zunehmend russische Versuche der Destabilisierung europäischer Demokratien, vor allem im digitalen Raum. Desinformationsnetzwerke wie „Voices of Europe“ nehmen massiv Einfluss und zielen auf eine Schwächung liberaler Demokratien ab. Gleiches gilt für diverse Hackerangriffe der letzten Jahre, beispielsweise auf das Datennetzwerk des Bundes im Jahr 2016 oder auf Kolleg:innen meiner Partei im vergangenen Jahr. Diese Angriffe lassen sich zum russischen Geheimdienst GRU nachverfolgen.
All dies reiht sich ein in eskalierende militärische Drohungen und ein ständiges Infragestellen der Souveränität anderer Staaten – das begann schon vor dem Angriff auf die Ukraine am 22. Februar 2022 und hat seitdem nicht nachgelassen. Auch wir sind davon bereits betroffen.
Mir geht es hier nicht um Panikmache.
Diese Angriffe sind zwar Grund zur Sorge, aber Panik brauchen wir nicht zu haben: wir haben eine zuverlässige Sicherheitsarchitektur, sowohl konventionell-militärisch als auch im digitalen Raum.
Es ist aber wichtig, dass wir die aktuellen Entwicklungen genau beobachten, um unsere Sicherheitsvorkehrungen gegebenenfalls anzupassen.
Damit komme ich zurück auf die von Ihnen angesprochenen Pläne zur Stationierung von US-Marschflugkörpern in Deutschland.
Hierzu laufen noch Gespräche zwischen der Bundesregierung, die hier zuständig ist, und der US-Regierung.
Gern kann ich Ihnen Auskunft dazu geben, möchte aber auch darauf verweisen, dass umfassende Details erst nach Abschluss dieser Gespräche klar sind.
Es geht hierbei um eine Verlegung ab 2026, die dem Schutz der NATO-Verbündeten dienen soll.
Russland hat vor einigen Jahren verdeckt die Entwicklung nuklearer Mittelstreckenraketen vorangetrieben und damit gegen den INF-Vertrag verstoßen (Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag).
Das stellte einen eklatanten Brunch internationaler Abrüstungsvereinbarungen dar.
Seit längerem hat Russland zudem in der Exklave Kaliningrad nuklearfähige Raketen stationiert.
2022 folgte eine Verlegung von Überschallraketen in diese Region sowie die Ankündigung einer Stationierung von Nuklearwaffen in Belarus.
Die Bedrohung und der Brunch internationaler Abrüstungsvereinbarungen gehen hier sehr klar von Russland aus. Putin verlegt Raketen, darunter nukleare Waffen, an die Grenze zu anderen europäischen Staaten.
Da die europäischen NATO-Staaten wenige Marschflugkörper mit erhöhter Reichweite haben, dient die Stationierung von US-Waffen dem Schließen einer Fähigkeitslücke.
Gleichzeitig wird die Entwicklung europäischer Systeme vorangetrieben. So stellen wir sicher, dass wir uns in Europa auch autarker selbst verteidigen können – das kommt der gesamten NATO zugute.
Zum Abschluss möchte ich gern festhalten:
Wir beobachten in der Vergangenheit eine zunehmende Radikalisierung Putins und offene Drohungen gegenüber der EU und NATO. Nicht nur der Angriff auf die Ukraine macht uns deutlich, dass Putin unser Leben deutlich unsicherer macht – auch die Stationierung von Nuklearwaffen in europäischer Grenznähe ist eine unverantwortliche Eskalation und ein Brunch von Abrüstungsverträgen.
Die Stationierung von Marschflugkörpern ist daher leider zur Sicherung der europäischen Sicherheit notwendig. Da diese aber, im Gegensatz zu den russischen Systemen, nicht atomar genutzt werden können, kann hier nicht von einer Eskalationsspirale gesprochen werden.
Gleichzeitig ist klar, dass nachhaltiger Frieden nicht durch Waffen, sondern durch Diplomatie erreicht wird.
Auch wenn es derzeit kein Vertrauen zu Putin und der russischen Führung gibt, müssen wir sämtliche diplomatischen Kanäle offenhalten.
Nur so eröffnet sich perspektivisch die Chance auf einen international überwachten Waffenstillstand in der Ukraine, der dem sinnlosen Sterben ein Ende setzt.
Voraussetzung dafür ist aber ganz klar, dass Putin seine Truppen aus der Ukraine in ihren Grenzen von 2014 zurückzieht und die Angriffshandlungen einstellt. Auch die hybriden Dimensionen des russischen Angriffs müssen eingestellt werden.
Gleiches gilt für Putins Agenda eines russischen Großreichs und den andauernden Aggressionen gegenüber unseren Partnern, insbesondere den an Russland grenzenden NATO- und EU-Staaten.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Baldy
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Mitglied des Bundestages
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